Mexiko | Nummer 249 - März 1995

Exodus in der Selva Lacandona

Der Bruch des Waffenstillstandes durch die mexikanische Regierung am 9. Februar hat eine gewaltige Fluchtwelle ausgelöst. Allein im Landkreis Las Margaritas sind 6000 Tzotzilen und Tojolabales in die Selva geflohen.

Frank Kreuzer

Die BewohnerInnen von Morelia, ei­nem Dorf unmittelbar hinter der letzten Militärsperre, wurden von einem Angriff im Morgengrauen überrascht. Alle 1300 BewohnerInnen und dort arbeitende Ärzte und LehrerInnen flohen vor den vorrük­kenden Panzern. Ohne ausreichende Klei­dung und nicht genügenden Nahrungs­mitteln versuchten sie Schutz vor den Bomben und MP-Salven in den Bergen zu suchen.
Die Erinnerungen an den Überfall der Bundesarmee am 7. Januar 1994 sind noch präsent. Damals sind EinwohnerIn­nen gefoltert und verschleppt worden, ein Dorfmitglied ist seitdem verschwunden.
Um das nackte Leben zu retten verstek­ken sich inzwischen über 6000 Menschen in den Wäldern. Ohne Kleidung und Dek­ken, der Kälte ausgeliefert, ohne Nah­rungsmittel, durch Unterernährung ge­schwächt und durch verschmutztes Was­ser erkrankt, harren sie aus, eingeschüch­tert durch Tiefflüge der Luftwaffe. Ihre Dörfer wurden von den Armeen geplün­dert, die Schule und Bibliothek in Morelia abgebrannt. In Lazare Cardenas, einem anderen Dorf aus dem die Menschen flo­hen, blieben drei Menschen zurück, die drei Tage von der Armee gefesselt und ohne Nahrung verhört wurden.
Unter den Flüchtlingen grassieren Durchfallerkrankungen, Tuberkulose, Fie­ber und Cholera. Medizinische Versor­gung gibt es nicht.
In der Nähe von Guadalupe Tepeyac sind ebenfalls nur noch verwaiste, von der Armee besetzte Orte zu finden. Das Dorf ist am 9. Februar von 2300 Fall­schirm­jägern überfallen worden. Die Dörfer sind von der Armee zu Festungen ausgebaut worden. In Morelia sind Inzwi­schen 800 Sol­daten mit Panzern vor Ort.
Die Flüchtlinge rufen in einem Appell zu sofortigen internationalen Hilfsmaßnah­men auf. Die Offensive geht weiter. Allen Versprechungen zum trotz rückt die Ar­mee, vor allem mit Panzereinheiten, weiter vor. Die EZLN soll in Kämpfe ver­wickelt werden. Bisher hat sie ihre Trup­pen allerdings angewiesen, diese zu ver­mei­den und sich zurückzuziehen.
Insgesamt liegen 2700 Haftbefehle ge­gen vermeintliche Zapatisten vor.

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