FAHR ZUR HÖLLE, JOH!
Trotz Verhaftung des Ex-Präsidenten wird die Justiz weiter von der Oligarchie kontrolliert
Verhaftung von JOH Wegen vieler Verbrechen gerechtfertigt (Foto: Luis Méndez)
Seit Ende Januar überschlagen sich in Honduras die Ereignisse. Den vorläufigen Höhepunkt bildet die Festnahme des Ex-Präsidenten und mutmaßlichen Drogenhändlers Juan Orlando Hernández (JOH) am 15. Februar 2022, begleitet von Jubeldemonstrationen auf den Straßen Tegucigalpas. Der Wahlerfolg Xiomara Castros Ende November 2021, ebenso frenetisch bejubelt, ist auf das dringende Bedürfnis der Bevölkerung zurückzuführen, das korrupte Regime, das zwölf Jahre lang das Land ausgeplündert hatte, zur Hölle zu schicken. So ist zu erwarten, dass JOH nicht der letzte bleibt, der in Ketten abgeführt wird. „Niemand steht über dem Gesetz“, hatte Hernández vor drei Jahren gesagt, als sein Bruder Antonio „Tony“ Hernández an die Vereinigten Staaten ausgeliefert wurde. Doch war damals schon landläufig bekannt, dass der Präsident und Netzwerke seiner Nationalen Partei in massive Korruptionsskandale verstrickt waren.
JOH wurde verhaftet, nachdem die USA am 14. Februar ein Auslieferungsgesuch gestellt hatten. Ihm wird der Schmuggel von großen Mengen von Kokain in die USA vorgeworfen sowie illegaler Waffenbesitz und die Bildung krimineller Vereinigungen. Nach Kronzeugenaussagen kassierte er immer wieder hohe Bestechungsgelder von verschiedenen Drogenkartellen und hat im Gegenzug Drogentransporte von Polizei und Militär schützen lassen. Bestechungsgelder kamen unter anderem vom ehemaligen Chef des Sinaloa-Kartells, Joaquin „El Chapo“ Guzman, und vom 2021 verurteilten honduranischen Drogenboss Geovanny Fuentes. Drogengelder sollen auch in Hernández‘ Wahlkampagnen geflossen sein. Bereits im Verfahren gegen Tony Hernández wurde JOH als „Mitverschwörer“ benannt. Tony Hernández wurde am Oktober 2019 von einem New Yorker Gericht für schuldig befunden, Drogenhandel in großem Stil betrieben zu haben und in der Folge zu lebenslänglicher Haft verurteilt.
Es gäbe vieles außer dem Drogenhandel, wofür der Ex-Präsident im eigenen Land angeklagt werden könnte, etwa seine Rolle bei der blutigen Niederschlagung der Massenproteste nach den manipulierten Wahlen 2017, die 30 Protestierende das Leben kostete. Während die Verurteilung Hernández‘ in den USA als sicher angesehen werden kann, sind die honduranischen Gerichte bislang keine sichere Bank. Seine Verhaftung löste nicht nur Jubel in der Bevölkerung aus. Justizangestellte zollten ihm auf dem Weg zu einer ersten Anhörung respektvollen Applaus. Nicht zuletzt der Generalstaatsanwalt Oscar Chinchilla soll laut Aussage des Drogenbosses Fuentes seine schützende Hand über Drogengeschäfte gehalten haben. Im Fall des Ex-Präsidenten wird es am 16. März mit einer Anhörung zur Beweisaufnahme weitergehen.
Kennzeichnend für den Zustand des honduranischen Justizsystems ist der Fall Guapinol, der sich zeitgleich zur Festnahme von JOH abspielt. Am 9. Februar sprach das Gericht von Tocoa sechs von acht angeklagten Umweltschützern schuldig, einen Wachmann gefangengehalten und Container des Bergbauunternehmens Inversiones Los Pinares beschädigt, beziehungsweise in Brand gesetzt zu haben. Die Beweisführung und Zeugenaussagen waren von Anfang an widersprüchlich und konstruiert. Isabel Albaladejo Escribano, Repräsentantin des UN-Hochkommissariats für Menschenrechte in Honduras schrieb nach dem Urteil: „Wir bekräftigen, dass es sich bei den Inhaftierten von Guapinol um Verteidiger der Menschenrechte, des Landes, des Territoriums und der Umwelt handelt, die eine lobenswerte Arbeit für die Demokratie im Lande leisten. Sie haben mehr als 29 Monate willkürlichen Freiheitsentzugs verbüßt und sollten, wie die Arbeitsgruppe der Vereinten Nationen für willkürliche Inhaftierung festgestellt hat, freigelassen werden und eine vollständige Entschädigung erhalten.“
Der Fall Guapinol ist das aktuell wohl bekannteste Beispiel der Kriminalisierung von Menschenrechtsverteidiger*innen zugunsten der Interessen von Unternehmen. Die Bevölkerung lokaler Gemeinden setzte sich gegen ein Bergbauprojekt im Nationalpark „Carlos Escaleras“ zur Wehr, unter anderem, weil dieses den Fluss Guapinol verschmutzt, aus dem die Gemeinden ihr Trinkwasser beziehen. Damit das Unternehmen Inversiones Los Pinares dort Eisenerz abbauen kann, hatte die Regierung extra die Grenzen des Nationalparks verändert. Inversiones Los Pinares gehört zur EMCO Holding, die wiederum einem der reichsten Unternehmer des Landes, Lenir Perez gehört. Perez‘ Ehefrau Ana entstammt der einflussreichen Oligarchenfamilie Facussé.
Am 10. Februar entschied der Oberste Gerichtshof, dass das gesamte Verfahren gegen die Umweltschützer annulliert werden müsse. Damit hätten die sechs in Haft verbliebenen Männer eigentlich freigelassen werden müssen. Die gesetzliche Regelung garantiere, dass Gerichtsentscheidungen sofort umgesetzt werden müssten, so der Anwalt der Umweltschützer von Gaupinol, Edy Tabora. Doch die beteiligten lokalen Gerichte von Tocoa, Trujillo und La Ceiba setzen weiter auf Verzögerungstaktik, indem sie sich unter anderem darauf beriefen, dass Entscheide noch nicht schriftlich vorlägen. Erst am 24. Februar ordnete das Gericht von Trujillo die sofortige Freilassung der Männer an. Am frühen Morgen wurden sie von ihren Familien und ihrer Gemeinde in Freiheit begrüßt. Bis zur Gerechtigkeit ist es aber noch ein langer Weg: Die Umweltschützer müssen entschädigt und die für die willkürliche Haft Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden. Vor allem müsste das Bergbauprojekt im Nationalpark gestoppt werden.
Für Miriam Miranda, renommierte Menschenrechtsverteidigerin und Koordinatorin der Garífuna-Organisation OFRANEH, zeigt die Verzögerungstaktik der Richter*innen die Parteilichkeit der Justiz. „Es ist offensichtlich, dass die Ausübung der Justiz weiterhin von den mächtigen Gruppen des Landes kontrolliert wird. Die Familie Facussé beispielsweise ist quasi Eigentümerin der Region Bajo Aguan und verfügt dort über 54 nicht registrierte Grundstücke. Die Familie hat politisches Gewicht bei den Entscheidungen von Richter*innen und Staatsanwält*innen“, erklärte sie gegenüber den LN.
Hernández wird nicht der letzte sein, der in Ketten abgeführt wird
Unterstützung für den Kampf gegen die Korruption in den Institutionen wäre die Einrichtung einer Internationalen Kommission gegen die Straflosigkeit (CICIH), analog zur lange Jahre erfolgreich in Guatemala tätigen CICIG. Am 17. Februar hat Präsidentin Xiomara Castro in einem Brief an die Vereinten Nationen die Einrichtung einer solchen Kommission erbeten. Bereits 2015, im Skandal um den Betrug am Sozialsystem, wurde die Einrichtung einer CICIH gefordert, geeinigt hatte man sich schließlich auf die Unterstützungsmission gegen Korruption und Straflosigkeit in Honduras (MACCIH) mit einem weitaus schwächeren Mandat. Doch der MACCIH wurden ihre Ermittlungserfolge zum Verhängnis: Die Regierung von Juan Orlando Hernández weigerte sich, ihr Mandat über Anfang 2020 hinaus zu verlängern.