Bewegung | Nummer 483/484 - Sept./Okt. 2014

Fire pon Babylon!

Kurze Geschichte der Rastafari-Bewegung

Eine verbindliche Klammer gibt es nicht: Rasta ist, wer sich als Rasta fühlt. Angesichts dieser Subjektivität schwanken die Zahlen zur Rastafari-Bewegung extrem: Im Ursprungsland Jamaica beispielsweise wird mal ein Prozent der 2,7 Millionen Inselbewohner_innen der Bewegung zugeschlagen, mal sind es fünf Prozent, mal zehn. Auch weltweit schwanken die Zahlen von 700.000 bis zu fünf Millionen Menschen, die der Rastafari-Bewegung zugerechnet werden.

Martin Ling

Unumstritten ist, dass die Rastafari-Bewegung 1930 ihren Anfang nahm. Am 2. November jenen Jahres wurde in Äthiopien der einer Adelsfamilie entstammende Ras Tafari Makonnen zum Kaiser Haile Selassie (Macht der Dreieinigkeit) gekrönt. Mit den Worten „Schaut nach Afrika; auf die Krönung eines schwarzen Königs; er wird der Erlöser sein“ soll der Verfechter der „Back to Africa“-Ideologie, Marcus Mosiah Garvey, dieses Ereignis im Jahre 1914 auf Jamaica prophezeit haben. Im selben Jahr wollte Garvey mit der Gründung der Universal Negro Improvement Association (UNIA) den Interessen der „schwarzen Rasse“, insbesondere der Rückkehr nach Afrika, zur Durchsetzung verhelfen.
Den biblischen Bezügen zufolge wird der Rastafarianismus in die millenarisch-messianischen Bewegungen eingeordnet. Die religiösen Überzeugungen der Rastas, ihre Symbole und Rituale sind dabei aus der Bibel des „schwarzen Mannes“, der „Holy Piby“, abgeleitet, die der ursprünglichen, in der äthiopischen Schriftsprache Amharisch abgefassten, Bibel am nächsten komme. Die originäre Bibel sei vom „weißen Mann“ verfälscht worden, um die Minderwertigkeit der Schwarzen und deren Versklavung zu legitimieren. Nach 300 Jahren Unterdrückung durch die Weißen hielten die Rastas mit der Krönung Haile Selassies die Zeit der Erlösung und der Rückkehr nach Afrika für gekommen.
Der Rastafarianismus ist indes mehr als Religion und besser als sozioreligiöse Bewegung zu verstehen. Das Spektrum reicht von streng religiös orientierten Sekten bis hin zu sozialem Wandel verpflichteten Organisationen. Insgesamt bestimmt anstelle des „Back to Africa“ inzwischen das Motto „Liberation before migration“ (Befreiung vor Auswanderung) das Denken der Mehrzahl der Rastas.
Seinen Ausdruck findet es insbesondere im Bereich der Musik (Reggae), Malerei und Literatur auf Jamaica, in denen die Rastafaris eine herausragende Stellung einnehmen. In den anderen Ländern, in denen der Rastafarianismus Verbreitung gefunden hat, spielt in erster Linie der Protest eine Rolle – Rastafari als sozialkritische Weltanschauung, die die bestehende Gesellschaftsordnung ablehnt, weil sie eine wachsende Anzahl von Menschen ins gesellschaftliche Abseits drängt.
Einig sind sich die Rastas darin, dass sie nur das Soundsystem als akzeptables System anerkennen. Für das herrschende System gilt dagegen „fire pon Babylon!“, frei übersetzt „Nieder mit dem System!“, denn wörtlich übersetzt sind die Losungen fast immer missverständlich. So handelte sich der jamaicanische Dub-Poet Mutabaruka bei einem Konzert in Rom mit der von der Zuschauer_innen begeistert gefeierten Formel „Fire pon Rome! Fire fi di Pope!“ (Feuer auf Rom, Feuer für den Papst) Ärger ein, denn der Vatikan fand sie gar nicht lustig. Mutabaruka stellte klar, dass er nicht zum Abfackeln von Rom oder dem Papst aufriefe, sehr wohl aber den Katholizismus fundamental kritisieren wolle. Und den Mund lasse er sich von niemandem verbieten, schon gar nicht vom Papst.

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