Film | Nummer 404 - Februar 2008

Fortsetzung folgt

Im Film zur Fernsehserie Cidade dos Homens geht das Leben in der favela weiter

Vincent Gatzsch

Auf den mehrfach oscarnominierten Film Cidade de Deus (City of God, 2002) von Regisseur Fernando Meirelles folgte die erfolgreiche Fernsehserie Cidade dos Homens (City of Men), die bis zuletzt vier Staffeln mit insgesamt 19 Folgen zählte und in Brasilien bis zu 35 Millionen ZuschauerInnen erreichte. Auf der Berlinale läuft nun der gleichnamige Film. Waren die vergangenen Folgen der Fernsehserie noch von der Kindheit und Jugend der beiden Protagonisten Acerola (Douglas Silva) und Laranjinha (Darlan Cunha) geprägt, so geht es nun im Film um das Erreichen der Volljährigkeit und des Erwachsenwerdens der beiden Freunde.
Innerhalb der Favela Morro da Sinuca (Dead End Hill), am Rande Rio de Janeiros gelegen, entfalten sich die Alltagsgeschichten, Liebesbeziehungen, sowie Freund- und Feindschaften, die die beiden Freunde umgeben.
Die erzählerisch geglückte Einstiegsszene in den Film eröffnet dem Publikum gleich zu Anfang ein Grundschema der sozialen Verhältnisse und Personenbeziehungen. Am sonnenüberfluteten Strand am Fuße der Favela werden die nachfolgenden Handlungsabläufe in grober Manier vorgezeichnet, so dass sich in kurzen Einblendungen ein Grundgerüst der Handlung ergibt: Acerola berichtet Laranjinha von seiner just erreichten Volljährigkeit, während dieser einen verhaltenen Blick auf Camila wirft. Die verräterischen Absichten der Bandenmitglieder Nefastos und Fiels gegenüber ihrem Bandenchef Madrugadão werden in einem hasserfüllten Dialog offenkundig, während im Erzählpotpourri der vierjährige Clayton von seinem Vater Acerola am Strand vergessen wird. Dieser macht sich ironischerweise gerade mit Laranjinha auf die Suche nach dessen unbekanntem Vater.
Das Bild der Väter bestimmt auch den weiteren Verlauf des Films. Die Vaterlosigkeit der beiden Protagonisten sowie die Vaterrolle Acerolas sind die konstitutiven Elemente des Erzählmusters. Laranjinha findet seinen Vater Heraldo, doch läuft die anfänglich initiierte glückliche Vater-Sohn-Beziehung auf eine erneute Enttäuschung hinaus. Acerola nimmt seine Vaterpflichten gegenüber seinem Sohn Clayton nur zu Ungenüge wahr und gerät hierbei in Konflikt mit seiner Frau Catarina. Doch die Enttäuschung bleibt aus. Vielmehr bahnt sich eine Wendung in Acerolas Selbstwahrnehmung als Vater an. Doch damit nicht genug, beschwört die Vergangenheit der eigenen Väter einen erneuten Konflikt herauf. Als Acerola näheres über den Mord an seinem Vater erfährt, scheint die Freundschaft zwischen ihm und Laranjinha auf eine harte Probe gestellt zu werden. Die Vergangenheit ihrer beiden Väter holt die erwachsenen Söhne ein und entzweit ihr intimes Verhältnis. Die beiden Freunde stehen sich nun in verfeindeten Lagern gegenüber. Einzig die Gegenwart kann die Vergangenheit überwinden.
Im Umfeld der beiden Protagonisten bricht währenddessen ein Bandenkrieg in der Favela aus, der durch den Verrat Nefastos an Madrugadão hervorgerufen wird. Mit schweren Waffen wird ein Kampf um die Machtposition des Favela-Herrschers entfacht, bei dem es nur Verletzte, Ermordete und Verlierer geben wird. Eingebettet in diesen Kontext aus Maschinengewehren werden alle Bewohner der Favela in Mitleidenschaft gezogen, so dass die Beziehungen einzelner Personen untereinander nur am Rande behandelt werden. Während viel Zeit auf die Darstellung des Bandenkriegs verwendet wird, können sich dadurch kaum Nebenerzählungen ergeben, die die Geradlinigkeit der Handlung unterbrechen könnten. So bleiben viele der auftretenden Personen vor allem eines: Stereotypen an der Oberfläche.
Doch erzählerische Komplexität ist nicht der Anspruch, den man an dieser Stelle einfordern sollte. Die vielen unterschiedlichen Themen, die von Gewalt, Verrat und Machtansprüchen, über Freundschaft, Liebe, Vaterlosigkeit und finanzieller Armut reichen, sollen in Form eines gutgemachten Actionfilms vor allem unterhalten. Zwar droht diese thematische Bandbreite das Gesamtkonzept beizeiten zu überfrachten, doch sollte man hierbei nicht die Vorlage der Fernsehserie vergessen, die schließlich auch von der Manie der Fortsetzung lebt. Das Ergebnis kann sich also sehen lassen – zu keinem Zeitpunkt kommt Langeweile auf und am Ende des Films will man vor allem eines: wissen wie es weitergeht.
Seinen Unterhaltungswert bekommt der Film wohl nicht zuletzt durch seine hohe technische Qualität: Fotografie und Kameraführung (Adriano Goldman) sind ebenso brillant wie die Filmmusik. Der unvergessene Soundtrack von Cidade de Deus erfreut sich hier eines würdigen Nachfolgers. Schließlich ist auch bei Cidade dos Homens erneut Antonio Pinto für die musikalische Untermalung zuständig gewesen.

Cidade dos Homens (City of Men), Brasilien 2007, 104 Minuten, Regie: Paulo Morelli. Läuft auf der Berlinale im Panorama-Programm.

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