Nummer 421/422 - Juli/August 2009 | Solidarität

Freiheit für Miguel Beltrán

Offener Brief zur Abschiebung des kolumbianischen Wissenschaftlers aus Mexiko

Unter dem Vorwand gegen Migrationsbestimmungen verstoßen zu haben, wurde der kolumbianische Soziologe Miguel Beltrán Ende Mai aus Mexiko nach Kolumbien abgeschoben. Dort wurde er verhaftet und als einer der führenden Köpfe der Guerilla Bewaffnete Revolutionäre Streitkräfte Kolumbiens (FARC) präsentiert. Beltrán befindet sich weiterhin in Haft. Zur Unterstützung und Bekanntmachung des Falls Beltrán veröffentlichen die Lateinamerika Nachrichten an dieser Stelle einen leicht gekürzten offenen Brief des deutschen Soziologen Andrej Holm. Wir schließen uns dessen Forderungen an.

Andrej Holm

Dr. Miguel Angel Beltrán, Soziologe an der UNAM in Mexiko, wurde am 22. Mai unter dem Vorwurf der Mitgliedschaft in der kolumbianischen Guerilla FARC nach Kolumbien abgeschoben und dort inhaftiert. Die wenigen Informationen, die in Deutschland zu diesem Fall bekannt geworden sind, zeigen eine weitere skandalöse Kriminalisierung von kritischen Wissenschaftler/innen im Namen des angeblichen „Kampfes gegen den Terrorismus“.
Die Abschiebung und Verhaftung von Dr. Miguel Angel Beltrán erfolgte auf der Basis einer selbst von internationalen Polizeibehörden umstrittenen Auswertung von Computerdaten, die einem FARC-Kommandanten zugeschrieben werden. Der konkrete Vorwurf gegen ihn ist die angebliche Infiltration akademischer Zirkel in Lateinamerika, um diese unter die Führung der FARC zu stellen. Dass dabei seine wissenschaftlichen Arbeiten zu einem halben Jahrhundert Bürgerkrieg in Kolumbien als Indizien herbeigezogen werden, zeigt, dass hier eine kritische und für den Staat unliebsame Forschungsarbeit kriminalisiert werden soll.
Auch in Europa wurden in den vergangenen Jahren mehrere Wissenschaftler wegen des Verdachts terroristischer Aktivitäten festgenommen. Im Mai 2008 wurden zwei Wissenschaftler der Universität Nottingham unter Anwendung des britischen „Terrorism Act“ festgenommen und mit Abschiebung bedroht. Anlaß war der Ausdruck von legal erhältlichem Material für die Forschung über Al-Quaida. Im November 2008 wurden im französischen Tarnac 10 Personen im Rahmen von sogenannten Anti-Terrorermittlungen festgenommen. Unter ihnen der Philosoph Julien Coupat, der über 6 Monate in Untersuchungshaft festgehalten wurde. Begründung war in seinem Fall unter anderem eine vermutete Herausgeberschaft eines als linksextremistisch eingeschätzten Buches „L“insurrection qui vient“ (Der kommende Aufstand) sowie die nicht bewiesene Beteiligung an einer Unterbrechung des Schienenverkehrs .
Julien Coupat musste inzwischen wegen Mangels an Beweisen freigelassen werden. Ich selbst wurde im Juli 2007 als angeblich „intellektueller Kopf“ einer terroristischen Vereinigung festgenommen. Indizien auch hier meine wissenschaftlichen Veröffentlichungen sowie eine nie verborgene linke Gesinnung. Der Bundesgerichtshof hat den Haftbefehl gegen mich inzwischen aufgehoben und den ‚dringenden Tatverdacht‘ verneint.
In all diesen Verfahren gerieten Wissenschaftler/innen und ihre Arbeitsweisen in den Fokus polizeilicher Ermittlungen. Kritische Wissenschaft darf nicht auf dem Altar des internationalen „War on Terror“ geopfert werden.
Die von der mexikanischen Regierung vollzogene Abschiebung in dass immer noch von Menschenrechtsverletzungen geprägte Kolumbien erfolgte ohne jede Rechtsgrundlage. Ich protestiere gegen diese illegale Abschiebung durch die mexikanische Regierung und fordere die unverzügliche und unversehrte Rückkehr von Dr. Miguel Angel Beltrán nach Mexiko.

// Dr. Andrej Holm,
Universität Frankfurt am Main, 04. Juni 2009
Weitere Informationen finden sich unter
http://libertadmiguelangelbeltran.blogspot.com/ und http://colombiasolidarity.net/?q=node/141.

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