Nachruf | Nummer 440 - Februar 2011

„Freiheit und Glück“

Zum Tod des deutsch-jamaikanischen Schriftstellers Peter-Paul Zahl

Martin Ling

Sein Wunschberuf Seemann hat sich nicht erfüllt. Doch den damit verbundenen Traum von der weiten Welt, von Freiheit und Glück, lebte Peter-Paul Zahl (auch „PPZ“ oder „Pepé Zett“) bis zum Lebensende. Ob als Drucker, Stadtguerillero bei der Bewegung 2. Juni oder als Schriftsteller. Seit 1985 hatte der 1944 in Freiburg im Breisgau geborene Zahl seinen Hauptwohnsitz in Long Bay, einem malerischen Küstenort im Nordosten Jamaikas. Seine Kindheit und Jugend verbrachte er im mecklenburgischen Feldberg und im Rheinland. Ihn in Jamaika zu besuchen war kein Problem, sofern er nicht gerade auf einer seiner regelmäßigen Lesereisen in Deutschland weilte. 2007 sollte es endlich klappen. „Peter, wann kann ich mal vorbeischauen?“ „Na ja, vor dem Hurrikan wird’s nichts mehr werden. Danach kannst Du ja mal anrufen, wenn die Leitungen wieder gehen.“ Humor und Lebenslust zeichnete PPZ aus. Der Hurrikan „Dean“ 2007 hatte es in sich, legte in der Tat Strom- und Telefonleitungen für mehrere Tage lahm und auch die Straße nach Long Bay war aufgrund von Sandverwehungen und umgestürzten Bäumen nicht befahrbar. Dass wenigstens eine Spur in wenigen Tagen freigeräumt wurde, war ein indirektes Produkt des von PPZ so geschätzten jamaikanischen Widerstandsgeistes. Mit Straßenblockaden hatten die BewohnerInnen die Administration dazu gebracht, sich endlich des unsäglichen Zustands der Straßen anzunehmen. Das schwere Baugerät eignete sich auch zum Freiräumen.
So war der Weg frei zu einem Treffen mit dem bis zuletzt seinen libertären Ideen treu bleibenden PPZ. Auch wenn Jamaika alles andere als eine freie Gesellschaft ist, wie er sie als Ideal anzustreben pflegte. Hier fand der durch seinen Schelmenroman Die Glücklichen zu Schriftstellerruhm gelangte PPZ eine geliebte zweite Heimat, die ihn respektierte statt zu kriminalisieren. Da gibt es die Anekdote aus einer Kneipe in Port Antonio, als Peter-Paul Zahl vom Sergeanten der Wache und dem Superinspektor der Gemeinde auf einen Schnaps eingeladen wurde. Nachdem sich die Stimmung gelockert hatte, kam der Superinspektor auf den Punkt: „Ja, Peter, wir haben gehört, du hast in Deutschland im Gefängnis gesessen.“ „Jaja“, antwortete PPZ.  „Und wie lange?“ „Zehn Jahre.“ „Für was?“ „Ich hatte eine Schießerei mit den Bullen.“ Die Polizisten erschraken laut PPZ und fragten: „Dann warst du wohl ein Bad Boy!“ „Ja, war ich.“ „Und was bist du jetzt?“ „Noch badder“. Die Reaktion begeisterte PPZ noch Jahre danach: „Die Polizisten grinsten, hoben den Daumen und sagten: ’Respect!’“.
In Jamaika wird der Anarchist seine letzte Ruhe finden. In einem Grab auf seinem schön am Hang gelegenen und deshalb besonders hurrikangefährdeten Grundstück in Long Bay mit Blick aufs Meer. Trübsal sollte nach seinem Willen bei seinem Begräbnis nicht geblasen werden, sondern in bester jamaikanischafrikanischer Tradition ein rauschendes Fest gefeiert werden. „This is the end, my friend“ (The Doors)  und „I did it my way“ (Frank Sinatra) wünschte er auf alle Fälle als Musik, meinte er 2007 bei bester Laune. So soll er in Erinnerung bleiben.

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