FÜR EIN MEER OHNE ÖL
Die Atlanticazo-Bewegung wehrt sich gegen eine geplante Offshore-Ölförderung vor der argentinischen Küste
Laut und entschlossen Gegen die Ölförderung im nordargentinischen Becken (Foto: Asamblea Mar Libre de Petroleras Mar Del Plata)
„Un Mar Libre de Petroleras“ (Ein Meer frei von Ölfirmen) – so schallte es an vielen nördlichen Küstenstädten Argentiniens Anfang Januar durch die Straßen. Die Versammlung für ein Meer ohne Ölfirmen (Asamblea Por un Mar Libre de Petroleras) und das Koordinationsbündnis Schluss mit Scheinlösungen (Coordinadora Basta de Falsas Soluciones) hatten zu einem Protesttag aufgerufen, um gegen die Vergabe von Ölförder-Lizenzen im argentinischen Meer zu mobilisieren. Kurz vor Jahresende 2021, am 30. Dezember, hatte die Regierung von Fernández Lizenzen für die Erkundung von Öl-Lagerstätten im Meer vor Mar del Plata in der Provinz Buenos Aires vergeben. In drei Offshore-Abschnitten, ungefähr 300 Kilometer von der Küste entfernt, dürfen der norwegische Konzern Equinor, die staatseigene Gesellschaft YPF und die multinationale Firma Shell nun seismische Untersuchungen durchführen, um eine mögliche Ölförderung vorzubereiten. Der größte dieser Abschnitte, der sogenannte CAN-100 Block (Cuenca Argentina Norte-Nordargentinisches Becken), ist etwa 75-mal so groß wie die Stadt Buenos Aires. Die Ausschreibungen der Lizenzen hatte schon 2018 unter der Vorgängerregierung von Mauricio Macri stattgefunden, wurden aber jetzt abschließend unterzeichnet.
Eine Ölflut wäre eine Katastrophe für das Seebad
Die Atlanticazo-Protestbewegung erhält ebenfalls Aufwind von den Erfolgen in Chubut. In der patagonischen Provinz verteidigen die Menschen immer wieder das dort geltende Verbot von Großtagebauen, zuletzt im Dezember 2021, als die Provinzregierung das Gesetz unerwarteterweise kippte. Nach fünf Tagen massiver Mobilisierung, die mit starker Repression beantwortet wurde, wurde das Gesetz wieder in Kraft gesetzt. „Wir versuchen, die Kämpfe des Atlanticazo mit denen des Chubutazo zu verbinden, da das Volk von Chubut schon seit fast zwanzig Jahren erfolgreich gegen die Großbergbauprojekte in Patagonien Widerstand leistet“, erklärt Juliana Orihuela von der Asamblea Mar Libre de Petroleras in Mar Del Plata. Genau wie in Chubut gründen die Protestler*innen asambleas, selbstverwaltete Versammlungen, um ihren Widerstand zu organisieren.
Das Ausbeuten der Ölreserven generiert eine Profitsumme von 35 Milliarden US-Dollar
Die Kosten der Ölförderung für die Umwelt lassen sich nur erahnen. Schon jetzt werden die Folgen der Klimakrise auch in Argentinien immer sichtbarer: Erst Anfang Januar wurde der Norden des Landes von einer starken Hitzewelle mit Temperaturen von über 40 Grad Celsius heimgesucht, während derer die Strom- und Wasserversorgung an vielen Orten über mehrere Tage hinweg ausfiel. Der Wasserpegel des Flusses Chubut in Patagonien erreichte einen historischen Tiefstand seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 1944, ebenso wie der des Flusses Paraná im Norden. Waldbrände in elf Provinzen haben den Minister für Umwelt und Nachhaltige Entwicklung Juan Cabandié dazu veranlasst, Ende Dezember 2021 für zwölf Monate den Feuer-Notstand auszurufen. Dass die Regierung trotz dieser deutlich spürbaren Folgen der Klimakrise im eigenen Land an ihrem Extraktivismus-Kurs festhalten will, wirkt dabei wie ein schlechter Witz – mit absehbar drastischen Folgen.