Fujimori 2000
Absetzung und Betätigungsverbot für Verfassungsrichter
Nach der gewaltsamen Lösung der Geiselkrise in der Residenz des japanischen Botschafters in Lima fühlt sich der peruanische Präsident Alberto Fujimori sicher. Die ersten Meinungsumfragen unmittelbar nach der Erstürmung gaben Fujimori recht: Für seine Popularität hat sich die Hinrichtung des MRTA-Kommandos und der Tod zweier Soldaten und einer Geisel gelohnt. Doch mittlerweile ist Fujimori wieder in den Statistiken gefallen. Unmittelbar nach dem gewaltsamen Ende der längsten Geiselnahme Lateinamerikas waren viele Peruaner erst einmal erleichtert. Aber es wurde auch Kritik laut: “Die militärische Logik hat sich durchgesetzt. Die Falken innerhalb der Regierung haben die Oberhand gewonnen”, kritisierte der peruanische Psychoanalytiker und Mitglied des breiten Oppositionsbündnisses “Demokratisches Forum”, Cesar Rodriguez Rabanal. Er befürchtet zugleich einen Anstieg der Repression.
Die mit der Geiselkrise erlassene Besuchssperre ist noch immer nicht komplett aufgehoben. Bis heute kann das Internationale Komitee des Roten Kreuzes (IKRK) noch immer nicht alle der knapp 400 MRTA-Gefangenen besuchen. Auch nicht allen Familienmitgliedern wird der Besuch bei ihren inhaftierten Angehörigen gestattet. Stattdessen werden einige MRTA-Gefangene in das berüchtigte Hochsicherheitsgefängnis Challapalca, das zwischen Cuzco und Tacna auf einer Höhe von 5.120 Metern über dem Meeresspiegel liegt, verlegt. Für Felicitas Cartolini, der Mutter des bei der Botschaftserstürmung erschossenen MRTA-Chefs, Nestor Cerpa Cartolini, kommt das “einem Todesurteil” für die MRTA-Gefangenen gleich.
Opposition unerwünscht
Nach dem Erfolg gegen die MRTA wendet sich Fujimori nun anderen innenpolitischen Gegnern zu. So veranstaltete das peruanische Parlament einen geschickt geplanten Verfassungsputsch, während Fujimori Ende Mai in Asien Investoren angeln ging. Nachdem drei Richter des Verfassungsgerichts gegen eine mögliche Wiederwahl Fujimoris für das Amt des Staatspräsidenten im Jahr 2000 gestimmt hatten, war die Entscheidung gefallen: Eine Wiederwahl ist verfassungswidrig.
Der Streit ist damit in die nächste Runde gegangen. Als Fujimori im Jahr 1992 bei seinem Putsch das Parlament auflöste und den Justizapparat entmachtete, mußte er auf internationalen Druck eine verfassungsgebende Versammlung einberufen. In der neugeschriebenen Verfassung wurde eine einmalige Wiederwahl des Staatspräsidenten erlaubt. Fujimori trat 1995 zum zweiten Mal als Präsidentschaftskandidat zu den Wahlen an und plant offensichtlich auch im Jahr 2000 wieder mit von der Partie zu sein.
Dazu war es allerdings nötig, daß das Parlament die 1993 beschlossene Verfassung deutet. Fujimoris Parlamentsmehrheit entschied schließlich vor sechs Monaten, daß seine erste Amtszeit von 1990 bis 1995 nicht zählt, da in dieser Zeit eine andere Verfassung gültig war. Damit hatte das Parlament die Wiederwahl Fujimoris vorerst abgesegnet.
Reaktionen
Das Oppositionsbündnis “Demokratisches Forum” sammelte als Reaktion auf die umstrittene Entscheidung Unterschriften gegen die Wiederwahl, und die peruanische Anwaltskammer rief das Verfassungsgericht an. Zwei der sieben Mitglieder des Verfassungsgerichts sind handverlesene Fujimorigefährten und wurden von seinem Berater, Vladimiro Montesinos, in den Senat des Verfassugsgerichts gerufen. Sechs der sieben Senatsmitglieder müssen zustimmen, um eine Parlamentsentscheidung zu bestätigen. Die anderen fünf Richter “zeigten allerdings eine erstaunliche Selbständigkeit”, so Cesar Rodriguez Rabanal. Zwei von ihnen nannten bereits vor der anstehenden Prüfung der Parlamentsentscheidung über Fujimoris Wiederwahl diese verfassungswidrig. Weil sie sich damit für befangen hielten, stimmten sie bei der Gerichtsverhandlung für eine Wiederwahl des amtierenden Präsidenten. Die restlichen drei Richter reichten allerdings wegen der Sperrminorität aus, um die Wiederwahl als verfassungswidrig zu erklären.
“Daraufhin haben die Fujimori-Leute die Hunde auf die Richter losgelassen”, so Rabanal. Eine Untersuchungskommission des Parlaments erklärte die drei Richter am Mittwoch für schuldig und setzte sie schlicht ab.
Besorgt reiste noch vor dem Wochenende eine Delegation aus Richtern mehrerer lateinamerikanischer Länder nach Peru, um gegen die Absetzung der peruanischen Verfassungsrichter zu protestieren. Daß die Entscheidung zur Absetzung der Richter am Vorabend der Jahreshauptversammlung der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) in Lima gefällt wurde, zeigt, wie sicher sich Fujimoris Leute fühlen und wie wenig sie sich um internationale Kritik scheren. Sie fühlen sich sicher, obwohl Fujimoris Popularität in den letzten Wochen wieder stark gesunken ist.
Selbst der US-amerikanische Botschafter in Peru, Dennis Jett, kritisierte die Entscheidung und nannte sie einen “Schritt zurück” in der Redemokratisierung des Landes. Allerdings kann von einer Redemokratisierung Perus keine Rede sein. Vielmehr ist das Gegenteil der Fall. Fujimori hat mit der gewaltsamen Beendigung der Geiselkrise vor einigen Wochen einmal mehr seinen autoritären Charakter bewiesen.
Kontinuierlich arbeitet er daran, die Opposition im Land auszuschalten.
Musterknabe des IWF
Die Kritik der USA ist außerdem Teil einer rhetorischen Doppelstrategie. Denn Fujimori ist genau der Präsident, den die reichen Länder der Welt brauchen. Er ist der Garant dafür, daß die proklamierte Neue Weltordnung durchgesetzt wird. Sein Regime gilt bei den internationalen Finanzorganisationen Weltbank und Internationaler Währungsfonds (IWF) als Vorbild für andere Länder der Dritten Welt und Osteuropas.
Fujimori bezahlt die Auslandsschuld des Landes pünktlich und bis zum letzten Pfennig ab. In kaum einem anderen Land kommen die IWF-Programme so gründlich zur Anwendung wie in Peru. Die Privatisierungsprogramme laufen auf Hochtouren, zur Zeit wird gerade das Ende der staatlichen Gesundheitsversorgung diskutiert. Für Cesar Rodriguez Rabanal ist die Absetzung “ein zweiter Putsch, denn es wurde eine der wichtigsten Institutionen des Landes zerschlagen.” Damit fällt ein wichtiger Schutz der Opposition gegen Fujimori weg. Mit dem praktischen Ende eines unabhängigen Gerichtes gibt es keine Stelle mehr, die Oppositionellen Schutz gewähren könnte.
Aus Protest gegen die Absetzung seiner Kollegen trat der Präsident des peruanischen Verfassungsgerichts, Ricardo Nugent, von seinem Posten zurück. “Ich gehe in dem Bewußtsein und der Sicherheit, stets nach meinen Prinzipien gehandelt zu haben”, kommentierte Nugent auf einer Pressekonferenz seinen Rücktritt. “Ich habe die moralische Pflicht, mich mit meinen drei abgesetzten Kollegen zu solidarisieren”, begründete er seine Entscheidung. Denn die Absetzung der drei Richter hätte politische Gründe und keine juristischen.
Der Zeitpunkt der Absetzung der Richter war gut gewählt. Während Präsident Fujimori zum Staatsbesuch in Asien weilte, waltete seine Parlamentsmehrheit ihres Amtes und entließ die drei in Ungnade gefallenen Verfassungsrichter. Fujimori hat sich in gewohnter Manier nicht zu der Absetzung geäußert. Schließlich war er verreist. Den drei Richtern wurde außerdem vom Parlament ein zehnjähriges Betätigungsverbot auferlegt. Damit ist das Verfassungsgericht praktisch aufgelöst.
Nach der gewaltsamen Beendigung der Geiselkrise ist für Fujimori der Zeitpunkt des Aufräumens gekommen. Politische Gegner werden rücksichtslos aus dem Weg geschafft. Sein Ziel ist der Machterhalt, und der beginnt mit der Genehmigung zur Wiederwahl im Jahr 2000. Die Absetzung der drei Verfassungsrichter ist ein Signal an die Opposition im Land: Wer sich den Zielen Fujimoris in den Weg stellt, wir kaltgestellt.