Aktuell | Editorial | Nummer 617 - November 2025

// Gegen die Desinformation

Unser Editorial zur Realität von Populisten und wie wir mit verantwortungsbewusstem Journalismus Zeichen setzen

Die Redaktion

Journalismus hat den Anspruch, mit Worten von der Realität zu erzählen und sie abzubilden. Stattdessen missbrauchen vor allem rechtspopulistische Politiker*innen und ihre Kompliz*innen Worte zur Desinformation und Manipulation von Tatsachen. Wenn wir etwa nach Ecuador blicken und dort das protestierende Volk als Terroristen bezeichnet wird, hat das mit Realität nichts zu tun. Wenn Donald Trump lateinamerikanische Migrant*innen pauschal als Mitglieder von Drogenkartellen brandmarkt und die oft brutal vorgehenden Mitarbeiter*innen der Polizei- und Zollbehörde ICE als Opfer der Antifa hinstellt, so verdreht er die Tatsachen bewusst. Als Nayib Bukele dieses Jahr erklärt hat, es gebe in El Salvador keine Umweltverschmutzung durch Bergbau, war dies falsch. Wenn Javier Milei im September behauptet hat, seine Regierung sei diejenige, die die staatlichen Universitäten mit den meisten Mitteln ausgestattet habe, so ist tatsächlich das Gegenteil der Fall.
Dies sind nur Beispiele, die Liste der Tatsachenverdrehungen ließe sich lange fortsetzen. Wer wen mit welchen Worten bezeichnet, zeigt letztlich oft mehr die politische Einstellung der Sprecher*innen als die Realität. So können Worte Menschen ausschließen. Einige der besonders betroffenen Gruppen sind Migrant*innen, LGBTIQ-Personen und politisch Andersdenkende. Wenn Aktivist*innen die Stimme erheben, bezahlen sie unter Umständen mit ihrer Freiheit, wie derzeit die kolumbianische Friedensaktivistin Jani Silva, und oft auch mit dem Leben.
Bei der Verunglimpfung politisch unbequemer Menschen und Gruppen kommt heute oft künstliche Intelligenz (KI) zum Einsatz. Sie verändert die Lebenswirklichkeit vieler Menschen in Lateinamerika und weltweit, mit Chancen und Risiken. Vermutlich wird es künftig immer schwieriger werden, zwischen KI-generierten Inhalten und der Realität zu unterscheiden.
Das ist gerade für verantwortungsbewusste Journalist*innen eine Herausforderung. Sie werden häufig angegriffen, denn sie sind diejenigen, die sich der Aufgabe stellen, der Desinformation entgegenzuwirken und damit die manipulativen Strategien der Mächtigen zu durchkreuzen. Manche Regierungen erklären heute der Presse geradezu den Krieg: Mileis Slogan „Wir hassen Journalisten nicht genug“ und ähnliche in Trumps MAGA-Bewegung beliebte Sprüche bringen dies auf den Punkt. In Argentinien machte vor kurzem die Verbreitung eines KI-generierten Videos Schlagzeilen, dessen gefälschte Bilder der oppositionellen Journalistin Julia Mengolini Geschlechtsverkehr mit ihrem Bruder unterstellten. Milei befeuerte die Trollattacken auf die Journalistin massiv und machte sich in den sozialen Medien über sie lustig. Im August erhob ein Staatsanwalt deswegen Anklage gegen Milei und mehrere der Regierung nahestehenden Personen, darunter Influencer*innen und Funktionäre.
Als eines der gefährlichsten Länder für Journalist*innen weltweit gilt hingegen Mexiko, auf das mehr als 30 Prozent der weltweit rund einhundert als verschwunden geltenden Journalist*innen entfallen. Darunter sind auch José Antonio García Apac und María Esther Aguilar Cansimbe, deren Schicksal wir in dieser Ausgabe nachzeichnen. Der Staat trägt in Mexiko Verantwortung für das Verschwinden von Journalist*innen, während das Justizsystem nicht in der Lage ist, solche Fälle aufzuklären. Für uns bei den Lateinamerika Nachrichten sind all diese Entwicklungen ein Ansporn, der Desinformation immer wieder etwas entgegenzusetzen. Zum Glück können wir ohne Bedrohungen wie in Mexiko arbeiten und die Zukunft der Zeitschrift ist lediglich von sinkenden Abozahlen bedroht. Wir bemühen uns daher, das Überleben der Zeitschrift zu sichern, um euch beziehungsweise Ihnen auch weiterhin langfristig kritische, solidarische und unabhängige Berichterstattung zu aktuellen Ereignissen und Hintergründen in Lateinamerika zu liefern. Im Rahmen unser nun angelaufenen Abokampagne wollen wir 200 neue Abonnentinnen werben – erst 8 Prozent davon sind erreicht. Bitte helft uns beziehungsweise helfen Sie uns, dieses Ziel gemeinsam zu erreichen!


Hola!

Wenn Dir gefällt, was du hier liest, dann unterstütze unsere ehrenamtliche Redaktion doch mit einem Abo! Das gibt's schon ab 29,50 Euro im Jahr. Oder lass uns eine Spende da! Egal ob einmalig 5 Euro oder eine monatliche Dauerspende – alles hilft, die LN weiter zu erhalten, Gracias ❤️

Ähnliche Themen

Newsletter abonnieren