Giftiges Gold
Eine dringende Herausforderung für den Amazonas auf dem Weg zur COP30

Geopolitische Auseinandersetzungen, kriegerische Konflikte, wirtschaftliche Unsicherheit aufgrund des Zollkriegs und andere Faktoren haben die Ziele und Strategien zur Bekämpfung der Klimakrise ausgebremst und Fortschritte bei deren Umsetzung verzögert sowie die wissenschaftlichen, politischen und finanziellen Institutionen erheblich geschwächt. Diese Schwächung wirkt sich direkt auf die Fähigkeit der Amazonasländer aus, Umweltschutzmaßnahmen aufrechtzuerhalten und internationale Verpflichtungen zur Eindämmung der Klimakrise und zur Anpassung an deren Folgen zu erfüllen.
Zu diesem komplexen und herausfordernden Szenario kommt noch ein weiterer Faktor hinzu, der spezifische Auswirkungen auf den Amazonas und Lateinamerika hat: der illegale (Gold)Bergbau und die Folgen des Einsatzes von Quecksilber bei der Goldgewinnung. Seit 2020 ist der Goldpreis ungebremst gestiegen, hat alle Erwartungen übertroffen und Rekordwerte von fast 3.500 US-Dollar pro Feinunze (mehr als 95.000 Euro/kg) erreicht. Eine der stärksten Auswirkungen dieses internationalen Finanzphänomens ist im Amazonasgebiet zu spüren. Angetrieben durch vor allem „kleine“ Bergbaubetriebe intensiviert sich der Goldbergbau in diesem einzigartigen und wunderbaren Ökosystem. Sie sind im Wald, in den Flüssen und an deren Ufern tätig und stehen in vielen Fällen in Verbindung mit illegalen Wirtschaftszweigen sowie kriminellen Gruppen oder arbeiten mit diesen zusammen. Neben der Entwaldung, der Zunahme von Gewalt und Menschenhandel ist die Quecksilberverschmutzung eine der schwerwiegendsten Folgen des Goldbergbaus. Quecksilber ist aufgrund seiner Auswirkungen vor allem auf schwangere oder stillende Frauen und Kinder und seiner jahrzehntelangen Persistenz im Ökosystem einer der weltweit bedenklichsten Giftstoffe. Die Schäden am Nervensystem von Kindern sind dauerhaft und betreffen ganze Generationen, was eine schwerwiegende Verletzung der Menschenrechte und der Klimagerechtigkeit für Dutzende Indigener Völker des Amazonasgebiets darstellt.
„Drehkreuz“ des Quecksilber-Handels
Von 2015 bis vor knapp zwei Jahren war Bolivien im Herzen Südamerikas der weltweit größte legale Importeur von Quecksilber. Zwischen 2015 und 2023 importierte das Land laut Angaben der Vereinten Nationen insgesamt 1.450,97 Tonnen Quecksilber; dies entspricht 16,82 Prozent des gesamten in diesem Zeitraum weltweit importierten Quecksilbers. Praktisch das gesamte Quecksilber wurde für den Goldabbau verwendet, nicht nur in Bolivien, sondern auch für den illegalen Reexport in den Rest Südamerikas. Dies ist auf die Erleichterungen für den legalen Import dieses Metalls in Bolivien zurückzuführen, obwohl das Land Unterzeichner des Minamata-Übereinkommens ist – eines internationalen Abkommens, das die Abschaffung der Verwendung von Quecksilber vorsieht. Im Gegensatz dazu haben die Nachbarländer seit der Unterzeichnung desselben Übereinkommens Kontrollen und Mechanismen eingeführt, um den Import, den Handel und die Verwendung von Quecksilber zu begrenzen oder sogar ganz zu unterbinden. So wurde Bolivien seit 2015 zum „Drehkreuz“ des Quecksilberhandels in Südamerika und damit zu einem der wichtigsten Kanäle für die Lieferung dieses wichtigen Rohstoffs für den sogenannten „kleinen Goldbergbau“ im gesamten Amazonasgebiet.
Die bedauerliche Rolle, die Bolivien im legalen und illegalen Handel mit Quecksilber in Lateinamerika einnimmt, hat bei der nationalen und internationalen Öffentlichkeit, den vom Quecksilber betroffenen Indigenen Gemeinschaften und Siedlungen sowie bei nationalen (Ombudsstelle) und internationalen Menschenrechtsorganisationen (Interamerikanische Menschenrechtskommission, Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen für toxische Substanzen und Menschenrechte) Besorgnis ausgelöst. Zwischen 2019 und 2023 wurden verschiedene Studien durchgeführt, die ergaben, dass die Bevölkerung an den Ufern der wichtigsten Amazonasflüsse zwischen drei- und neunmal mehr Quecksilber im Körper hatte als der von internationalen Organisationen festgelegte Höchstwert. Diese Zahlen bestätigen, dass das Quecksilberproblem nicht nur als Umweltproblem, sondern auch als Notfall für die öffentliche Gesundheit und Thema der Klimasicherheit verstanden werden muss.
Illegaler Quecksilberhandel in den Händen der organisierten Kriminalität
Im gleichen Zeitraum führte Mexiko – nunmehr der weltweit größte legale Exporteur von Quecksilber – Überwachungsmechanismen ein, wodurch die legalen Exporte zurückgingen. Aufgrund dieses internationalen und gesellschaftlichen Drucks und der Einführung eines nationalen Registers für Quecksilberhändler (Oberster Erlass Nr. 4959 vom 14. Juni 2023) gelangt seit 2024 kein Quecksilber mehr legal nach Bolivien. Dieser Rückgang der legalen Quecksilberimporte schlug sich jedoch leider nicht in der Praxis nieder, denn der Handel und die Verwendung von Quecksilber für den Goldabbau im Amazonasgebiet gehen weiter.
Am 24. Juli dieses Jahres beschlagnahmte eine Zollkontrolle im Hafen von Callao in Peru vier Tonnen Quecksilber, die in einer Ladung Kies versteckt waren und einen geschätzten Wert von 0,48 Mio. US-Dollar hatten. Eine Studie der Umweltforschungsagentur (EIA) berichtete über diesen Mechanismus des illegalen Schmuggels von Querétaro in Mexiko nach Südamerika: Zwischen 2019 und 2025 wurden 50 Lieferungen (37 nach Peru, 10 nach Kolumbien und 3 nach Bolivien) mit schätzungsweise 200 Tonnen Quecksilber durchgeführt, die den Abbau von Gold im Wert von 8 Mrd. US-Dollar ermöglichten. Die entmutigendste Nachricht ist, dass für diesen illegalen Schmuggel das Kartell Jalisco Nueva Generación verantwortlich ist. Es steht unter anderem mit dem Drogenhandel in Verbindung und handelt mit bewaffneten Gruppen in Kolumbien sowie mit illegalen Bergleuten in der Region Madre de Dios in Peru. Die Krise im Amazonasgebiet ist daher nicht mehr nur eine Umweltkrise, sondern auch eine Krise der regionalen Sicherheit, die auf der Agenda der COP30 berücksichtigt werden muss.
Wir sehen also eine weitere Auswirkung dieser unsicheren und komplexen wirtschaftlichen und geopolitischen Lage: die fortschreitende Zerstörung des Amazonasgebiets durch den Goldbergbau, wobei kriminelle Gruppen eine immer wichtigere Rolle spielen und an Macht gewinnen. Wenn die internationale Gemeinschaft das 1,5-Grad-Ziel aufrechterhalten will, muss sie anerkennen, dass der illegale Goldbergbau und die Verwendung von Quecksilber im Amazonasgebiet die Fähigkeit des größten Tropenwaldes der Erde, seine Funktion als Kohlenstoffsenke zu erfüllen, untergräbt. Die COP30 in Brasilien darf sich nicht darauf beschränken, abstrakte Emissionsreduktionen zu diskutieren: Sie muss den illegalen Goldabbau und den Handel mit Quecksilber als kritische Bedrohungen für die globale Stabilität, die Gesundheit der Indigenen Völker und die regionale Sicherheit auf ihre Klimaagenda setzen.
Oscar Campanini ist seit 2018 Direktor von CEDIB (Dokumentations- und Informationszentrum Bolivien). In den letzten Jahren hat er u.a. die Folgen der Verwendung von Quecksilber beim Goldbergbau in den Amazonaszuflüssen Boliviens sowie seine Folgen für die Indigenen Völker, die Umwelt, die Wirtschaft und die Gesundheit untersucht.





