Entwicklungspolitik | Nummer 231/232 - Sept./Okt. 1993

Glossar zur Bevölkerungspolitik

LN

*Demographie: Ursprünglich statistische Erfassung der Bevölkerungsstruktur, später zum Teil ausgebaut zu Theorien über Bevölkerungsgesetze und optimale und maximale Bevölkerungsziffern.

*Familienplanung (besser: “Geburtenkontrolle”): F. hat im bevölkerungspolitischen Sinne meist die Senkung der Fruchtbarkeit zum Ziel. Feministinnen fordern aber eine selbstbestimmte “Familienplanung” statt “Bevölkerungspolitik” (vgl. reproduktive Rechte).

*Reproduktive Rechte: Freiheit der Entscheidung, wie Frauen/ Familien mit Reproduktion umgehen wollen. Selbstbestimmungsrecht über Fortpflanzung.
*Eugenik: Erbgesundheitsforschung, die zum Ziel hat “erbschädigende Einflüsse” und die Verbreitung von Erbkrankheiten zu verhüten. Beeinflussung genetischer Charakteristika des Menschen und seiner Fortpflanzung. In Deutschland oft “Rassenhygiene” genannt. Bewegungen Ende des 19. Jahrhunderts gingen davon aus, daß soziale Probleme (wie Alkoholismus) vererbbar seien.

*UNFPA: Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen, 1967 gegründet, 1969 dem UNDP (UN-Development Program) untergeordnet, seit 1971 Zentrum für alle bevölkerungspolitischen Maßnahmen der UNO, führt Bevölkerungserhebungen in den Entwicklungsländern durch, Studien, bevölkerungspolitische Programmplanung, Familienplanungsprogramme (hierher fließen 60 Prozent der Aufwendungen), Unterstützung von Gesundheits- und Bildungswesen. Finanziert wird der Fonds durch private Spenden und öffentliche Zuwendungen, die überwiegend aus den Industrieländern stammen.

*IPPF: International Planned Parenthood Federation, private US-Organisation, die Bevölkerungskontrolle in der “Dritten Welt” organisiert. (Sie warf u.a. den Entwicklungsländern vor, für die Vernichtung der tropischen Wälder verantwortlich zu sein und damit auch für das Aussterben von Tier- und Pflanzenarten und dem unwiederbringlichen Verlust einzigartigen genetischen Materials.)

*”Demographische Falle”: Theorie der Katastrophenszenarien der Neo-MalthusianerInnen: In einer ersten Phase des Bevölkerungswachstums könne dank gestiegener Produktion und Nachfrage eine Verbesserung des Lebensstandards erreicht werden. In der zweiten Phase steige die Nachfrage weiter und auch die Produktion erfahre noch eine weitere Steigerung – jedoch bereits auf Kosten der natürlichen Ressourcen, z.B. durch Intensivdüngung. Der Crash folge schließlich in der dritten Phase: Die Produktion reiche nicht mehr aus, um steigende Nachfragen zu decken, sie sei sogar rückläufig, weil immer größere Teile der Natur zerstört sind. Folglich verschlechtertenn sich die Lebensbedingungen wieder und die erwartete Geburtenreduktion bliebe aus, die “demographische Falle” schnappt zu.

*Weltbevölkerungskonferenzen: Die erste Konferenz fand 1954 in Rom statt, dann 1965 in Belgrad, 1974 in Bukarest und 1984 in Mexiko; die nächste wird 1994 in Kairo sein. Sie ist damals von den UN einberufen worden. Seit Bukarest sind Bevölkerungsfragen ein wichtiges Tema der internationalen Politik. Es wurden folgende Grundsätze aufgestellt: Bevölkerungspolitik stehe in enger Verbindung mit dem Ziel, die Lebensqualität der Menschen zu verbessern. Familienplanung sei soziale Investition. Ein Staat sei souverän bei der Formulierung seiner Bevölkerungspolitik.
VertreterInnen sogenannter Drittweltländer setzten sich auf der Konferenz ’74 gegen die restriktiven bevölkerungspolitischen Aktivitäten zur Wehr. Der Weltbevölkerungsaktionsplan formulierte bis 1985 das Ziel, die jährliche Zuwachsrate der Bevölkerung in den Entwicklungsländern von 2.4% auf 2%, in den Industrieländern von 0.8% auf 0.7%, weltweit von 2% auf 1.7% zu senken. Die Lebenserwartung sollte von 67 Jahre auf 74 erhöht, die Geburtenrate in den Entwicklungsländern von 38 auf 30 pro Tausend gesenkt werden. 1984 zeigen sich nationale Eliten der Entwicklungsländer aufgeschlossen gegenüber den Forderungen der BevölkerungsplanerInnen. Daß eine gerechte wirtschaftliche und soziale Entwicklung der Schlüssel zur Abschaffung der Armut und dem raschen Bevölkerungswachstum ist, diese Botschaft von Bukarest verhallte schon in Mexico City 1984. Rasches Bevölkerungswachstum wird mittlerweile als Ursache und Folge von Armut gesehen. Betont wurde besonders die Rolle der Frau in Familie und Gesellschaft und ihre Bedeutung bei der Familienplanung.

*pronatalistisch/antinatalistisch: Politik zur Erhöhung beziehungsweise Senkung von Geburten.

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