Good COP, Bad COP
Zwischen globaler Verantwortung und lokalen Kämpfen: Warum die COP30 in Belém mehr sein muss als ein weiteres diplomatisches Ritual.
Die Faktenlage war noch nie so eindeutig: Die zivilisatorische Krise mit ihren Auswirkungen auf Klima und Natur zerstört die Lebensgrundlagen auf unserem Planeten. Historisch und bis heute maßgeblich dafür verantwortlich sind die Industrien des Globalen Nordens mit ihrem immensen Verbrauch an Rohstoffen. Extraktiviert wird im Globalen Süden, wo die Ausbeutung der Natur einher geht mit der Zerstörung von Ökosystemen wie den tropischen Regenwäldern, die essenziell für das Gleichgewicht des Planeten sind, und Unternehmen erhebliche Menschenrechtsverletzungen begehen.
Die COP30 in Belém ist mit Erwartungen aufgeladen. Vielen gilt sie als letzte Chance, die globale Klimapolitik zu retten. Zwar ist die Erkenntnis gewachsen, dass eine Umsetzung der Pariser Klimaziele einer grundlegenden sozial-ökologischen Transformation bedarf. Klimagerechtigkeit müsste jedoch damit einhergehen, dass nach dem Verursacher*innenprinzip die Regierungen des Globalen Nordens einerseits in der Pflicht stehen, Unternehmen in Richtung einer drastischen Reduktion des Ressourcenverbrauchs zu regulieren und andererseits für die Folgen der globalen Umweltkrise einzustehen. Beispielweise durch Unterstützung für Anpassungsmaßnahmen der Länder im Globalen Süden. Denn diese haben am wenigsten zur Krise beigetragen, sind schon heute am stärksten davon betroffen. Doch nach wie vor sind die Verhandlungen bei den UN-Klimakonferenzen von Konflikten zwischen verschieden positionierten Regierungen geprägt. Bei der bloßen Anerkennung des Problems, sowie bei Interessenskonflikten zwischen Ländern des Globalen Nordens und Südens: Viele der letzteren erachten die Finanzierungsziele und -zusagen in Anbetracht der historischen Verantwortung der imperialen Industrienationen als viel zu niedrig.
Doch die Kritik der Basisbewegungen, die sich zur COP30 wieder auf den Straßen versammeln, geht deutlich weiter. Seit Jahren problematisieren Aktivist*innen, dass Klimakonferenzen nicht über die Verabschiedung von Scheinlösungen hinauskommen, die die zugrundeliegenden Systemfehler des kapitalistischen, extraktivistischen Wirtschaftsmodells nicht angreifen. Ein exemplarisches Thema ist der internationale Emissionshandel, der es Verursacher*innen von CO2-Emissionen ermöglicht, diese durch den Kauf von CO2-Reduktionen bspw. durch Wiederaufforstung an einem anderen Ort zu kompensieren statt sie zu reduzieren. Gemeinden, die im Umsetzungsgebiet solcher Projekte in Amazonien leben, wehren sich gegen diese „Kompensation“. Denn damit gehen oft Landnahmen und Entrechtung einher – zusätzlich zu den vielfältigen Bedrohungen wie der fortschreitenden Zerstörung ihrer Territorien durch illegalen Goldbergbau oder den Bau von Staudämmen.
Für die brasilianische Regierung unter Präsident Lula ist die COP30 eine Gelegenheit, sich als Klimavorreiterin und Verteidigerin Amazoniens international zu profilieren. Die Erschließung neuer Offshore-Ölfelder vor der Mündung des Amazonas und der ungebrochene Einfluss der extraktiven Industrien und des mächtigen Agrobusiness in Brasilien sprechen eine andere Sprache. Ob der formulierte Anspruch einer „inklusiven COP“ eingelöst wird, die die Belange der Amazonasregion und ihrer Bevölkerungen ins Zentrum stellt, bleibt fraglich. In Kontrast und Widerstand zur Agenda der verhandelnden Staaten formulieren zivilgesellschaftliche Organisationen, Indigene und soziale Bewegungen ihre eigenen Forderungen an einen sozial-ökologisch gerechten Wandel, der Mensch und Natur gegenüber Kapitalinteressen priorisiert – und schaffen eigene Partizipationsräume, wie die Cúpula dos Povos („Gipfel der Völker“). Die dort diskutierten Alternativen zeigen, dass es auch anders geht und geben Hoffnung, dass die „letzte Ausfahrt Belém“ nicht in einer Sackgasse endet. Sie stellen klar, dass der erste Schritt aus der zivilisatorischen Krise sein muss, grundlegende Veränderungen des Systems nicht weiter von Unternehmensinteressen und den für sie einstehenden Regierungen blockieren zu lassen.





