Grüne Wüsten
Der Boom von Ölpalmplantagen in Südmexiko gefährdet die Biodiversität
José Luís steht im Schatten einer seiner Ölpalmen und berichtet von seiner Misere mit dieser Pflanze, die er auf vier Hektar seines Landes anbaut. Als die „neue Art von Versklavung der Kleinbauern“ bezeichnet er den Anbau, „provoziert von der Regierung“. Der Kleinbauer aus der Gemeinde Palenque, im Bundesstaat Chiapas, hatte vor zwölf Jahren begonnen, die Palme anzupflanzen, um den Lebensstandard seiner Familie zu verbessern.
Doch was mit einer vierjährigen Unterstützung der Regierung für die Errichtung und Erhaltung der Plantagen begann, ist für ihn nur noch eine Belastung. Das liegt zum einem an den hohen Wachstumsansprüchen der Pflanzen. Trotz Dünger gehe es seinen Palmen schlecht. Auch die Pflege und Ernte sei sehr mühsam und gefährlich aufgrund der Stacheln, welche die bis zu 40 Kilo schweren Fruchtstauden zieren. Ein weiteres Problem sind die Öl-Extraktionsfirmen, die Hauptabnehmer der Früchte. „Der Preis für die Früchte ändert sich oft drastisch im Wochentakt“, so José Luís. Dies lasse keine finanziellen Planungen zu. Er berichtet von Betrugsfällen beim Abwiegen der Früchte sowie dem langwierigen und mühsamen Vorgang der Auszahlung der Kleinbauern und -bäuerinnen durch die AufkäuferInnen. Als Sammelabnehmer der Früchte anderer LandarbeiterInnen weiß er, wovon er spricht: Es kam schon vor, dass die Firma ihn erst nach einem zähen Kampf die 30.000 Pesos (ca. 1800 Euro) auszahlte, mit denen er die Früchte der Bauern und Bäuerinnen aufgekauft hatte.
Momentan wird die Ölpalme in den drei südlichen Bundesstaaten Tabasco, Veracruz und Chiapas angebaut, wobei Chiapas laut Zahlen von 2008 mit geschätzten 35.000 Hektar die größte Anbaufläche und höchste Palmölproduktion stellt. Der Gouverneur von Chiapas, Juan Sabines Guerrero, setzte seit seinem Amtsantritt 2006 mit der Gründung des „Bioenergieinstitut Chiapas“ die Ausbreitung von Monokulturen für die Produktion von Agrokraftstoffen ganz oben auf seine politische Agenda. Dies betrifft außer der Ölpalme im geringeren Maße auch Jatropha und Rizinus. Die chiapanekische Regierung sieht in ihrem Bundesstaat ein Potential von 900.000 Hektar Landfläche für die Erzeugung von Biomasse, das bis 2020 erschlossen werden soll. Das würde die Umwandlung von einem Siebtel der chiapanekischen Landesfläche – vor allem in den Regenwaldregionen Palenque und Marqués de Comillas – in grüne Wüsten bedeuten. Bis 2012 ist die Ausweitung des Anbaus auf 100.000 Hektar geplant. Für die Umsetzung dieses Plans verteilt der Staat fleißig Ölpalm- und Jatrophasetzlinge an die Bauern und Bäuerinnen und organisiert Pflanzaktionen mit Schulklassen unter dem Motto „500 Kinder – 500 Jatrophabäume“.
Chiapas ist nicht nur der südlichste Bundesstaat Mexikos, sondern auch einer der vielfältigsten bezüglich seiner kulturellen und biologischen Diversität: Tropischer Regenwald, Trockenwälder, unzählige Flüsse und Wasserfälle, Lagunen und eine Vielzahl von Gemeinden verschiedenster ethnischer Hintergründe prägen das Landschafts- und Kulturbild – und neben Viehweiden und Maisfeldern nun auch die Ölpalme. Diese Plantagen grenzen in Chiapas zum Teil direkt an Gebiete mit hoher Biodiversität: die Biosphärenreservate Montes Azules, Lacantún, La Encrucijada und El Triunfo sowie die Ruinenstätten von Bonampak und Yaxchilán. Ebenso sind der Nationalpark Palenque und die Schutzräume für Flora und Fauna Chan Kin, Nahá und Metzabok betroffen. Die Ausbreitung der Monokulturen bedeutet hier die Zerstörung der Biodiversität, denn wo nur noch eine einzige Pflanzenart ein Gebiet dominiert, kann nur eine geringe Zahl von Tier- und Pflanzenarten koexistieren – das ökologische Gleichgewicht fällt in sich zusammen. Auch die Anwendung von Dünger und Pestiziden stellt eine große Gefahr für die empfindlichen Ökosysteme dar.
In Mexiko ist die traditionelle Milpa, ein schon von den Maya betriebenes Landwirtschaftssystem für die Subsistenz mit dem Mischanbau von Mais, Bohnen und Kürbis, weit verbreitet. Doch dort wo Flächen für den Anbau von Nahrungsmitteln in Monokulturwüsten umgewandelt werden, ist die Ernährungssouveränität der Kleinbauern und -bäuerinnen gefährdet, denn dadurch wird dieser traditionelle Anbau der ebenso traditionellen Nahrungsmittel vernachlässigt oder gar verdrängt. Die LandarbeiterInnen, die Ölpalmen anstelle von Nahrung anbauen, sind gezwungen, immer mehr Lebensmittel zu kaufen und sind somit umso mehr von den Schwankungen des Weltmarktpreises für den Verkauf der Ölpalmfrüchte abhängig. Auch kann eine solche Plantage nicht einfach über Nacht gerodet und der Boden neu genutzt werden – denn die Wurzeln der Ölpalme reichen wegen ihres hohen Wasserbedarfs sehr tief und hinterlassen den Boden ausgelaugt und verhärtet für mehrere Jahrzehnte.
Gleichwohl denken nicht alle Kleinbauern und -bäuerinnenin Chiapas so wie José Luís. Bei einer Umfrage der chiapanekischen Nichtregierungsorganisation Hölzer des Volkes im Südosten kam heraus, dass die Mehrheit der Ölpalmbauern und -bäuerinnen gar nicht so unzufrieden mit ihrer Situation ist. Es sei nicht viel, was er verdiene, aber es sei besser als mit dem Anbau anderer Pflanzen, so Miguel Angel, der seine Ölpalmen auf fünf Hektar direkt neben den Wasserfällen von Weli-Ha in der Region um Palenque anbaut. In der Nähe der Plantage betreibt er weiterhin seine Milpa. „Die Früchte der Palme kann man leider nicht essen“, begründet er dies. Gustavo, ein weiterer Kleinbauer aus der Region, erklärt, dass die Arbeit auf seiner Plantage nur während der Erntezeit hart sei. Und auch wenn der Preis für die Abnahme sehr schwankend sei, so lohne sich der Verkauf der Früchte dennoch und verbessere sein Einkommen.
In der Region um Palenque haben viele ehemalige ViehbesitzerInnen ihre Weideflächen mit den Palmen bepflanzt, weil der heimische Fleischmarkt von den billigen Fleischimporten aus Guatemala und den USA verdrängt wurde. Zudem wird die Errichtung von Palmplantagen staatlich gefördert: In den ersten zwei bis vier Jahren erhalten die mexikanischen Bauern und Bäuerinnen Unterstützung in Form kostenloser Bereitstellung von Setzlingen, Düngern und Pestiziden.
Was geschieht, wenn kleinbäuerliche Gemeinden der mexikanischen Regierung bei ihren Plänen für die Landnutzung im Weg stehen, zeigte sich im Januar 2009 im Lacandona-Wald in Chiapas: Mit 16 Hubschraubern und Hunderten SoldatInnen und PolizistInnen vertrieb die Staatsmacht 20 indigene Familien aus zwei Dörfern. Die BewohnerInnen mussten für die Ölpalme und den boomenden Ökotourismus Platz machen.
KASTEN:
Die ölpalme
Die Ölpalme (Elaeis guineensis) kommt ursprünglich aus Afrika und hat sich in den letzten Jahrzehnten wegen des hohen Ölgehalts ihrer Früchte und Samen zu der wirtschaftlich bedeutendsten Palmenart entwickelt. Malaysia und Indonesien sind mit 85 Prozent der Produktion die Hauptanbauländer.
Der Großteil des aus der Frucht gepressten Öls wird zu Salat- und Kochöl sowie Margarine weiterverarbeitet, ein weiterer Teil zu Kosmetik, Seifen und Kerzen. Auch das Fett in den Süßigkeiten stammt meistens von dieser Pflanze. Ein noch geringer, jedoch wachsender Anteil Palmöl wird derzeit für die energetische Nutzung verwendet. In Deutschland wurden beispielsweise 2008 450.000 Tonnen Palmöl in Blockheizkraftwerken verfeuert, das entspricht ungefähr der Hälfte des in Deutschland verbrauchten Palmöls.
// BW