Hochschulen im Fadenkreuz
Milei legt sich mit den Universitäten an und erntet Gegenwind
In den vergangenen Monaten fügte der argentinische Präsident Javier Milei seiner langen Liste von Feinden einen weiteren wichtigen Sektor des Landes hinzu: die staatlichen Universitäten. Mit ständigen Beleidigungen und Angriffen nahm der Staatschef die Hochschulen ins Visier, indem er ihnen zunächst einen Budgetkrieg und danach einen eher symbolischen Krieg erklärte. Im Rahmen dieser Kampagne behauptete er in den Medien, dass die Universitäten unregelmäßig geführt würden und ordnete an, diese zu überprüfen − obwohl dies gesetzlich bereits seit vielen Jahren geschieht. Als Reaktion darauf, und auf eine mögliche Blockade eines Gesetzes, welche die Finanzierung von öffentlichen Hochschulen sichern sollte, begannen Behörden, Lehr- und Verwaltungspersonal sowie Studierende mit Streiks, landesweiten Demonstrationen und Unterrichtsstunden (auf der Straße), um ein Zeichen im Kampf für öffentliche Bildung zu setzen.
Im April 2024 begann das erste Kapitel dieses Konflikts: Die Universitätsgemeinschaft − wegen fehlenden Budgets in die Enge getrieben − beschloss, in allen Provinzen Straßenproteste zu organisieren. In Buenos Aires, dem Zentrum der Proteste, nahmen schätzungsweise 800.000 Menschen teil. Die Forderung richtete sich dagegen, dass die Regierung die Betriebsausgaben (das, was der Staat den Universitäten zur Deckung aller Kosten außer Gehältern überweist) auf dem Stand von Januar 2023 eingefroren hatte. Das bedeutete, dass die Universitäten immer noch den gleichen Betrag wie im Vorjahr erhielten, jedoch bei einer mittlerweile auf 300 Prozent angestiegenen Inflationsrate.
Neben dem Streit um den Haushalt folgten weitere um die Finanzierungsanpassung der Universitäten.. Entschlossen, den Staat zu zerstören sowie alle öffentlichen und kostenlosen Dienstleistungen, haben die Angriffe des Präsidenten ein klares Ziel: Die öffentlichen Institutionen zu delegitimieren, die er als „Kostenfaktor” betrachtet. So kam es Anfang Oktober zu einer erneuten Massenmobilisierung in allen Provinzen, und die Studierenden beschlossen, mehr als hundert Fakultäten im ganzen Land zu besetzen. Ein bedeutsames Ereignis in einem Land, das für seine hohe Bildungsqualität und den universellen Zugang zu diesem Recht bekannt ist.
Zwischen Universität und Volk besteht eine enge Verbundenheit
„Dies beweist, dass die Regierung die öffentlichen Universitäten schließen will. Sie will sie verkaufen und möchte keine kostenlose und hochwertige Bildung für alle. Aber das kann sie nicht direkt sagen, weil es sehr unpopulär ist“, erklärt Luki Grimson, Student der Politikwissenschaft an der Universidad de Buenos Aires, der größten des Landes, gegenüber LN. Grimson weiter: „Wir wollen mehr öffentliche Bildung, damit junge Menschen, die heute unter der Armutsgrenze leben, dank der Universität an eine bessere Zukunft denken können. Milei hingegen will sie privatisieren und dem Markt überlassen.“
Die Regierung weist solche Ziele zurück. LN gegenüber antwortete der stellvertretende Staatssekretär für Universitätsangelegenheiten, Alejandro Álvarez, dass weder ein Plan zur Schließung oder Verkleinerung des Studienangebots existiere noch eine Privatisierung vorgesehen sei. Aus seiner Sicht habe die Regierung bei Amtsantritt ein System vorgefunden, das daran gewöhnt sei, ohne jegliche Maßstäbe zu wirtschaften und sich mehr auf die Beschaffung eines höheren Budgets für die Bürokratie konzentriere, anstatt die Abschlussquoten zu verbessern. Auf die Frage, wie die Regierung das nationale Universitätssystem gestalten wolle, antwortete der Beamte, man müsse qualitativ hochwertige Abschlüsse in kürzerer Zeit erreichen und das System effizienter gestalten.
Doch einige Fakten widersprechen dieser Darstellung: Wenn das Ziel darin besteht, die Studiendauer zu verkürzen, warum hat die Regierung dann ein Gesetz blockiert, das eine Gehaltsanpassung für Lehrkräfte und nicht-akademische Universitätsmitarbeiter*innen vorsah? Warum sieht das Bildungsbudget für 2025 den niedrigsten Anteil am Bruttoinlandsprodukt in den vergangenen zehn Jahren vor? Und warum beleidigt und delegitimiert der Präsident die 66 staatlich geführten Universitäten?
Belén Sotelo, Vorsitzende der Gewerkschaft der Lehrkräfte an der Universidad de Buenos Aires, teilt Grimsons Ansicht und glaubt ebenfalls, dass eine Absicht bestehe, das Terrain für eine Kommerzialisierung der Hochschulbildung vorzubereiten. Zu den positiven Aspekten der vergangenen Monate zählt sie die breite Unterstützung durch die Gesellschaft: „Die Menschen unterstützen uns, weil die Universitäten historisch gesehen in unserem Land für sozialen Aufstieg stehen und tief im Bewusstsein der Bevölkerung verwurzelt sind. Zwischen der Universität und dem Volk besteht eine Verbundenheit, die schwer zu brechen ist.“
Unis stehen für sozialen Aufstieg
Es besteht zudem eine Kontroverse darüber, welche Institution die interne Kontrolle über die Hochschulen ausüben soll. Die Universitäten fordern, dass dies im Rahmen der Regelungen zur Hochschulautonomie geschieht, und lehnen die von Milei vorgeschlagene Behörde ab. Milei nutzt dies, um das Narrativ zu verbreiten, dass die Institutionen unrechtmäßige Geschäfte betreiben und keine Rechenschaft ablegen wollen. „Wir werden sie prüfen. Die Diebe werden in Argentinien keinen Frieden haben, denn wer Unrecht tut, zahlt dafür. Ich werde sie ins Gefängnis bringen“, erklärte er in den vergangenen Wochen. Seine Position ist jedoch nicht sehr populär: Laut einer Umfrage betrachten 86,4 Prozent der Befragten die öffentlichen Universitäten als Stolz des Landes.