Hoffnung auf Gerechtigkeit?
Das Amtsgericht Nürnberg hat im Fall Elisabeth Käsemann Haftbefehl erlassen
Für Deutschland ist es eine kleine Sensation. Die über zwanzig Jahre währende Untätigkeit der deutschen Justiz in Bezug auf die während der argentinischen Militärdiktatur zwischen 1976 und 1983 verschwundenen Deutschen scheint mit dem Erlass des ersten Hatfbefehls gegen einen argentinischen Militärangehörigen gebrochen. Nach mehr als drei Jahren Arbeit hat die ‘Koalition gegen Straflosigkeit´, ein Zusammenschluss von fünfzehn Kirchen- und Menschenrechtsgruppen, die sich für die Aufklärung der Schicksale deutschstämmiger Verschwundener in Argentinien und für die Strafverfolgung der Täter einsetzt, damit einen ersten großen Erfolg zu verzeichnen. Die Koalition hatte neben elf anderen Fällen Strafanzeige wegen der Ermordung von Elisabeth Käsemann bei der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth gestellt, woraufhin diese ihre Ermittlungen aufnahm.
Der Fall Käsemann ist nicht irgendeiner aus der Reihe der deutschen Verschwundenen in Argentinien. Die nun offiziell werdende Aufklärung des Falls könnte für die deutschen Behörden zu einer prekären Angelegenheit werden, da die ‘Koalition gegen Straflosigkeit´ anhand dieses Verfahrens nachweisen will, dass die deutsche Botschaft in Buenos Aires wie auch das Auswärtige Amt sich an den Menschenrechtsverbrechen während der Militärdiktatur mitschuldig gemacht haben. Denn damals wurde deutschen Staatsangehörigen oft nur zögerlich Hilfe geleistet und bisweilen tatenlos zugesehen, wenn sie in die Fänge des argentinischen Repressionsapparates gerieten.
Heimtückischer Mord in Verdeckungsabsicht
In der Nacht vom 8. auf den 9. März 1977 war die damals 29jährige deutsche Studentin Elisabeth Käsemann von argentinischen Sicherheitskräften, die unter der Befehlsgewalt des heute 77jährigen Carlos Guillermo Suarez Mason standen, als politisch Andersdenkende aus ihrer Wohnung entführt und in einer Kaserne in Buenos Aires interniert worden, wo sie in den folgenden Wochen gefoltert und misshandelt wurde. Im Mai 1977 wurde sie zunächst in das geheime Haftzentrum „El Vesubio“ in der Nähe von Buenos Aires verlegt, in der Nacht vom 23. auf den 24. Mai dann mit fünfzehn weiteren Gefangenen mit angelegten Handschellen und einer Kapuze über dem Kopf von argentinischen Sicherheitskräften nach Monte Grande in der Provinz Buenos Aires transportiert und durch Schüsse ins Genick und in den Rücken aus unmittelbarer Nähe getötet worden. Die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth sieht in dieser Art der Tatbegehung das Mordmerkmal der Heimtücke erfüllt.
Der des Mordes an Käsemann beschuldigte Suarez Mason war während der argentinischen Militärdiktatur Chef des ersten Heerescorps und Kommandant der so genannten Zone 1 in Buenos Aires, wo er jede Verhaftungsaktion kontrollierte und über Leben oder Tod der Gefangenen entschied. In Argentinien ist er durch die dort geltenden Amnestiegesetze vor strafrechtlicher Verfolgung geschützt.
Da Suarez Mason bei der Ermordung von Elisabeth Käsemann nicht selbst handelte, ist er im Sinne des deutschen Strafgesetzbuches zwar „nur“ mittelbarer Täter, damit aber strafrechtlich ebenso verantwortlich wie die den Mord unmittelbar ausführenden Täter. Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft handelte Mason als der das System beherrschende Hintermann, der den Willen aller unmittelbar beteiligten Sicherheitskräfte beherrschte und sie gleichsam als Werkzeuge zur Ermordung von Käsemann einsetzte. Der das Verfahren leitende Oberstaatsanwalt Klaus Hubmann geht davon aus, dass der Beschuldigte hierbei nicht nur das Mordmerkmal der Heimtücke, sondern auch jenes der Verdeckungsabsicht erfüllte, da er die zuvor begangenen Taten der Entführung und Folter verdecken wollte.
Internationale Fahndung
Der am 11. Juli gegen Suarez Mason erlassene Haftbefehl wird Grundlage für eine internationale Fahndung nach dem Beschuldigten sein. Ob aber das mit dem Haftbefehl ausgelöste Verfahren gegen Mason überhaupt eine Chance auf Anklage und Verurteilung hat, bleibt vorerst unklar. Denn mit einer Auslieferung des Beschuldigten von argentinischer Seite her ist nicht zu rechnen und eine Verurteilung in Abwesenheit des Angeklagten ist nach deutschem Strafprozessrecht nicht möglich. Es bleibt also momentan nur die Hoffnung, dass Suarez Mason demnächst Argentinien verläßt, um etwa einen dringenden Arztermin im Ausland wahrzunehmen.
Zum Weiterlesen: Reader Argentinien – Warten auf Gerechtigkeit, Menschenrechte und der lange Kampf gegen Strafosigkeit 25 Jahre nach dem Militärputsch; ca. 120 Seiten; 5 Euro (zzgl. Porto); zu bestellen bei FDCL e.V., Gneisenaustraße 2 a, 10961 Berlin TLF:030/6934029, Fax 030/6926590, mail: fdcl-berlin@t-online.de.