Drogenhandel | Nummer 333 - März 2002

Hundert Jahre Tradition

Mexikos Weg zum El Dorado des Drogenhandels

Seit den Anfängen des mexikanischen Drogenhandels gibt es enge Verbindungen zwischen Drogenclans und der politischen Machtelite. Heute zählen die mexikanischen Narcos zu den Mächtigsten der Welt. Das politische und wirtschaftliche System Mexikos wird auf allen Ebenen von Drogengeldern genährt.

Dario Azzellini

Am 20. Dezember 2001 gelang der mexikanischen Marine ein großer Fang: Ein Tunfischkutter unter mexikanischer Flagge hatte sich auf hoher See geweigert, sich von einem US-amerikanischen Kriegsschiff auf Drogen durchsuchen zu lassen – was gemäß internationalem Recht nur mit Einverständnis möglich ist. Die US-Marine kontaktierte daraufhin die mexikanischen Kollegen. Die übernahmen den Job und fanden über neun Tonnen Kokain. Der Kutter Macel wird nun im Hafen von Manzanillo, im Bundesstaat Colima, in seine Einzelteile zerlegt.
Nur einen Tag später verhafteten Spezialeinheiten der UEDO (Unidad Especializada contra la Delincuencia Organizada) auf US-amerikanisches Ersuchen den Drogenunternehmer Miguel Angel Caro Quintero in Los Mochis, Bundesstaat Sinaloa. Caro Quintero soll bis 1999 Chef des kleinsten unter den großen Drogenclans Mexikos gewesen sein. Der Familienclan fördert den Anbau von Mohn und Marihuana, stellt Heroin her und exportiert Marihuana, kolumbianisches Kokain und Heroin in die USA. Nach Angaben der US-amerikanischen Drogenbehörde DEA koordiniert Miguel das Geschäft mit seinen Geschwistern Jorge, Genaro, María del Carmen, Blanca und Lilia – womit das Gerücht aus dem Weg geräumt sein dürfte, das Drogengeschäft sei in den leitenden Sphären eine strikte Männersache.
Da die US-Regierung zudem auf die sonst übliche jährliche Bewertung der Drogenpolitik (Zertifizierung) der mexikanischen Regierung für ihren Kampf gegen den Drogenhandel verzichtete – eine Bitte, die Präsident Fox einige Monate zuvor dem US-amerikanischen Kongress vorgetragen hatte – könnte man meinen, das Jahr 2001 sei für die mexikanischen Narcos nicht besonders erfolgreich gewesen. Der Eindruck täuscht. Das Drogenvolumen, dass die USA via Mexiko erreicht, hat in den letzten Jahren ebenso konstant zugenommen wie die Drogenproduktion in Mexiko selbst.
Die Auslieferung Caro Quinteros ist im Übrigen bereits seit 1992 von den USA beantragt. Der Narco wurde damals sogar verhaftet, doch ein mexikanischer Richter ließ ihn wieder laufen. Caro Quintero operierte fortan völlig unbehelligt in Sonora. Die guten Verbindungen der Familie Caro Quintero zu Politik und Ordnungskräften waren bestens bekannt. Die DEA legte Fotos vor, auf denen Miguel Angel hohe Polizeichefs in seinem Haus empfängt. Und in den 80er Jahren verfügte der Quintero-Clan sogar über gute Freunde jenseits der Grenze. Die Narcounternehmer der Clans in Sinaloa stellten ihre Grundstücke für die Ausbildung nicaraguanischer Contras zur Verfügung, CIA-Flugzeuge flogen zwischen Guadalajara und dem Militärflughafen Homestead hin und her, mit Waffen in die eine und mit Kokain in die andere Richtung.

Brown Sugar

Wenn Mexikos Rolle im Drogenbusiness von Seiten der USA niemals so hervorgehoben wurde wie die Kolumbiens, so liegt hier sicherlich einer der Gründe. Ferner sind die USA daran interessiert, in Kolumbien unter dem Deckmantel des Drogenkrieges primär die Guerillas und Basisbewegungen zu bekämpfen. Mit Mexiko haben sie dagegen das Freihandelsabkommen NAFTA abgeschlossen. Das wirtschaftliche Projekt hat stets Vorrang.
Kolumbien exportiert neben Kokain aber auch immer mehr Heroin. Das liegt am hohen Reinheitsgrad, der vom asiatischen Heroin kaum erreicht wird. Und am günstigen Preis. Denn bei etwa 90 Prozent Reinheit ist es nur halb so teuer wie das asiatische. Das Gleiche gilt allerdings für das mexikanische Heroin, in den 60ern wegen seiner Farbe – beruhend auf dem niedrigen Reinheitsgrad – noch brown sugar genannt und als Billigstoff in den Unterklassen verbreitet. Den mexikanischen Narcos gelang es in den 80er und 90er Jahren Raffinierungsmethoden zu entwickeln, die den Reinheitsgrad und die Qualität drastisch erhöhten. Sie waren es auch, die ihr Wissen um Opiumanbau und Heroinraffinierung an die Kolumbianer weiter gaben. Heute dürfte die Menge des in Kolumbien produzierten Heroins bei etwa fünf bis sieben Tonnen pro Jahr liegen und die mexikanische bei etwa drei bis fünf Tonnen. Demnach scheint die Behauptung der DEA, 70 Prozent des in den USA konsumierten Heroins stammten aus Kolumbien, eher politischen Interessen, als der Realität zu entsprechen.

Anfänge des Drogenhandels

Der Anbau von Mohn beginnt in Mexiko bereits Anfang des 20. Jahrhunderts, um den Markt der chinesischen Einwanderer in den USA mit Opium zu beliefern. Das Opium erfreut sich rasch größerer Beliebtheit in den USA. In den 20er und 30er Jahren, während der Alkoholprohibition, hat sich in Mexiko bereits ein breites Netz mafiöser Strukturen aus dem Drogenhandel entwickelt. Mit Beginn des zweiten Weltkriegs steigt die Produktion weiter, die USA schließen beide Augen und öffnen die Hände: Das mexikanische Morphium wird für die Behandlung der vielen Kriegsversehrten benötigt. Innerhalb des mexikanischen Systems entbrennt derweil ein heimlicher Krieg um den Drogenhandel. Mittlerweile ist eine vertikale Integration auf allen Ebenen erfolgt, die policia judicial der Bundesstaaten und des Zentralstaates kontrolliert und verwaltet die Geschäfte des Drogenhandels, und die Armee übernimmt die Rolle der Verbindung zwischen Narcos und Politik. Das Fernhalten der mexikanischen Militärs aus der Politik wurde von der regierenden PRI durch die freie Hand in illegalen Geschäften honoriert.
Angesichts des Ende der 60er Jahre rapide ansteigenden Drogenkonsums in den USA – und damit der Produktion von Heroin und Marihuana in Mexiko – steigt auch der US-amerikanische Druck auf die mexikanische Regierung. Die US-Behörden verbreiten erstmals öffentlich die These, die Vernichtung der Drogenproduktion sei der primäre Hebel um den Konsum einzudämmen. Die mexikanische Armee organisiert die Operación Condor: Über 10.000 Soldaten und Beamte der staatsanwaltschaftlichen Polizei PGR durchkämmen den mexikanischen Nordosten, vorwiegend Sinaloa. Dabei werden nicht nur zehntausende Hektar Mohn- und Marihuanafelder niedergebrannt, sondern auch Tausende Bauern vertrieben. Es kommt zu extralegalen Hinrichtungen, Verschwundenen und Folterungen. Die Narcos aus Sinaloa verlegen ihren Sitz in andere Bundesstaaten. Auf Grund der Allianzen zwischen der Machtelite und den Narcounternehmern wurde die Operation Condor im Nachhinein häufig als eine Aktion zur Beseitigung der Konkurrenz angesehen.

Rosige Zeiten unter De la Madrid

Der Druck der USA lässt schnell wieder nach: Unter Präsident Miguel de la Madrid (1982-1988) erholt sich das Drogenbusiness prächtig. Die politische Polizei DFS, die direkt dem Präsidenten untersteht, arbeitet eng mit den Narcounternehmern des Guadalajara-Kartells zusammen. Das ist so offensichtlich, dass sich De la Madrid 1985 gezwungen sieht, die Institution aufzulösen. Ein ehemaliger Leiter der DFS, Rafael Aguilar Guajardo, übernimmt daraufhin sogar die Führung einer aus dem Kartell neu entstandenen Narco-Organisation in Ciudad Juarez. In Berichten der DEA werden die höchsten Spitzen der mexikanischen Regierung zu Zeiten De la Madrids als Protegés der Narcounternehmer benannt, ohne das dies jemals Folgen für die Beziehungen zwischen beiden Ländern gehabt hätte.
Auf diese Zeit gehen auch die ersten Verbindungen zwischen kolumbianischen und mexikanischen Drogenunternehmern zurück. Der rapide angestiegene Kokainkonsum in den USA fordert große Lieferungen. Der Norden Mexikos mit seinen riesigen wüstenähnlichen Gebieten und der langen Grenze zu den USA erweist sich als ideal für die Landung von Flugzeugen aus Kolumbien und den Weitertransport in die USA. Die Kolumbianer Gustavo de Jesús – ein Cousin von Pablo Escobar – und Gonzalo Rodríguez Gacha einigen sich 1984 mit dem Mexikaner Miguel Angel Félix Gallardo, einem Narcounternehmer des Sinaloa-Kartells, aus dem später das Tijuana-Kartell und das Juarez-Kartell hervorgehen werden. Die Kolumbianer um Pablo Escobar liefern das Kokain in Ladungen von einer halben Tonne in eigenen Flugzeugen. Die Mexikaner stellen klandestine Flugpisten in Baja California, Sonora, Chihuahua und Coahuila – Grenzstaaten zu den USA – und sorgen für Sicherheit, das Entladen der Flugzeuge, den Weitertransport und die Einfuhr in die USA. Dafür kassieren sie drei- bis viertausend US-Dollar pro Kilo. Felix Gallardo, selbst ehemaliger Polizist, genießt den Schutz der Polizei und Politik. Auf seinen ausschweifenden Parties ist selbst der damalige Gouverneur von Sinaloa regelmäßig zu Gast.

Die Gangsterbrüder Salinas

Mit der Zeit weiten sich die Geschäfte der Kolumbianer mit den Mexikanern aus, und schließlich wird das Geschäft des Weiterverkaufs in die USA an die Mexikaner abgetreten. Während die kolumbianischen Narcounternehmer mit Anbau, Produktion und Transport bis nach Mexiko den größten Teil der Kosten tragen, bleibt der Löwenanteil des Gewinns bei den mexikanischen Drogenunternehmern.
Es folgt die Amtszeit von Carlos Salinas (1988-1994), dessen Bruder Raúl zum großen Koordinator des Narcobusiness avanciert. Laut Untersuchungen der Presse und der DEA sind unter Carlos Salinas einige seiner persönlichen Berater, Minister, Gouverneure, Verantwortliche des Antidrogenkrieges und Armeegeneräle tief in das Drogengeschäft verwickelt. Viele von ihnen sind auch noch unter dem folgenden Präsidenten Ernesto Zedillo im Amt. In die Amtszeit Salinas fallen die Großtransporte von mehreren Tonnen Kokain – bis zu 15 Tonnen pro Flug –, die von kolumbianischen Drogenunternehmern gekauft werden und auf Landebahnen, teilweise auf ehemaligen Armeeflughäfen, im Norden Mexikos landen. Hier werden sie unter dem Schutz von Armee und Polizei entladen. Amado Carrillo, vermeintlicher Chef des Juarez-Kartells – 1997 unter misteriösen Umständen nach einer Gesichtsoperation ums Leben gekommen – verdient sich durch diese Flüge seinen Spitznamen Señor de los cielos – Herr der Lüfte. Selbst Flüge, die von den US-amerikanischen Behörden via Radar beobachtet und nach Mexiko weitergemeldet werden, bleiben unbehelligt.
Der Salinas-Clan knüpft direkte Beziehungen mit den kolumbianischen Narcounternehmern aus Medellín, Raúl Salinas kassiert persönlich Millionen von US-Dollar für die Sicherheit von kolumbianischen Kokainlieferungen in Flugzeugen, denen der Schutz der Armee und Polizei geboten wird. Die Schweizer Behörden veröffentlichten 1998 einen fast vierhundertseitigen Bericht zu den Machenschaften des Salinas-Clans. Carlos Salinas ernennt einige bekannte Größen aus dem Narcogeschäft zu seinen engsten Vertrauten und setzt sie auf wichtige Posten. Beispielsweise werden den drei höchsten Verantwortlichen des Antidrogenkrieges unter Salinas Verbindungen zum Drogenhandel nachgesagt. Die Salinas-Familie geht eine Allianz mit Juan García Àbrego und dem Golf-Kartell ein, und die Regierung Salinas geht vehement gegen konkurrierende Organisationen vor. Dies beschert Àbrego und seinen Verbündeten einen glänzenden Aufstieg im Narcobusiness. Es folgen Auftragsmorde und Säuberungen in der PRI selbst, der strukturelle Zerfall des „Systems PRI“ ist unaufhaltsam. Doch Carlos Salinas melkt das Land bis aufs Äußerste und setzt sich nach seiner Amtszeit mit einem Familienvermögen, das eine zweistellige Milliardensumme in US-Dollar umfasst, nach Irland ab. Dagegen landet sein Bruder Raúl wegen Auftragsmord in Haft. Noch heute gehört Carlos Salinas zu den grauen Eminenzen des Landes. Der Ex-Präsident spinnt seine Fäden weiterhin, reist ein und aus, trifft sich mit bedeutenden Persönlichkeiten der Wirtschaft und der PRI.

Zedillo und Fox: Alles bleibt beim Alten

Unter Präsident Ernesto Zedillo (1994-2000) hat sich substanziell nicht viel verändert. Gemäß eines Berichts des mexikanischen Innenministeriums von 1996 bestanden etwa die Hälfte der damals geschätzten 900 bewaffneten kriminellen Organisationen des Landes aus aktiven und ehemaligen Ordnungskräften. Zwar wurden auch hier einige spektakuläre Säuberungen vorgenommen, wie etwa im Februar 1997 die Verhaftung des Generals Jesús Gútierrez Rebollo, Leiter des Nationalen Instituts zur Drogenbekämpfung (INCD), der Mitarbeiter des von Amado Carrillo geleiteten Juarez-Kartell war. Seine Verhaftung führte zu weiteren 48 Festnahmen hoher Armee- und Marineangehöriger.

Nur nicht zu dreist werden

Doch solche Aktionen hat es in Mexiko stets gegeben: Wenn die Verwicklung bestimmter Mandatsträger oder offizieller Vertreter in das Drogengeschäft zu offensichtlich wurde oder gewisse Narcounternehmer zu dreist, fielen sie in die Fänge der Justiz – falls die ermittelnden Staatsanwälte nicht rechtzeitig bestochen oder ermordet wurden. Dies beeinträchtigte bisher weder die Struktur des Narcobusiness, noch minderte es den Schutz seitens offizieller Institutionen, den es genießt.

Keine mafiöse Banden…

Ebenso wenig schadete die Amtsübernahme von Vicente Fox Anfang Dezember 2000 den Geschäften der Narcounternehmer. Baja California, Chihuahua und Jalisco, drei der vier unsichersten Bundesstaaten Mexikos, in denen das Narcobusiness seine tiefsten Wurzeln hat, sind ohnehin seit Jahren von Foxens Partei PAN regiert. Zwar säuberte Fox die Staatsanwaltschaftliche Polizei und entließ mehr als 70 Prozent der Beamten wegen Verbindungen zum Drogenhandel. Doch die Bilanz des leitenden Generalstaatsanwalts, Ex-General Rafael Macedo, ist mehr als zweifelhaft. Nach einigen Achtungserfolgen während seiner ersten 100 Tage im Amt, ist das Volumen der beschlagnahmten Drogen in der zweiten Jahreshälfte 2001 im Vergleich zu der ersten Jahreshälfte drastisch gesunken. Insgesamt macht sich unter Fox ein gefährliches Machtvakuum breit, von dem die autoritäre Rechte um das Militär profitiert. Zivile Posten werden zunehmend von Armeeangehörigen besetzt und im Antidrogenkrieg fällt den Streitkräften mittlerweile die zentrale Rolle zu. Es zeichnet sich eine Militarisierung der Gesellschaft ab, die angesichts des tiefen Verstrickung der Armee in das Narcobusiness die Frage aufwirft, ob hier nicht der Bock zum Gärtner gemacht wird.

…sondern ein modernes Business

Anfang des dritten Jahrtausends sind die wesentlichen Strukturen der Narcounternehmer weitgehend intakt. Doch ist das Geschäft nicht die exklusive Angelegenheit großer mafiöser Banden. Es handelt sich vielmehr um ein internationalisiertes, modernes Business, in dem sich Allianzen zwischen Clans, Familien, Banden, Unternehmen und Individuen täglich neu formieren. Wie in der modernen Wirtschaft liegt ein Schwerpunkt auf Spezialisierung und Kooperation. Neben dem genannten Clan der Familie Caro Quintero operieren aktuell weitere vier große Narcokonglomerate von Mexiko aus: das Tijuana-Kartell der Brüder Arellano Felix, das Juárez-Kartell, ehemals vom Herrn der Lüfte, Amado Carillo Fuentes geführt, das von den Brüdern Salinas protegierte Golf-Kartell und das Amezcua-Kartell. Business as usual.

KASTEN:
Das Tijuana-Kartell

Das Tijuana-Kartell der Brüder Arellano Felix ist ein Zusammenschluss von mindestens einem Dutzend verschiedener Organisationen, die eine Art Unternehmensrat unter der Leitung einer dreiköpfigen Geschäftsführung, den drei Arellano-Brüdern Benjamin, Eduardo und Ramon an ihrer Spitze haben. Das Narcounternehmen handelt mit Kokain, Marihuana und Amphetaminen in mindestens 15 mexikanischen Bundesstaaten, importiert Kokain und Grundstoffe für synthetische Drogen nach Mexiko und exportiert Kokain, synthetische Drogen und Marihuana in die USA. Die drei Arellano-Brüder sollen sich der mexikanischen Polizei zufolge Gesichtsoperationen unterzogen haben und ihren Rückzug aus dem aktiven Geschäft betreiben, indem sie die Rechte weiter verkaufen. Alle beteiligten Organisationen verfügen über eigene, unabhängige und selbstständig handelnde Strukturen.

Das Juárez-Kartell

Noch dezentraler als das Tijuana-Kartell, in Form von Zellen, arbeitet das so genannte Juarez-Kartell. Die ehemals vom verstorbenen Herr der Lüfte, Amado Carrillo Fuentes (siehe Artikel), geführte Struktur wird oft als das mächtigste Narcounternehmen Lateinamerikas bezeichnet. Die einzelnen Zellen, die sowohl regional als auch nach Aufgaben aufgeteilt sind, operieren in verschiedenen Bundesstaaten Mexikos. Das Unternehmen beschränkt sich weithin auf das Kokainbusiness. Das Pulver wird sowohl mit Schnellbooten aus Kolumbien an die Küsten der mexikanischen Karibik, wie auch in Flugzeugen in den mexikanischen Norden geliefert. Der Weitertransport erfolgt in der Regel auf dem Landweg nach Tijuana, Guadalajara und Ciudad Juárez und von dort aus an die zentralen Vertriebspunkte der USA: Los Angeles, New Jersey, Chicago und Phoenix. Die Verhaftung von Mario Villanueva Madrid, Ex-Gouverneur des Karibikstaates Quintana Roo, im Mai 2001 wegen Verbindungen zum Juárez-Kartell macht deutlich, dass die Beziehungen dieses Narcounternehmens bis in die höchsten Sphären der Politik hervorragend sind. So konnte laut Presseberichten Vicente Carrillo Fuentes, Erbe des Narcounternehmens nach dem Tod seines Bruders, Ende November 2001 – obwohl per Haftbefehl gesucht – unbehelligt an der Hochzeit eines seiner Neffen teilnehmen. Auch ein weiteres gesuchtes Familienmitglied, Rodolfo Carrillo Fuentes, war mit Polizeieskorte bei der Hochzeit anwesend.

Das Golf-Kartell

Das Golf-Kartell wuchs durch die offizielle Unterstützung während der Präsidentschaft Salinas. Ursprünglich eine Schmuggelorganisation für Alkohol und Zigaretten, konnte die Organisation dank der schützenden Hand des Salinas-Clans ihr Drogenbusiness stark ausweiten und konsolidieren, verlor nach dem Ende der Amtszeit Salinas aber wieder Marktanteile. Die Verhaftung von Juan García Àbrego 1996 und seine Auslieferung an die USA beendete das Geschäft des Golf-Kartells aber nicht. Die Organisation mit Sitz in Matamoros arbeitet ebenfalls nach dem Zellenprinzip, exportiert aktuell monatlich angeblich zwischen 250 und 300 kg Kokain in die USA und wird von Osiel Cárdenas Guillén und Zeferino Peña Cuéllar geleitet. Das Golf-Kartell zählt weiterhin auf wichtige offizielle Unterstützung: Als im November 2001 die Spezialeinheiten der UEDO 16 Mitglieder der Organisation festnahmen, befanden sich unter ihnen auch sechs ehemalige Angehörige der Eliteeinheiten der mexikanischen Armee Gafes. Eine weitere Anekdote macht die Unterstützung noch deutlicher: Als Anfang 1999 Angehörige der DEA und des FBI in Matamoros in seinem Privathaus einen wichtigen Zeugen gegen die Organisation verhörten, stürmten 15 Bewaffnete unter der persönlichen Leitung von Osiel Cárdenas Guillén das Haus und bedrohten die US-Beamten und den Zeugen. Dem DEA-Mitarbeiter gelang es, mit seinem Mobiltelefon die Nummer des örtlichen Kommandanten der Policia Judicial zu wählen, der so den gesamten Vorfall live am Telefon miterlebte. Die Polizei schritt dennoch nicht ein. Spätere Ermittlungen brachten zu Tage, dass sogar ein Großteil der Bewaffneten unter Führung des Narcos Polizisten waren.

Das Amezcua-Kartell

Vollständig auf synthetische „Modedrogen“ und Amfetaminderivate wie Extasy, Ice und Crystal spezialisiert ist das Amezcua-Kartell. Die Organisation des Amezcua-Familienclans gilt als größter Efedrin-Händler und größter Anfetamin-Produzent weltweit und ist in Mexiko und in den USA verwurzelt. Labors mit Produktionskapazitäten von hunderten von Kilos wöchentlich wurden in Guadalajara und Tijuana, wie auch in Los Angeles, San Diego, San Francisco, Phoenix und Seattle entdeckt. Die Amezcuas genießen ebenfalls den Schutz höchster Sphären: Die Brüder Jesús und Luis Amezcua Contreras wurden 1998 in Mexiko verhaftet. Ein Auslieferungsgesuch der USA wurde jedoch abgelehnt. Alle Anklagepunkte wurden bis auf illegalen Waffenbesitz abgewiesen, und die Brüder erlangten wieder ihre Freiheit. Adán Amezcua Contreras, der 1999 wegen Geldwäsche verhaftet wurde, wurde seinerseits von einem örtlichen Richter in Guadalajara kurze Zeit später frei gesprochen. Gegen den Richter erging zwar ein Jahr später ein Haftbefehl auf Grund des Freispruchs, doch Adán Amezcua wurde seitdem nicht mehr belangt. Er widmet sich auf seiner Hacienda der Viehzucht.

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