Guatemala | Nummer 330 - Dezember 2001

“Ich glaube, dass es sich gelohnt hat“

Der im Exil lebende guatemaltekische Staatsanwalt Celvin Galindo über den Kampf gegen die Straflosigkeit

Dinah Stratenwerth

Sie haben erreicht, dass Angehörige des unantastbaren guatemaltekischen Militärs wegen Mordes vor Gericht gestellt wurden – aber nach Todesdrohungen mussten Sie ins Exil. War das die Sache wert?

Wenn ich den Spielraum für Gerechtigkeit erweitert habe, dann war das positiv. Es wurde erreicht, dass in die richtige Richtung ermittelt wurde, nämlich in die politische, und das hatte es vorher nie gegeben. Deshalb glaube ich, dass es das wert war, obwohl ich jetzt im Ausland leben muss.

Die Verurteilten im Fall Gerardi haben gegen das Urteil Berufung eingelegt. Werden sie damit Erfolg haben ?

Ich glaube nicht. Die Berufung beruht auf Formfehlern im Urteil, und immerhin hatte der Präsident sofort nach der Urteilsverkündung im Fernsehen das Urteil als Triumph seiner Partei verkauft. Es kann also sein, dass die Berufung keinen Erfolg hat, weil alle mit der Situation zufrieden sind.

Glauben sie, dass ihr Erfolg andere Juristen ermutigt, gegen politische Verbrechen vorzugehen ?

In dem Urteil steht, dass die Verurteilten nicht die geistigen Urheber des Verbrechens sind, es ermöglicht also die Suche nach denen, die wirklich dafür verantwortlich sind. Ich denke aber, in unseren Ländern ist das immer ein Risiko. Trotzdem bin ich überzeugt, dass der Menschenrechtspreis ein Symbol im Kampf gegen die Straflosigkeit ist. Nicht nur, weil gerade ich ihn erhalte, sondern damit man in den Ländern mit noch sehr schwachen Demokratien weiß, dass die Länder mit stabilen Demokratien mitkriegen, was bei uns versucht wird. Findet Ihr Kampf denn auch sonst international Gehör?
Die Ereignisse am und nach dem 11.September haben die Sicht auf die Welt verändert. Das ist besorgnis erregend für die kleinen Länder mit schwachen Demokratien, denn der Blick der einflussreichen Länder richtet sich nur noch auf bestimmte Probleme und vergisst die anderen.

Im Sommer wurde eine Klage von Menschenrechtsorganisationen gegen die Ex-Diktatoren Lucas García und Rios Montt zugelassen. Wie beurteilen sie die Chancen eines Prozesses?

Acht Monate lang hatten diese Organisationen versucht, den Ex-Diktatoren wegen ihrer Verbrechen den Prozess zu machen und diese Woche haben der zuständige Richter und der Staatsanwalt innerhalb einer halben Stunde entschieden, den Fall zu schließen. Sie sagten, die Fakten würden nicht ausreichen, um den Prozess zu beginnen, obwohl es Beweise gibt. Aber natürlich bedienen sie damit vor allem politische Interessen.

Der Bruder von Efrain Rios Montt ist der Nachfolger des ermordeten Weihbischofs Gerardi und setzt auch dessen Menschenrechtspolitik fort. Sind diese beiden ungleichen Brüder Abbild einer gespaltenen Gesellschaft in Guatemala?

Die Opfer sind in der Überzahl. Die Menschen, die auf dem Land leben, sind nur mit Überleben beschäftigt und wissen nichts über die politischen Entscheidungen, die in der Hauptstadt getroffen werden. Sie haben weder Radio noch Fernsehen oder Zeitungen. Deshalb kann man ihr Wahlverhalten manipulieren: Wenn sie an die Urnen gehen, wissen sie nicht, wen sie wählen wollen, also wird ihnen einfach gesagt, wen sie wählen sollen. Um das zu ändern, muss der politische Wille da sein. Bischof Rios sagt übrigens, dass es sein Anliegen ist, die Wahrheit zu finden, und dass seinem Bruder der Prozess gemacht werden soll, wenn es Beweise gegen ihn gibt.

KASTEN

Preisgekrönter Staatsanwalt

Dem im Jahre 1957 geborenen guatemaltekischen Staatsanwalt Celvin Galindo ist der in diesem Jahr zum sechsten Mal verliehene Menschenrechtspreis des Deutschen Richterbundes (DRB) zuerkannt worden. Nach seinem Studium der Rechtswissenschaften und Tätigkeiten als Lehrbeauftragter an Universitäten entschloss sich Galindo 1995, Staatsanwalt zu werden. Von Beginn an bearbeitete er Fälle von Menschenrechtsverletzungen, die von staatlichen Organen begangen worden waren. Im Jahre 1999 übertrug man Galindo die Ermittlungen im Mordfall des Bischofs Juan Gerardi Conedra. Weihbischof Gerardi war am 26. April 1998 in seinem Haus erschlagen worden, nur 48 Stunden nachdem er als Direktor des Menschenrechtsbüros des Erzbistums den Bericht über die Menschenrechtsverletzungen während des Bürgerkrieges der Öffentlichkeit vorgestellt hatte. Im September 1999 war die Untersuchung abgeschlossen. Celvin Galindo kannte die Namen der Urheber und Täter des Mordes an Bischof Gerarde. Er hatte in umfassenden Ermittlungen Beweise zusammengetragen, die die These eines politisch motivierten Mordes erhärteten und eigentlich zu Verhaftungen und einer Anklage hätten führen müssen. Doch je enger sich die Schlinge um Persönlichkeiten aus Militär und Geheimdienst zog, desto mehr geriet Galindo in Guatemala in Gefahr. Schließlich musste er fliehen – mit Hilfe der UNO ging er mit seiner Frau und seinen drei Kindern ins Exil nach Deutschland, von dort nach Spanien. Zur Zeit lebt er in Barcelona.


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