Nummer 479 - Mai 2014 | Sachbuch

Im Einklang

In seinem Buch Die grüne Matrix vereint Peter Clausing Naturschutz und Landnutzung

Julian Pietzko

Tierra y libertad – „Land und Freiheit“ – ist seit der mexikanischen Revolution zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine zentrale Forderung vieler 2009 – nicht nur lateinamerikanischer – sozialer Bewegungen. Da Freiheit ohne Land nicht gelebt werden kann, kommt letzterem gerade im globalen Süden eine enorme Bedeutung zu.
„Das Land, der Boden, ist die ultimative Ressource, die Voraussetzung jeder Produktion“, heißt es gleich zu Beginn des ersten Kapitels in dem Buch „Die grüne Matrix“ des Agrarwissenschaftlers Peter Clausing. Darin setzt sich der Autor mit zwei globalen Herausforderungen auseinander, die direkt mit der Ressource Land zusammenhängen: mit der Eindämmung des Verlusts biologischer Vielfalt und der Bekämpfung des globalen Hungers. Anhand zahlreicher empirischer Beispiele aus dem globalen Süden – vor allem aus Lateinamerika und Afrika – offenbart er das heuchlerische Schaffen der (multinationalen) Konzerne. Deren Praktiken bestehen vor allem in der Vertreibung von Menschen aus zukünftigen „Naturschutzgebieten“ und der gentechnischen Ausbeutung der Nutzflächen, um maximalen Profit auf ihnen zu erwirtschaften. Dass dabei oft auch Naturschutzorganisationen involviert sind, übersieht der Autor nicht und legt deren Verstrickungen offen.
Diesem Wirken wird mit dem Konzept des land sharing eine Alternative entgegengestellt. Mit agrarökologischen Anbaumethoden könnte die Nahrungsmittelproduktion in den südlichen Ländern innerhalb von zehn Jahren verdoppelt werden. Gleichzeitig würde eine „grüne Matrix“ geschaffen, die die biologische Vielfalt erhält. In der Debatte um die (zukünftige) Ernährung der rasant wachsenden Weltbevölkerung und den Schutz der biologischen Vielfalt auf diesem Planeten bezieht der Autor klar Stellung. Er plädiert für eine starke Miteinbeziehung der Landarbeiter_innen und agrarökologischer Anbaumethoden, um nicht mehr „den Menschen“ und „die Natur“ gegeneinander auszuspielen. Im Gegenteil: Naturschutz kann und sollte mit dem Leben der Menschen in dieser Natur in Einklang gebracht werden.
Das Ziel des Buches, die Leser_innen über aktuell verbreitete Konzepte des „Naturschutzes“ und der Welternährung aufzuklären und diesen Alternativen entgegenzustellen, wird erreicht. Dabei bringt der Autor Naturschutz und mögliche Antworten auf soziale Probleme konsequent in einen Zusammenhang und zeigt, dass diese beiden Elemente nicht unabhängig voneinander betrachtet werden können. Dabei bezieht er sich auch auf soziale Bewegungen wie das globale Netzwerk La Via Campesina („Der bäuerliche Weg“) und die brasilianische Landlosenbewegung MST. Der Autor richtet sich an alle Personen mit Interesse an Naturschutz, Welternährung und Agrarökologie. Aber auch an alle, die im großen Kontext an Gerechtigkeitsfragen im globalen Süden interessiert sind. Die Stärke dieses Buches ist es, nicht nur bestehende Missstände treffend zu analysieren, sondern darüber hinaus zu zeigen, dass eine andere Bodennutzung möglich ist. Naturschutz und Biodiversität stehen nicht notwendigerweise im Gegensatz zu der Nutzung von Land durch den Menschen – sondern können nur in ihrer gemeinsamen Umsetzung eine gerechtere, sozialere und ökologischere Nutzung der Ressource „Land“ ermöglichen. Damit leistet das Buch einen wesentlichen Beitrag dazu, Naturschutz nicht mehr getrennt von den Lösungen sozialer Probleme zu betrachten.

Peter Clausing // Die grüne Matrix. Naturschutz und Welternährung am Scheideweg // Unrast Verlag // Münster 2013 // 156 Seiten // 13,00 Euro // www.unrast-verlag.de

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