Nummer 246 - Dezember 1994 | Uruguay

“Jetzt haben die Leute das Sagen”

Steht die uruguayische Linke vor dem Erfolg? Wer hat das Sagen?

Ganz ähnlich wie kürzlich im Nachbarland Brasilien spielen auch in Uruguay die Medien und die Ergebnisse der Meinungsumfragen eine entscheidende Rolle im Wahlkampf. Gut zwei Wochen vor dem Wahlsonntag am 27. Novem­ber waren Montevideos Straßen praktisch leergefegt, als sich der Präsident­schaftskandidat der konservativen Colorado-Partei Julio María Sanguinetti und sein linker Herausforderer Tabaré Vázquez vom Mitte-Linksbündnis En­cuentro Progresista zum Fernsehduell trafen. Die sportbegeisterten Urugua­yerInnen verbuchten an diesem Abend einen Punktsieg für Vázquez, den ersten sozialisti­schen Bürgermeister von Montevideo, der sich dem Fernsehpublikum als kenntnisreicher und souveräner Staatsmann präsentierte.

Curd Udo Jürgens

Der Colorado-Spitzenpolitiker und Ex-Präsident (1985-1990) Sanguinetti be­nutzte einen großen Teil seiner Redezeit dazu, das Schreckgespenst einer linken Regierung, womöglich mit Tupamaros (!) im Parlament, an die Wand zu malen, um vor allem noch am rechten Rand Stimmen zu gewinnen.
Montevideo mit Werbung überschwemmt:
Auf geht’s an die Arbeit
Kaum war die “Debatte des Jahres” been­det, da gab es natürlich bereits die neue­sten Wahlprognosen. Die regierende Nationale Partei (Blancos) habe praktisch gleigezo­gen mit den Colorados, und das Encuentro Progresista liege dicht dahinter und habe in Montevideo noch um zwei Prozentpunkte zugelegt. Solche Fernseh­duelle sind fast schon die Highlights im sonst eher öden uruguayischen Wahl­kampf, und das Publi­kum ist dankbar, daß wenigstens bei die­sen Gelegenheiten ein wenig Polemik und politischer Streit aus­getragen werden. An­sonsten werden die etwa zwei Millionen WählerInnen – in Uruguay besteht Wahl­pflicht – weniger mit Inhalten, sondern hauptsächlich mit Hochglanzprospekten, Fähnchen und Handzetteln “erschlagen”. Im eher vor­nehmen Stadtteil Pocitos ha­ben sich die Hunde- und Eigenheimbesit­zerInnen schon über die Massen von Wahlkampf­zettelchen auf der Straße be­schwert, die sie am Morgen durchwaten müssen, wenn der Vierbeiner Gassi ge­führt wird. Uru­guays Fernseh­zuschauerInnen werden hart strapaziert. Schon außerhalb der Wahl­kampfzeiten präsentieren die drei privaten und der ein­zige staatliche Fernsehkanal bis zu 50 Prozent Werbung im Programm. In der jetzigen heißen Wahlkampfphase dauert ein normaler Spielfilm mindestens drei Stunden, weil zwischen Waschmittel- und Deostiftreklame die Wahlspots pla­ziert sind. Fernsehwerbung ist teuer, und das Verhältnis zwischen TV-Spots der kon­servativen Parteien und denen der Linken dürfte etwa bei 5:1 liegen. Kom­merzielle Werbeargenturen haben die Parteien be­raten, und dabei sind dann so sinnige Sprüche wie ” Ein Uruguay für alle!” oder “Auf geht’s an die Arbeit…!” herausge­kommen. Auch das Mitte-Links-Bündnis Encuentro Progresista war nicht viel krea­tiver und wirbt mit dem Slogan: “Jetzt ha­ben die Leute das Sagen” Über die Bild­schirme flimmern die Präsidentschafts­kandidaten, die ihrer ju­belnden Fan-Gemeinde zuwinken, und auf Montevi­deos Einkaufsstraße, dem 18 de Julio, dröhnen die Wahlkampfslogans und die Erkennungsmelodie aus den Lautspre­chern der Parteibusse. Wahlkampf made in USA, könnte man meinen, und auch AktivistInnen der Linken beklagen durch­aus selbstkritisch, daß ausgeklügelte PR-Kampagnen diesen Wahlkampf zuneh­mend bestimmen und weniger die viel be­schworene militancia política, das politi­sche Engagement der aktiven Basis.
Wahlkampf made in USA
Trotzdem dürfte es am Wahlabend äußerst spannend werden, denn nach den jüngsten Umfragen liegen die traditionellen Par­teien Colotados und Blancos fast gleich­auf mit jeweils 27 Prozent der Stimmen, dicht gefolgt vom Mitte-Links-Wahlbünd­nis Encuentro Progesista, das landesweit bisher bei rund 22 Prozent liegt. Etwa 13 Prozent der WählerInnen sind laut Umfra­gen noch unentschlossen und warten ab, was in den letzten drei Wochen noch an Skandalen und Skankälchen an die Öf­fentlichkeit kommt, und wie sich die Prä­sidentschaftskandidaten, selbstverständ­lich alles Männer, bei den Fensehduellen schlagen.
Montevideo Hochburg der Linken
Als sicher gilt heute schon, daß die Linke erneut die Wahlen in Uruguays Hauptstadt Montevideo gewinnen wird. Dort leben immerhin fast 50 Prozent der insgesamt etwa drei Millionen EinwohnerInnen des kleinsten südamerikanischen Landes. Die uruguayische Großstadtlinke wird in der Metropole mit einem bequemen Vor­sprung erneut den Bürgermeister stellen. Dies wird ab 1. März 1995 der Stadtplaner Mariano Arana sein, kein Politprofi oder Technokrat, sondern eher der sympathi­sche Intellektuelle von der Universität, mit Sinn für Bürgerbeteiligung und behutsame Stadterneuerung. Ihn erwartet keine einfa­che Aufgabe, vor allem wenn er wie sein Amtsvorgänger mit sehr wenig Finanz­mitteln auskommen muß und gegen eine konservative nationale Regierung regieren müßte. Die nationalen Wahlen, und das wissen auch die KandidatInnen der Lin­ken, werden in Uruguay allerdings im Landesinneren entschieden. Da gilt es, die Domäne der konservativen Parteien (Partido Nacional = Blancos und Partido Colorado) zu brechen, um eventuell die Sensation zu schaffen und Tabaré Vázquez, den ersten sozialistischen Bür­germeister von Montevideo, zum neuen Staatspräsidenten zu wählen.
Das Zweiparteiensystem ist geknackt
Vor fünf Jahren war es noch die große Sensation, als das Linksbündnis Frente Amplio zum ersten Mal in der Geschichte des Landes die Bürgermeisterwahlen in Montevideo gewann. Im Jahre 1994, ge­nau 10 Jahre nach Beendigung der Mili­tärdiktatur in Uruguay, hat die Linke das traditionelle Zweiparteiensystem endgül­tig geknackt. Sie hat durchaus Chancen, auch landesweit bei den Wahlen für eine Überraschung zu sorgen. “Wir haben noch vier Wochen Zeit, und es fehlen uns nur noch etwa fünf Prozentpunkte zum Wahl­sieg”, meinte Tabaré Vázquez auf der Ab­schlußkundgebung eines Sternmar­sches des Encuentro Progresista in Montevideo, an dem mehr als 40.000 Menschen teil­nahmen. Vázquez weiß, wovon er spricht, und er weiß auch, daß die Frente Amplio tausende von Aktivi­stInnen mobilisieren kann, die in Stadteil­gruppen organisiert sind und in den bevor­stehenden Tür-zu-Tür-Kampagnen für die Wahl des Encuentro Progresista werben werden – ein Vorteil, den die traditionellen Parteien trotz dickerer Finanzdecke für die teure TV-Werbung und die bezahlten Flugblatt­verteiler nicht so einfach wett­machen können. Trotzdem ist man auch in Uru­guay vorsichtiger geworden, denn auch beim großen Nachbarn Brasilien hatten ja die Meinungsumfragen bis we­nige Mo­nate vor der Wahl dem linken Kandidaten Lula den Wahlsieg vorherge­sagt.
In die Breite und ab durch die Mitte?
Die Linke in Uruguay setzt auf ein breites Bündnis, und Tabaré Vázquez hatte seine Präsidentschaftkandidatur davon abhängig gemacht, daß die Frente Amplio, in der über 20 linke und linksliberale Parteien und Organisationen zusammengefaßt sind, einem breiten Wahlbündnis unter anderem zusammen mit ChristdemokratInnen und DissidentInnen aus der regierenden Blanco-Partei zustimmt. Über das Zustan­dekommen des breiten Bündnisses Encuentro Progresista und vor allem über programmatische Fragen einer gemeinsa­men Wahlplattform hatte es natürlich zu­vor beim Kongreß der Frente Amplio im Juli dieses Jahres heftige Auseinanderset­zungen gegeben. Vor allem der linke Flü­gel der Frente, MLN Tupamaros, UNIR und Teile der ehemaligen KP Uruguays kritisierten die moderaten Töne etwa bei den Themen Bedienung der Auslands­schulden, Verstaatlichung der Banken und Uruguays Rolle im zukünftigen gemein­samen südamerikanischen Markt Mer­cosur. Auf dem Kongreß im Juli dieses Jahres fand sich keine Zweidrittel-Mehr­heit, um das Programm der Frente Amplio aus den siebziger Jahren mit seinem anti-oligarchischen und anti-imperialistischen Grundtenor zu verändern. Trotzdem gab der Kongreß nach langen Debatten grü­nes Licht für die Verhandlungen zum Wahl­bündnis Encuentro Progresista, ohne je­doch genaue Vorgaben für ein Regie­rungsprogramm zu machen. Das Bündnis ist geschmiedet, und das gemeinsame Re­gierungsprogramm ist vielen in der Frente Anplia zu light. Trotz massiver Kritik vom linken Flügel und Drohungen der Füh­rungsspitze der Frente Amplio, “die linken Querulanten sollen doch aus­treten, falls ihnen die ganze Richtung nicht mehr paßt”, hat das Bündnis bisher gehalten. Die Einschätzungen gehen aller­dings ziemlich weit auseinander, was im Falle eines Wahlsieges überhaupt an Ver­änderungen möglich oder erwünscht ist. Alle Beteiligten konzentrieren sich heute auf die gemeinsame Wahlkampagne, auch weil ihnen klar ist, daß ihr zukünftiges Gewicht innerhalb der Frente nicht zuletzt davon abhängt, wieviel Prozentpunkte ihre Gruppierung zum Gesamtergebnis für die Frente Amplio bzw. für deren Wahl­bündnis Encuentro Progresista beiträgt.
Spannungen innerhalb der Frente
Innerhalb der Frente gibt es auch seit Mo­naten erbitterte Diskussionen, welches Gewicht die einzelnen Parteien und Orga­nisationen haben sollen. Geht es nach dem Willen der mitgliedsstärksten Organisa­tionen wie z.B. der Sozialistischen Partei (Tabaré Vázquez) oder der Asamblea Uruguay mit Danilo Astori an der Spitze, so sollen die Parteien in einem zukünfti­gen Leitungsgremium je nach Mitglieds­stärke und errungenen Wahlprozenten Stimmenanteile bekommen.
Vor allem der linke Flügel innerhalb der Frente, das MPP (Movimiento de Partizi­pación Popular), das sind unter anderem die MLN-Tupamaros und einige andere kleinere Organisationen, aber auch UNIR mit dem Movimiento 26 de Marzo und die Rest-KP (eher orthodoxer Flügel), wehren sich ge­gen diese Änderung und befür­worten eine weitgehend gleichberechtigte Repräsen­tanz aller Organisationen und Parteien in­nerhalb der Frente Amplio. Das Thema ist vorläufig zurückgestellt bis nach den Wahlen, wird aber mit Sicher­heit noch ei­nige interne Debatten auslö­sen, und das wissen natürlich auch die politischen Gegner aus der Colorado- und Blanco-Partei. Die traditionellen Parteien schlafen nicht, und sie geben sich redlich Mühe, das Schreckgespenst einer linken Regie­rung an die Wand zu malen. Beim großen Fernsehduell führte der Colorado-Politiker Sanguinetti scharfe Angriffe gegen den linken Flügel der Frente Amplio vor allem gegen die Tupamaros. Vázquez konterte mit Daten und Fakten über die verfehlte Regierungspolitik unter Sanguinettis Prä­sidentschaft und deren Fortsetzung unter der amtierenden Regie­rung Lacallo (Nationale Partei/Blancos). Er betonte, daß die neoliberale Wirt­schaftspolitik der verschiedenen konser­vativen Regierungen für die Mehrheit der uruguayischen Be­völkerung zum Alp­traum geworden sei. “Über 70.000 Indu­striearbeitsplätze sind in den letzten sie­ben Jahren vernichtet worden, und über 50 Prozent der unter 24-jährigen sind arbeitslos oder haben kei­nerlei Aussicht, in ihrem Beruf Arbeit zu finden”, betonte Tabaré Vázquez und fügte hinzu, daß in Uruguay, durch staatli­che Initiativen und Anreize, wieder ver­stärkt Arbeitsplätze vor allem auch im In­dustriesektor und in der Landwirtschaft geschaffen werden müssen. Er forderte einen grundsätzlichen Wandel in der Poli­tik und eine Umvertei­lung der Lasten von unten nach oben und nicht, wie gehabt, in umgekehrter Rich­tung.
Flagge zeigen
Der Wahlkampf in Uruguay tritt jetzt in seine heiße Phase, und neben den ange­mieteten Werbeflächen, vollgeklebten Lichtmasten und bemalten Häuserwänden zeigen jetzt auch viele EinwohnerInnen der Stadt, welchem Kandidaten sie ihre Stimme geben werden. Mit Stickern, Au­toaufklebern oder einem Wahlplakat am Wohnungsfenster oder vom Balkon wird Flagge gezeigt, und die Nachbarschaft er­fährt, was sie eigentlich schon immer vermutet hatte – oder das genaue Gegen­teil. Am Zeitungskiosk, im Lebensmittel­laden oder in der Warteschlange bei Ban­ken und Behörden diskutieren die Men­schen über die Wahlen oder geben ihre Kommentare über Kandidaten oder die neuesten Enthüllungen über Korruption und Vetternwirtschaft in der Staatsbüro­kratie ab.
Fast täglich erscheinen neueste Umfra­geergebnisse, und auch mit diesen Zahlen wird Politik und Wahlkampf gemacht. Die Colorados verlieren ihren bisher deutli­chen Vorsprung gegenüber den Blancos, und das Encuentro Progresista holt leicht auf. Je nach Meinungsforschungsinstitut haben entweder die Blancos oder Colora­dos bislang noch leicht die Nase vorn. In­nerhalb der regierenden Blanco-Partei holt der Lieblingskandidat des amtierenden Präsidenten Lacalle, Ex-Innenminister Dr. Andrés Ramirez kräftig auf gegen seinen Rivalen aus der eigenen Partei, den ehe­maligen Direktor der staatlichen Elektri­zitätsgesellschaft Dr. Alberto Volonté, den wiederum der Präsident nicht leiden kann.
Kompliziertes Wahlsystem
Uruguays Parteienlandschaft ist kompli­ziert, und das Namens- und Kanidatenka­russell ist für AusländerInnen kaum durch­schaubar. Jede Partei besteht aus zahlrei­chen Untergruppierungen, die bei den Wahlen ihre eigenen Listen zur Abstim­mung stellen, auf denen unter­schiedliche Präsidentschaftskandidaten stehen kön­nen. Die traditionellen Parteien Blancos und Colorados haben gleich je­weils drei Präsidentschaftskandidaten zur Auswahl. Das soll WählerInnenstimmen von links bis rechts abschöpfen. Das Mitte-Links-Wahlbündnis Encuentro Pro­gresista hat sich auf einen gemeinsamen Präsident­schaftskandidaten und Vizeprä­sidenten geeinigt, die auf allen Listen der über 20 Parteien und Gruppierungen ste­hen. Für die beiden Kammern des Parla­ments er­scheinen dann die KandidatInnen der je­weiligen Partei oder Gruppe. Uru­guays WählerInnen müssen sich am Wahlsonn­tag durch einen Berg von Wahllisten wühlen, um die Liste ihrer Partei für die nationalen Wahlen und die Regionalpar­lamente in die Umschläge zu tüten. Um die Sache noch etwas kompli­zierter zu machen: In Uruguay wird nicht etwa der Kandidat Präsident, der absolut die mei­sten WählerInnenstimmen be­kommen hat, sondern derjenige, dessen Partei im natio­nalen Maßstab vorne liegt. Ein Beispiel: Tabaré Vázquez vom EP er­ringt die mei­sten Stimmen, und trotzdem wird Sangi­unetti Präsident, weil alle Colorado-Kan­didaten zusammen mehr Stimmen be­kommen haben als das EP und Sanguinetti innerhalb der Colorados die Nase vorne hat. Die vielzitierten politi­schen Beob­achterInnen halten diese Vari­ante sogar für ziemlich wahrscheinlich.
Wahlen und Referendum
Am 27. November wird in Uruguay gleichzeitig über zwei zentrale Themen eine Volksabstimmung durchgeführt. Zum einen geht es um eine Initiative, die in der Verfassung festlegen möchte, daß 27 Pro­zent des Staatshaushaltes für Bildung aus­gegeben werden müssen.
Zum anderen sollen die WählerInnen entscheiden, ob die staatliche Sozial- und Rentenversiche­rung unangetastet bleiben soll. Beide Themen werden natürlich auch im Wahl­kampf heftig diskutiert. Uruguay gibt heute nur etwa vier bis sechs Prozent der Haushaltsmittel für Bildung aus und steht in der internationalen Statistik damit noch hinter Ländern wie Senegal, dem Sudan oder Kolumbien. Ein uruguayischer Grundschullehrer verdient monatlich we­niger als 250 US-Dollar, und 72 Prozent der LehrerInnen haben zumindest zwei Jobs nebeneinander. Die UNESCO fordert die “Entwicklungsländer” auf, mindestens 6 Prozent des Bruttoinlandprodukte für Bildung auszugeben. Uruguay ist heute meilenweit entfernt von diesem Ziel. 1965 wurden immerhin die jetzt wieder gefor­derten 27 Prozent des Staatshaushalts für Bildung ausgegeben. Heute sind die Schulen in einem beklagenswerten Zu­stand, viele davon müßten eigenlich we­gen Baufälligkeit geschlossen werden. Es fehlt überall an Lehrmaterial, und auch die ehemals international berühmte staatliche Uni hat mehr als bescheidene Finanzmit­tel. Die meisten AkademikerInnen arbei­ten eigentlich nur noch an der Uni, weil es sich für die persönliche Biographie gut macht. Parallel suchen sie sich noch einen anderen Job zum Überleben.
Referendum über Bildungs- und Gesundheitspolitik
Es steht völ­lig außer Zweifel, daß das uruguayische Bildungssystem in den letz­ten zwei Jahr­zehnten völlig herunterge­wirtschaftet wurde. Die politische Pole­mik geht nun darum, woher das Geld kommen soll. Die Linke schlägt Kürzun­gen im Verteidi­gungshaushalt, Abbau der Staatsbürokra­tie, Besteuerung von nicht genutztem Agrarland, und die Aussetzung der Be­zahlung der Auslandsschulden vor. “Uruguay überweist täglich 2 Millionen US-Dollar für die Bedienung des Schul­dendienstes”, schreibt die Wahlkampfzei­tung des MPP und der MLN-Tupamaros, La Pulga (der Floh). Eine Mehrheit für das “Ja” zu diesem Thema, gilt als relativ wahrscheinlich, obwohl sich gerade die konservativen Parteien er­bittert dagegen wehren, einen festen Prozentsatz für den Bildungsetat in der Verfassung zu veran­kern.
Auch beim zweiten Thema, Unan­tastbarkeit der staatlichen Sozial- und Rentenversiche­rung, gilt ein “Ja” als rela­tiv wahrschein­lich. Sämtliche Versuche und Vorschläge einer zumindest teilwei­sen Privatisierung dieser Einrichtungen sind bisher immer auf vehemente Kritik bei der Organisation der RentnerInnen, der Gewerkschaften und der linken Par­teien gestoßen. In der reichlich überalter­ten uruguayischen Ge­sellschaft ist die äl­tere Generation auch ein wichtiges Wäh­lerpotential und zudem ziemlich gut orga­nisiert.

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