Nummer 492 - Juni 2015 | Peru

Kupfer um jeden Preis

Im Konflikt um die Pläne für eine Kupfermine stellt sich die Regierung auf die Seite eines US-amerikanischen Konzerns und gegen die lokale Bevölkerung

Seit Ende März streiten die Regierung und die Bevölkerung um das Bergbauprojekt Tía María in der Region Arequipa im Süden Perus. Bäuerinnen und Bauern und Umweltschützer*innen befürchten drastische Folgen für die Umwelt. Nun sind die Gespräche zwischen den Konfliktparteien gescheitert und die Regierung hat den Ausnahmezustand ausgerufen.

Eva Tempelmann

„Agro sí, mina no!” Die Bewohner*innen der Provinz Islay in der südlichen Region Arequipa in Peru wollen Landwirtschaft – keinen Bergbau. Ihnen gegenüber steht der US-amerikanische Bergbaukonzern Southern Copper Corporation, der seit Jahren eine Kupfermine namens Tía María in der Region plant, und eine Regierung, die ihr Land als país minero bezeichnet, als ein „Land des Bergbaus“. Wochenlang protestierte die Bevölkerung mit Märschen und Straßenblockaden. An runden Tischen versuchten die Parteien, eine Lösung zu finden. Aber der Dialog scheiterte. Nun ist der Streit zwischen den Parteien eskaliert.
Fünf Menschen starben bereits bei gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und der Polizei. Dutzende wurden teils schwer verletzt. Am vergangenen Freitag hat die Regierung den Ausnahmezustand ausgerufen. Persönliche Freiheiten wie Bewegungs- und Versammlungsfreiheit seien damit ab sofort eingeschränkt, sagte Perus Ministerpräsident Pedro Cateriano am Freitag. „Die Regierung wird die Anordnungen wenn nötig mit dem Einsatz von Gewalt durchsetzen“, so Cateriano.
Angesichts der tragenden Rolle, die die Regierung in der Entwicklung der Proteste gespielt hat, wird die Wut der Zivilbevölkerung immer größer. Seit Beginn des Streiks vor gut 60 Tagen hatten Bäuerinnen und Bauern und Lokalpolitiker*innen und Umweltorganisationen mehr Transparenz und die Berücksichtigung der lokalen Interessen im Konflikt um das Bergbauprojekt Tía María gefordert. Die Regierung ist diesen Forderungen bisher kaum nachgekommen. „Die Proteste wurden von den nationalen Behörden bisher schlecht gehandhabt“, bestätigte die Präsidentin der Region Arequipa,Yamila Osorio. Die Regierung schulde der Bevölkerung noch viele Antworten über mögliche Umweltbelastungen, die die Kupfermine verursachen würde.
Southern Copper ist einer der größten Kupferförderer der Welt. 1,4 Milliarden US-Dollar will das Unternehmen in das seit 2003 geplante Kupferprojekt Tía María investieren. Der offene Tagebau im Einzugsgebiet des Flusses Tambo würde eine Produktion von 120 Millionen Tonnen Kupfer pro Jahr über eine Zeitspanne von 21 Jahren bieten. Die peruanische Regierung verspricht sich von der Kupfermine wirtschaftliche Entwicklung, Devisen und Einkommen. Aber zu welchem Preis? Für nachhaltigen Rohstoffabbau ist der Konzern Southern Copper nicht gerade bekannt. In den 1950er und 1960er Jahren war Southern Copper mit der Raffinerie von Ilo an der südlichen Küste Perus für gravierende Wasserverschmutzungen verantwortlich gewesen. Auch die Grupo México, Großaktionär von Southern Copper, ist in der Vergangenheit durch massive Umweltverschmutzungen in die negativen Schlagzeilen gekommen. Erst im August 2014 hatte das größte Kupferunternehmen Mexikos und drittgrößter Kupferproduzent der Welt eine gewaltige Umweltkatastrophe in Mexiko verursacht, als sich 40 Millionen Liter giftige Abwässer in die Flüsse Sonora und Bacanuchi ergossen.
Perus Staatspräsident aber setzt auf wirtschaftliche Entwicklung. Er ist davon überzeugt, die Bürger mit klaren Fakten für das Projekt gewinnen zu können. Dabei ist die Meinung der Zivilbevölkerung mehr als offensichtlich. Bereits 2009 hatten sich in einem Referendum mehr als 90% der Bevölkerung im Valle de Tambo gegen das Bergbauprojekt ausgesprochen. Das Tal ist seit Jahrhunderten eine wichtige Region in der Landwirtschaft. Hier werden Reis, Bohnen und Früchte für die Versorgung von Arequipa, der zweitgrößten Stadt Perus, angebaut. Die Mine würde Unmengen an Wasser verbrauchen, das in dieser Region aber knapp ist. Expert*innen befürchten, dass die Mine durch ihren exzessiven Wasserverbrauch und die unvermeidbare Verschmutzung von Luft und Wasser durch Abgase und Abwasser die Situation weiter verschärfe. „Wir sprechen hier über eine wichtige landwirtschaftliche Zone der Region Arequipa“, erklärte Dr. José de Echave, peruanischer Ökonom und Bergbauexperte. „Die Menschen in Islay wissen, dass Tía María nur das erste von vielen geplanten Projekten ist. Sie befürchten, dass sich ihre Region von einem ausgeprägten Agrargebiet in eine Bergbauzone verwandeln wird.“
Anfang Mai hatte der Präsident Ollanta Humala die Regierung aufgefordert, einen Dialog mit den Menschen in der Region aufzunehmen. Runde Tische wurde eingerichtet, um auch die Gegner*innen des Projektes in den Planungsprozess einzubeziehen. „Die Menschen erwarten, dass dieser Dialog effektiv wird“, hatte Rocío Silva Santisteban von der Organisation Nationale Koordination der Menschenrechte (CNDDHH) noch betont. „Der Staat darf nicht Wachmann der Minengesellschaften sein.” Aber genau diesen Eindruck bekam die Opposition von den Gesprächen.
Ein Monolog statt Dialog seien die Gespräche gewesen, beklagten Bäuerinnen und Bauern und Lokalpolitiker*innen. Die anwesenden Minister seien vor allem Fürsprecher der Interessen von Southern Copper gewesen, sagten sie. Da sei der Umweltminister Manuel Pulgar-Vidal, der erklärte, dass die Mine keinerlei negative Auswirkungen auf den Wasserverbrauch und die Landwirtschaft haben werde. Auch der im April neu ernannte Ministerpräsident Pedro Cateriano machte deutlich: „Wir werden so oft nach Arequipa kommen werden wie nötig, um dieses Projekt voranzutreiben“. Tía María verspreche Investitionen in die Region und wirtschaftliche Entwicklung. „Die Gemeinden können heute entscheiden zwischen dem Weg der Entwicklung oder der Armut“, sagte er im April der Öffentlichkeit.
Angesichts dieser Äußerungen sind die Vorwürfe der Gegenseite nachvollziehbar, die beklagt, dass die Regierung einzig die Interessen der Wirtschaft schütze, nicht der Bevölkerung. Mehr noch, sie kriminalisierten die Proteste. Als Präsident Ollanta Humala Anfang Mai 4000 Soldaten nach Islay schickte, um das Projekt mit militärischem Druck voranzutreiben, rechtfertigten Regierungsvertreter die Entsendung der Armee, indem sie die Demonstrant*innen in den Medien als „Gewalttäter“ und „Antibergbau-Terroristen“ stigmatisierten. Die Tageszeitung El Correo druckte Anfang Mai ein Foto auf seiner Titelseite, das einen Demonstranten mit einer Handwaffe im festen Griff von Polizeikräften zeigte. Bildunterschrift: „So attackieren die Bergbaugegner“ Kurz darauf kursierte über den Videokanal Youtube ein Video, das zeigte, wie Polizisten dem vorher unbewaffneten Demonstranten die Waffe mit Gewalt in die die Hand gedrückt hatten.
Die Bevölkerung ist entsprechend aufgebracht. Ihre Argumente bleiben bisher unerhört. Die Umweltverträglichkeitsstudie EIA, die das Unternehmen Southern Copper dem Bergbauministerium im Vorfeld vorgelegt hat, sei im Schnellverfahren abgesegnet worden, beklagt die Opposition. Das Bergbauministerium hatte im August 2014 das Gutachten über mögliche Umweltauswirkungen für positiv beschieden und grünes Licht für das Projekt gegeben – trotz erheblicher Mängel in der Studie, wie das Büro für Projektdienste der Vereinten Nationen (UNOPS) feststellte, und ohne die regionale Bevölkerung vorher zu konsultieren.
„Es gibt Alternativen zu Tía María“, sagte Jaime de la Cruz, Bürgermeister des Ortes Deán Valdívia und einer der Anführer der Protestbewegung im Tambo-Tal. In der Provinz Islay, in der sich Tía María befindet, gebe es 13.000 Hektar Agrarfläche, mit verbesserter Bewässerung könne es eine Fläche von mehr als 30.000 Hektar sein. Neben Agroexporten seien der Tourismus, die Industrie, kleine und mittelständische Unternehmen und technologische Dienstleistungen Optionen, „wir müssen sie nur ins Blickfeld holen“, forderte de la Cruz. Peru sei ein megadiverses Land, nicht nur ein Land des Bergbaus. „Die wirtschaftliche Strategie, auf Basis des Bergbaus zu wachsen, funktioniert nicht mehr. Indem die Regierung einzig auf den Bergbau fokussiert, verursacht sie eine wachsende Ungleichheit und soziale Konflikte, weniger Arbeitsplätze, hohe Umweltbelastung und viel Korruption.“
Tía María ist letzten Endes vor allem ein politischer Konflikt. Auf welcher Seite steht die peruanische Regierung? Verteidigt sie die Souveränität ihrer Bürger*innen oder die Interessen ausländischer Unternehmen? Werden die Stimmen der Bewohner*innen des Tals ernst genommen oder als Terrorist*innen diffamiert? Entscheidet sich die Regierung für die Demokratie und den Dialog oder nimmt sie den Weg des Autoritarismus und der politischen Verfolgung?
Angesichts der Entwicklung des Konfliktes um Tía Maria scheint es, als ob die Regierung von Präsident Ollanta Humala aus ihren Fehlern wenig gelernt habe. Auch in den Protesten gegen das Goldminenprojekt Conga in der Region Cajamarca gab es Tote, Verletzte und wenig Verständnis für die Forderungen und Interessen der Bevölkerung. Auch damals hatte die Regierung zwischenzeitlich den Notstand ausgerufen und die Demonstrant*innen kriminalisiert, um die Proteste gegen das 4,5-Milliarden-Projekt einzudämmen. Es wäre an der Zeit, die Forderungen der Zivilbevölkerung diesmal ernst zu nehmen. Aber die Regierung fährt ihren Kurs der wirtschaftlichen Entwicklung ohne Rücksicht auf Verluste. Welche Folgen dieser Kurs haben wird, das kann man derzeit nur erahnen.

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