Mexiko | Nummer 380 - Februar 2006

¡La lucha continua, Ramona!

Am 6. Januar verstarb mit Comandanta Ramona eine der wichtigsten Repräsentantinnen des zapatistischen Kampfes um Würde und Gerechtigkeit. Ein Nachruf.

Manuel Burkhardt

„Mir fällt es sehr schwer zu sprechen. Aber was ich sagen kann ist, dass die Welt eine jener Frauen verloren hat, welche neue Welten hervorbringen.“ Mit diesen Worten würdigte Subcomandante Marcos seine Mitstreiterin Comandanta Ramona, als er ihren Tod auf einem Treffen der „Anderen Kampagne“ in Tonalá bekannt gab.
Die Öffentlichkeit lernte die kleingewachsene Tzotil-Indígena erstmals am 20. Februar 1994 kennen. Sie war eine der zwei Frauen der zapatistischen Delegation, die in San Cristóbal Friedensverhandlungen mit der mexikanischen Regierung führte. Einige Tage später erklärte Ramona, die nicht sehr gut spanisch sprach, der Öffentlichkeit ihre Motivation: „Ich beteilige mich am bewaffneten Kampf, nachdem ich verschiedene Erfahrungen machen musste. Ich musste mein Dorf verlassen, um Arbeit zu suchen, aus der einfachen Notwendigkeit, dass wir nichts zum Leben hatten. Als ich in die Stadt kam sah ich, dass die Situation dort anders ist als auf dem Land. Ich merkte, dass es nicht angeht, wie sie uns behandeln, mir wurde bewusst, dass wir Frauen uns organisieren müssen, weil sie uns Indígenas in der Stadt nicht respektieren. Sie missachten uns, wenn wir kommen, um unsere Produkte zu verkaufen. Sie bezahlen uns nicht angemessen. Wir müssen unsere Ware beinahe verschenken. In der Stadt können wir uns nicht allein bewegen, als Indígena-Frauen werden wir verachtet und vergessen.“ Sehr schnell wurde Comandanta Ramona zu einer der Symbolfiguren der Solidaritätsbewegung: Die bescheidene Stickerin mit dem unbekannten Gesicht verwandelte sich in die bewunderte und zähe Rebellin. Ihr Bild und ihr Name wurden zu Synonymen des Kampfes für die Befreiung der Frau und für die indigene Selbstbestimmung.
1993 beteiligte sich Ramona entscheidend an den „Revolutionären Frauengesetzen“ der EZLN. Bei der Vorbereitung der Besetzung San Cristóbals in der Silvesternacht 1993 kam Ramona eine Schlüsselrolle zu. Sie war für die Mobilisierung der Tzotil-Region verantwortlich, die bezüglich der Gleichberechtigung der Frauen als rückständigste Region galt. Wider alle Konventionen gelang es Ramona, die comunidades zu organisieren und Frauenkomitees zu gründen. Obwohl Marcos im August 1994 Ramonas schwere Krankheit bekannt gab, trat sie immer wieder mit Videobotschaften an die Öffentlichkeit. Als im Oktober 1996 die Verhandlungen von San Andrés zwischen der EZLN und der Regierung ihren kritischen Höhepunkt erreicht hatten, war es Ramona, die auf die gefährliche Mission nach Mexiko Stadt geschickt wurde. Dort nahm sie an der Gründung des Indigenen Nationalkongresses (CNI) teil und führte die Demonstration auf dem Zócalo an, der sich Hunderttausende anschlossen. Wenige Tage später musste sie sich auf Grund ihres akuten Nierenkrebses einer komplizierten Organtransplantation unterziehen. Bis zu ihrer Teilnahme an der ersten Vollversammlung der „Anderen Kampagne“ der EZLN im Herbst 2005 war es um Ramona stiller geworden. Auf dem Treffen in Tonalá erzählte Marcos, Ramona habe ihm beim Aufbruch zur „Anderen Kampagne“ eine Stickerei geschenkt, an der sie in der Zeit nach ihrer Operation gearbeitet hatte: „Sie sagte, sie hoffe, die Kampagne würde zu so etwas werden wie diese Stickerei. Das ist es, wofür wir sorgen müssen.“ Adelante.

Ähnliche Themen

Newsletter abonnieren