Literatur | Nummer 284 - Februar 1998

Landkämpfe in Mexiko – eine lange Geschichte

Akteure, Organisationen, Hintergründe

Schon vor acht Jahren wurde eine Studie über die Geschichte der sozialen Kämpfe auf dem mexikanischen Lande veröffentlicht. Allen, die detailliert über die historischen Wurzeln der heutigen Konflikte in den Bundesstaaten Chiapas, Morelos, Guerrero und Oaxaca informiert werden wollen,
ist sie zu empfehlen.

Dirk Pesara

Vier Jahre sind seit Beginn des Zapatistischen Aufstands vergangen. Die zahlreichen zu dieser Thematik verfaßten Publikationen ranken sich hauptsächlich um die führenden Köpfe der EZLN, die herrschende Repression und die Forderungen der Indígenas. Daß der Kampf für ethnische Gleichberechtigung und ein Leben in Würde zum zentralen Gegenstand der Aufmerksamkeit geworden ist, verwundert kaum. Schließlich stand mit dem Thema Indigene Rechte und Kultur bei den Verhandlungen zwischen EZLN und Regierung eine Problematik auf der Tagesordnung ganz oben, die auf den spezifischen Charakter der Zapatistas verweist: die EZLN als Vertreterin verschiedener indigener Ethnien in und außerhalb von Chiapas.
Doch nicht alle linksoppositionellen Menschen Mexikos sind Indígenas. Und keineswegs kann davon gesprochen werden, daß die EZLN überall dort, wo es zu explosiven Landkämpfen kommt, über eine nennenswerte Basis verfügt. Vielmehr hat das Auftauchen weiterer Guerillas, deren größte die seit 1996 aktive Revolutionäre Volksarmee EPR ist, Unterschiedlichkeiten in der Beurteilung und Durchführung einer „Sozialen Befreiung“ deutlich gemacht.
Mit der 1990 publizierten Studie „Unabhängige Campesinobewegungen in Mexiko 1920-1988“ gelang Gabriele Reitmeier eine lesenswerte Arbeit, die wesentliche Hintergründe der Radikalisierung auf dem Lande beleuchtet. Obwohl vier Jahre vor Beginn der bewaffneten Erhebung in Chiapas geschrieben, ist die Dissertation keineswegs veraltet. Vielmehr liefert Gabriele Reitmeier eine intensive Aufarbeitung der mexikanischen LandarbeiterInnenbewegung und ihrer Organisationsstrukturen seit der Mexikanischen Revolution.
Auf über 700 Seiten werden wesentliche Merkmale des Caudillistischen Modells unter den „Sonorensern“, einer aus dem mexikanischen Bundesstaat Sonora stammenden Politikerclique (1920-1934) dargestellt, darüberhinaus die Unabhängigen Campesinobewegungen unter der Regierung Lázaro Cárdenas 1934-1940, die gewerkschaftliche Krise 1940-1970, die Radikalisierung unter Präsident Luis Echevarría 1970-1976 und die verschärfte Repression unter José López Portillo und Miguel de la Madrid 1976-1988 geschildert. Ergänzendes Kartenwerk und Auflistungen der zahlreichen, zum Teil nur regional vorkommenden Gewerkschaften, Organisationen oder Bündnisse machen das Buch darüber hinaus zu einem wichtigen Nachschlagewerk.

Gabriele Reitmeier: Unabhängige Campesinobewegungen in Mexiko 1920-1988, Verlag für Entwicklungspolitik, Saarbrücken 1990, 69,- DM (ca. 35 Euro).

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