Literatur | Nummer 415 - Januar 2009

Lateinamerikanisches Poesiefeuerwerk

Die WortkünstlerInnen der diesjährigen Latinale verzauberten ihr Publikum

José V. Sández

Festivals wie in Lateinamerika, gibt es auch in anderen Teilen der Welt – aber es gibt da diesen lateinamerikanischen Zauber, der ein Feuer entfacht. Die Farben brennen, die Stirn glänzt, die Augen sehen hinter das feierliche Ambiente: Kälte und Schnee Berlins schienen durch das Wirken der PoetInnen aus Übersee geschmolzen zu sein.
Die Latinale 2008, die dritte Ausgabe des lateinamerikanischen Poesiefestivals, vereinte erneut PoetInnen aus verschiedenen Ländern Lateinamerikas auf deutschem Boden. Sie ermöglichte ihrer Dichtkunst, uns einzuhüllen und in andere Sphären zu entführen – so, wie es eben nur die Poesie vermag. Das exzellente Team von Rike Bolte und Timo Berger war verantwortlich für diese bereichernde Reise nach Lateinamerika.
Einige Stimmen hinterließen einen ganz besonderen Eindruck. Die Mexikanerin Minerva Reynosa besitzt Stimme und Kraft ohne Grenzen; aus ihrem Gedicht UFO strahlt ein direktes Licht. Die Poetin benutzt in ihrem Werk Masken, die nicht verdecken, sondern eine neue Sprache offenbaren. Genau dadurch hinterlassen ihre Gedichte einen Nachgeschmack, eine Bewegung der Seele bei den HörerInnen. Spannung liegt in der Luft, wenn Montserrat Álvarez (Spanien/Paraguay) ihre Worte in den Raum schleudert. Die edle und präzise Wahl ihrer Formulierungen, ein Aufatmen, das Zurechtrücken des Pullovers, die Mütze – und wieder fällt ein Wort, fliegt und verhallt, als zupfe sie an einer Saite. Ihre Poesie vibriert und versetzt den HörerInnen innerlich in Bewegung. Auch Rafael Muñoz Zayas aus Panama ist die personifizierte Poesie. Er transportiert uns mit seinen ausgewählten Texten durch die Welt, mit Hilfe von Personen, Situationen und dem Leben selbst, mit klarer Stimme, dem nötigen Schweigen und – warum nicht? – dem Lachen. Dieser Poet offeriert mit seinen Versen eine Vision wie ein magisches Kaleidoskop für die vielen Augen der LeserInnen. Ohne „das Ganze“ aus den Augen zu verlieren, zeigt er uns ein Zentrum: visuelle Poesie, Realität, vor der man ein Paar Augen verschließen muss, um von den Versen nicht zu erblinden. Diese Welt und diese Verschwiegenheit. Luis Felipe Fabre aus Mexiko begegnet der Situation der sogenannten Dritten Welt gleichzeitig mit Koketterie und Spott. Seine Gedichte handeln von Wüste, Essen, Politik, der sozialen Tiefe eines sich im Taumel drehenden Landes, einem Volk, das sich nicht unterwerfen lässt. Mit seinem frischen Rhythmus bietet er Bilder, Legenden und corridos eines neuen Mexikos. Der aus Peru stammende Domingo de Ramos ist ein Rockstar der andinen Poesie. Er kennt das Mark seiner Texte wie ein Kind seine Kartensammlung. Mit erprobter und funktionaler Intonation präsentiert er sein Werk, welches auf dem unerschöpflichen Fundus der Legenden, Geschichten und Epochen Perus basiert und so reichhaltig ist wie dessen Täler und Gipfel der Anden. Die Worte des jungen venezolanischen Schriftstellers Eduardo Mariño schließlich kleiden sich in die Demut einer zittrigen Stimme, um sich gleich darauf in die aufrechte und sichere Haltung Evaristo Jiménez zu verwandeln. Das Alter-Ego in seinen Gedichten erteilt Lehren über die Kunst des Lebens. Mariño schreibt außerhalb des sterilen revolutionären Diskurses und trotzdem implizieren seine Verse den Beginn eines Kampfes, in dem man die Truppen kommen hört, die in Unheil beschwörendem Rhythmus marschieren.
Die Latinale 2008 – ein wandernder, mobiler Event – schaffte es erneut, würdige RepräsentantInnen der neuen lateinamerikanischen Literatur nach Deutschland zu bringen. Die literarischen Kostproben erreichten das Publikum wie ein Kaleidoskop der Stimmen und bereicherten die ZuhörerInnen auf dem Weg zum Verständnis der aktuellen Situation des Kontinents und seiner Realität.
// José V. Sández
// Übersetzung: Barbara Buxbaum

www.pepe-vazquez.blogspot.com


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