Literatur | Nummer 600 - Juni 2024

Lyrik aus Lateinamerika

Ein Gedicht von Óscar Perdomo Ceballos

Von Óscar Perdomo (Übersetzung: Amaya Gallegos Eytel)
Illustration: Joan Farías Luan (www.cuadernoimaginario.cl)

O-Liong

O-Liong-Té, amo tus raíces y tus membranas,
tus promesas que nacen del vapor.
O-Liong que cada mañana incendias mis nervios,
Te refugias en la porcelana:
tu mensaje en infusión sobre el amor maternal
y tu olor a leche tibia,
son emisarios de las plantas en el país del cariño.
Los pueblos que te arrancan odian los lácteos,
tus hojas conservan la sequedad de sus desiertos
tu humedad el aire de sus puertos
Cantón, Shanghai, Nantong,
insertados en las costas, como perlas
te sirven de ataúd y de cuna
en los empaques de plástico que te son pañal y mortaja.

O-Liong-Te, eres un gran emperador Té,
O-Liong-Te que abraza, que abrasa,
tus hojas se ensanchan en el agua tibia,
Tu aroma sólo se entrega en el calor, se desprende en partituras
que cantan, que susurran tu nombre en burbujas,
como un mantra a la historia vegetal,
un antídoto a los sinsabores de la mañana
a las dudas que fermentan mis noches,
eres mis ganas de tenerte, de olerte, de lamerte
con la entrega con que uno lamería una hoja,
Tus escamas, bajo la amenaza de quemar la lengua.

O-Liong-Te, haces tu entrada triunfal montado en el vapor
deslizándote, integrándote, en la tetera,
tu casita temporal en la que te refugias,
inexpugnable, sobre el lecho de los tés.

Óscar Perdomo, geboren in La Plata, Kolumbien (1991), ist Schriftsteller, Dichter und Historiker. Zurzeit promoviert er zur Geschichte des Hochmittelalters an der Freien Universität Berlin. 2014 erschien sein erster Roman El dios de los herejes („Der Gott der Ketzer“). 2015 veröffentlichte das Kolumbianische Institut für Anthropologie und Geschichte seine Masterarbeit Las señoras de los indios („Die Frauen der indios”).

O-Liong

O-Liong-Tee, ich liebe deine Wurzeln und Membranen,
deine dampfgeborenen Versprechen.
O-Liong, der du morgendlich meine Nerven in Flammen setzt,
Du suchst Zuflucht im Porzellan:
deine aufgegossene Botschaft über Mutterliebe
und dein Geruch nach lauwarmer Milch
sind Abgesandte der Pflanzen aus dem Land der Zärtlichkeit.
Die Völker, die dich pflücken, hassen Milchprodukte,
deine Blätter bewahren die Trockenheit ihrer Wüsten
deine Feuchtigkeit die Luft ihrer Häfen
Guangzhou, Shanghai, Nantong,
eingewachsen in die Küsten wie Perlen
dienen sie dir als Sarg und Wiege
in den Plastikverpackungen, die für dich Windel und Leichentuch sind.

O-Liong-Tee, du bist ein großer Kaiser-Tee,
der umarmt und verbrüht
deine Blätter breiten sich im lauwarmen Wasser aus
dein Duft entfaltet sich nur in der Hitze, er verströmt sich in Partituren,
die singen und deinen Namen in Bläschen flüstern
wie ein Mantra an die Pflanzengeschichte
ein Gegengift für die morgendlichen Widrigkeiten
für die Zweifel, die meine Nächte zum Gären bringen,
du bist meine Lust, dich zu besitzen, zu riechen, zu lecken
mit der Hingabe, mit der man ein Blatt ablecken würde,
deine Schuppen, angesichts der Gefahr, sich die Zunge zu verbrennen.

O-Liong-Tee, dampfberitten hältst du deinen triumphalen Einzug,
während du in die Teekanne hineingleitest, dich in sie fügst,
dein vorübergehendes Häuschen, in dem du Zuflucht suchst,
unbezwingbar auf dem Bett der Tees.

Amaya Gallegos Eytel ist Übersetzerin aus dem Spanischen ins Deutsche. Sie studierte Neuere Deutsche Literatur an der Freien Universität Berlin sowie Philosophie und Germanistik an der Friedrich-Schiller-Universität Jena und an der Universität Kopenhagen. Seit 2018 ist sie Redaktionsmitglied der Zeitschrift alba.lateinamerika lesen. Von 2023 bis 2024 arbeitete sie im Haus der Kulturen der Welt in Berlin.


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