Maduro nicht aufzuhalten
Venezuelas De-facto-Präsident beginnt seine neue Amtszeit international isoliert und mit Vorschlägen zur Verfassungsänderung

Nach der höchst umstrittenen Wahl im Juli 2024 wurde Nicolás Maduro am 10. Januar erneut als venezolanischer Präsident vereidigt. Die venezolanische Opposition konnte die Vereidigung durch landesweite Proteste und internationalen Druck nicht verhindern. Wie Maduro seine dritte Amtszeit gestalten will und warum linke oppositionelle Strömungen keinen nennenswerten politisch Einfluss haben, erklärt dieser Bericht.
Es ist eine klare Niederlage für die rechte Opposition. Unter scharfen Sicherheitsvorkehrungen ließ sich Nicolás Maduro am 10. Januar erneut als venezolanischer Präsident vereidigen. Seine dritte Amtszeit verdanke er nicht „der US-Regierung oder den pro-imperialistischen Regierungen der lateinamerikanischen Rechten“, sondern „der einfachen Bevölkerung“, betonte Maduro in seiner Antrittsrede.
Die tatsächlichen Umstände der Vereidigung sind allerdings weniger eindeutig. Die Präsidentschaftswahl vom 28. Juli vergangenen Jahres war hochumstritten. Laut offiziellen Angaben hatte Maduro 51,2 Prozent der Stimmen erreicht. Die rechte Opposition hingegen, die ihre Wunschkandidatin María Corina Machado nicht aufstellen durfte, sah deren Ersatz Edmundo González mit knapp 70 Prozent vorne (siehe LN 603/604). Da der Nationale Wahlrat (CNE) anders als gesetzlich vorgeschrieben keine detaillierten Ergebnisse veröffentlichte, sind die Zahlen nicht unabhängig nachprüfbar. Hätte Maduro bei der Wahl tatsächlich triumphiert, hätte er der Öffentlichkeit wohl Belege dafür präsentiert und die Opposition dadurch bloßstellen können.
Weithin wird der venezolanische Präsident nun als De-facto-Staatschef betrachtet. Die USA, Kanada, die Europäische Union (EU) sowie Großbritannien verhängten im Anschluss an die Vereidigung neue Sanktionen gegen eine Reihe venezolanischer Funktionäre. Zudem erhöhten die USA das bereits 2020 ausgelobte Kopfgeld zur Ergreifung Maduros von 15 auf 25 Millionen US-Dollar. Die gleiche Summe gibt es für Innenminister Diosdado Cabello, der als sicherheitspolitischer Hardliner und Nummer Zwei des regierenden Chavismus gilt. Abgesehen von den Staatschefs Kubas und Nicaraguas, Miguel Díaz Canel und Daniel Ortega, waren kaum hochrangige Politiker*innen bei der Vereidigung anwesend. Nicht nur westliche Länder sowie rechts regierte Staaten Lateinamerikas blieben fern. Auch die Mitte-links-Regierungen aus Guatemala und Chile erteilten eine Absage. Gleiches gilt für die Präsidenten der eigentlich verbündeten Länder Kolumbien und Brasilien, Gustavo Petro und Luiz Inácio „Lula“ da Silva. Beide hatten sich in den vergangenen Monaten für die Veröffentlichung der Wahlergebnisse, aber auch ein Ende der US-Sanktionen stark gemacht. Die venezolanische Regierung wies die Forderungen nach Transparenz als Einmischung in innere Angelegenheiten zurück. Als wichtigste internationale Verbündete außerhalb Lateinamerikas bleiben Maduro Russland, China, Iran und die Türkei erhalten.
Maduro geht in die Offensive
Die Oppositionsführerin Machado meldete sich am Nachmittag der Amtseinführung mit einer Videobotschaft zu Wort und warf Maduro vor, einen Staatsstreich vollzogen zu haben. Am Vortag hatte sie sich im Rahmen landesweiter Proteste nach mehreren Monaten erstmals wieder in der Öffentlichkeit gezeigt. Im Anschluss war sie nach eigenen Angaben kurzzeitig festgenommen worden, die Regierung wirft ihr eine Inszenierung vor. Nachdem die rechte Opposition seit Monaten die Erwartungshaltung aufgebaut hatte, Edmundo González werde sich am 10. Januar in Venezuela als Präsident vereidigen lassen, ruderte Machado nun zurück. Er werde erst einreisen, „wenn die Konditionen dafür gegeben sind“. Bis dahin seien internationaler Druck und Proteste innerhalb des Landes nötig. Die Regierung hatte mehrfach betont, Edmundo González bei einer möglichen Rückkehr umgehend verhaften zu lassen. Eigentlich seit September im spanischen Exil, befand sich der Oppositionspolitiker Anfang Januar auf einer Rundreise durch die Region. Empfangen hatten ihn unter anderem die Präsidenten Argentiniens, Uruguays, Panamas sowie der scheidende US-Präsident Joe Biden. González selbst veröffentlichte von der Dominikanischen Republik aus ein Video und bestätigte Machados Angaben. Als „gewählter Präsident“ rief er das Militär einmal mehr dazu auf, dem „illegitimen Regime“ die Anerkennung zu verweigern.
Auch linke Opposition Communes spricht von “De-Facto-Regierung”
Dass diese Rufe bislang ungehört verhallten und ein breiter Aufstand verschiedener Gesellschaftsschichten unrealistisch erscheint, hat Gründe. Ein Grundproblem besteht darin, dass im Vorfeld der Wahl keine Garantien ausgehandelt wurden. Im Falle eines Machtwechsels hätten der venezolanische Präsident und sein Umfeld, darunter auch die Militärführung, Repression und juristische Verfolgung zu befürchten. Da sich westliche Akteur*innen immer schon auf die Seite der rechten Opposition geschlagen haben, auch wenn diese selbst undemokratische Manöver anwendete, hält die Kernanhängerschaft Maduros ihm zudem trotz des offensichtlichen Wahlbetrugs die Stange. Zwar ist jenseits von Überbleibseln eines sozialistischen Diskurses schon lange kein linkes Regierungsprojekt mehr erkennbar. Unter dem Eindruck der US-Sanktionen setzt die Regierung bereits seit Jahren auf eine intransparente Privatisierungspolitik. Doch innerhalb der ärmeren Bevölkerung versprechen sich viele nichts von Machado und Co., auch wenn sie von Maduro enttäuscht sein mögen und dieses Mal zum Teil sogar für die Opposition gestimmt haben.
Nicht zuletzt geht die Regierung seit Monaten verschärft gegen Kritiker*innen vor. Bei Protesten gegen den mutmaßlichen Wahlbetrug waren in den Tagen unmittelbar nach der Wahl etwa 2.000 Personen verhaftet worden, von denen ein Großteil laut unabhängigen Beobachter*innen noch immer in Haft sitzt. Auch werden regelmäßig selektiv prominente Persönlichkeiten und vermeintliche Söldner festgenommen. Allein in der Woche vor der Amtseinführung traf es unter anderem den Schwiegersohn von Edmundo González, Rafael Tudares, den Direktor der regierungskritischen Nichtregierungsorganisation Espacio Público, Carlos Correa, und Ex-Präsidentschaftskandidat Enrique Márquez. Offizielle Informationen über den Verbleib der Festgenommenen gab es zunächst nicht, Correa wurde nach einer Woche wieder freigelassen.
Für Maduros dritte Amtszeit zeichnet sich außenpolitisch also eine weitere Isolierung sowie verstärkte Hinwendung zu autoritären Regimen ab. Innenpolitisch deutet alles auf eine repressive Linie gegen Regierungskritiker*innen und eine Vertiefung der Privatisierungspolitik hin. Ende November beschloss das Parlament, dass die Propagierung von Sanktionen gegen Venezuela künftig mit bis zu 30 Jahren Gefängnis und praktisch lebenslangen Antrittsverboten geahndet wird. Eine derzeit diskutierte Reform der Wahlgesetze läuft laut vorliegenden Informationen darauf hinaus, dass an den für dieses Jahr vorgesehenen Parlaments, Regional- und Kommunalwahlen keine Kandidat*innen teilnehmen dürften, die das Ergebnis der Präsidentschaftswahl anzweifeln. Dies könnte den Großteil der rechten Opposition sowie linke Regierungskritiker*innen treffen und Maduro wieder sichere Mehrheiten garantieren. Übrig bliebe nur eine moderate Opposition, die der Regierung kaum gefährlich werden kann und in vielen Fällen selbst Regierungspositionen vertritt. Die regierungskritische Linke hat seit der staatlichen Intervention in die Parteistrukturen der Kommunistischen Partei Venezuelas (PCV) im vergangenen Jahr keine legale Möglichkeit mehr, eigene Kandidaturen aufzustellen. Verschiedene Gruppen versuchen sich seit der Wahl teilweise in neuen Bündnissen zu formieren, sind insgesamt derzeit aber zu schwach, um kurzfristig nennenswerten politisch Einfluss zu nehmen. Im Dezember 2024 gründete sich etwa die neue linke Strömung Comunes. Diese positioniert sich sowohl gegen die Maduro-Regierung als auch die rechte Opposition und will Kämpfe von unten unterstützen. Comunes geht aus der „Anderen Kampagne“ (Otra Campaña) hervor, die regierungskritische Chavist*innen im Vorfeld der Präsidentschaftswahl ins Leben gerufen hatten. In einem Kommuniqué nach der Amtseinführung spricht auch Comunes in Bezug auf Maduro von einer „De-Facto-Regierung“ und ruft zu linker Mobilisierung auf, „um unsere Rechte einzufordern, die Demokratie zu verteidigen und soziale Gerechtigkeit zu schaffen“.
Maduro geht seinerseits in die Offensive. Wenige Tage nach der Vereidigung unterzeichnete er ein Dekret für eine Verfassungsreform, die eine „neue Demokratie“ etablieren soll. Eine kleine Kommission mit Vertrauten soll unter dem Vorsitz des Generalstaatsanwaltes Tarek William Saab Vorschläge ausarbeiten. Statt einer demokratischen Überwindung des bürgerlichen Staats droht unter den gegebenen Umständen eine Simulation partizipativer Verfahren. Regierungsgegner*innen müssen sich nun schnell entscheiden, ob sie an den anstehenden Wahlen teilnehmen und wie sie sich programmatisch und strategisch neu aufstellen sollen. Ein ernsthafter Dialog zumindest ist kurzfristig unwahrscheinlich.
Der rechten Opposition bleibt vorerst nur die Hoffnung auf internationalen Druck, der sie dem Präsidentenpalast in der Vergangenheit jedoch kein Stück nähergebracht hat. Der inzwischen ehemalige US-Außenminister Antony Blinken erklärte unmittelbar nach Maduros Amtseinführung, die USA stünden „bereit, um die Rückkehr zur Demokratie in Venezuela zu unterstützen“. Bedeutender wird allerdings die Frage sein, wie sich die neue US-Regierung unter Donald Trump verhält. Während seiner ersten Amtszeit (2017 bis 2021) hatte dieser erfolglos versucht, Maduro mit einer Strategie des „maximalen Drucks“ zu stürzen. Erste Personalentscheidungen deuten auf einen neuerlichen Konfrontationskurs hin. Mit Außenminister Marco Rubio, der aus einer exilkubanischen Familie stammt, gelangt ein absoluter Hardliner gegenüber den Regierungen Kubas, Nicaraguas und Venezuelas an die Spitze des State Department. Andererseits könnte Trump angesichts der weltpolitischen Lage durchaus daran gelegen sein, die Erdöllieferungen aus Venezuela zu steigern. Daneben besteht ein Hauptinteresse der USA darin, die Migration einzuschränken und venezolanische Migrant*innen nach Venezuela abzuschieben. Daher sehen Beobachter*innen auch das Potenzial für einen von Trumps berüchtigten „Deals“.
Maduros Regierung möchte das Kapitel Präsidentschaftswahl schließen und zur Tagesordnung übergehen. Doch auch wenn der De-facto-Präsident derzeit fest im Sattel zu sitzen scheint, wird die fehlende demokratische Legitimierung langfristig kaum zu einer stabilen Regierungszeit beitragen.