„Mehr Räume wie diesen erobern“
Interview mit Maigualida Pérez vom alternativen Fernsehsender Calipso TV
Hing die Gründung von Calipso TV mit dem neuen Mediengesetz von 1999 zusammen?
Ja, unser Fernsehsender entstand nach der Verabschiedung der neuen Verfassung, in der Bestimmungen zu alternativen und kommunitären Medien in verschiedenen Artikeln verankert wurden. Wesentlich ist Artikel 5. Dieser legt fest, dass die Souveränität vom Volk ausgeht. Der eindeutigste ist Artikel 108, der bestimmt, dass Medien zur Bildung der Bürger beitragen sollen und ein weiterer Artikel legt die Grundlage für Basismedien sowie für eine offene und freie Kommunikation.
Mit welchem Ziel wurde Calipso TV gegründet?
TV Calipso wurde nach dem bekannten Staatsstreich vom 11. April 2002 gegründet. Nach diesem Medienangriff organisierten sich die Leute, weil ihnen klar war, dass ein Bruch mit dieser Medienkanaille notwendig ist. Außerdem war die Meinung weit verbreitet, dass es im bolivarischen Staat ein alternatives und kommunitäres Fernsehen geben muss. Es ist wichtig, dass die Leute aus den Gemeinden selbst den Informationsfluss gestalten können, dass sie Zugang zu präziser und stetiger Kommunikation haben. Calipso ist also eine Errungenschaft aller Venezolaner und der vielen Leute, die 2002 mit diesem Kampf begonnen haben.
Welchen Auftrag hat Calipso TV?
Unser vorrangiges Ziel ist es, nicht zu wiederholen, was wir immer kritisiert haben, nämlich das, was die privaten Fernsehsender machen. Denn sie repräsentieren sehr partikulare Interessen oder die ihrer Familien. Die ganze Arbeit von Calipso wird deswegen kollektiv durchgeführt, das heißt der Kanal gehört dem Volk und keiner einzelnen Person. Calipso soll letztendlich ein an der Basis orientiertes, kommunitäres Medium sein.
Was für eine Beziehung hat Calipso TV zu den Gemeinden von Ciudad Guayana?
Die Gemeinden werden in die Arbeit einbezogen. Zum einen wird die Basis in den Gemeinden durch Calipso organisiert und zum anderen beteiligt sie sich an Calipso. Die Leute engagieren sich, wenn es eine Problematik gibt, die sie berührt. Da wir gerade größer werden, wollen wir stärker mit den Gemeinden kooperieren, damit wir gemeinsam wachsen können. Und auch damit die Gemeinden lernen, selbst mit der technischen Ausrüstung umzugehen. Wir haben eine Schule, in der alle ausgebildet werden, die mit der Kamera arbeiten oder am Drehbuch, an der Produktion mitwirken, an der ganzen Reihe von Arbeiten eben, die beim Fernsehen anfallen.
Wie funktioniert die tägliche Berichterstattung?
Wir machen ein Programm, das wir permanent füllen müssen. Ein Team geht zusammen mit Kollektiven aus einzelnen Gemeinden auf die Straße, zu verschiedenen Organisationen und Bewegungen, um zu erfahren, was gerade in der Stadt geschieht. Oder was sich in der Kultur, der Bildung oder im Sport tut, zum Beispiel interessieren uns neue Sporttechniken, die die Jugendlichen entwickeln. Wir beobachten auch, wie sich der Sozialistische Plan von Guayana entwickelt. Das ist ein Programm, das Präsident Chávez vor zwei Jahren startete und das noch in der Entwicklungsphase ist.
Habt ihr Verbindungen zu anderen Kollektiven?
Natürlich! Wie versuchen uns jetzt auf nationaler Ebene besser zu organisieren. Nächste Woche haben wir ein nationales Treffen, um über unsere Fortschritte, Stärken und Schwierigkeiten zu diskutieren, damit wir als alternatives Medium weiter wachsen können. Wir arbeiten mit vielen verschiedenen Kollektiven, einem Netzwerk von Gemeinden, sozialen Basisorganisationen, Arbeitern und Gewerkschaften zusammen. Auch mit den Gemeinderäten kooperieren wir und wir sind über den Bundesrat mit der nationalen Regierung vernetzt. Wir arbeiten aber auch mit der Landbevölkerung zusammen, mit den landwirtschaftlichen Produzenten. Beispielsweise beraten wir jetzt eine Gruppe von Kollegen, die sich der Entwicklung im Ernährungsbereich widmet.
Würdest du sagen, dass euer Sender politisch ist?
Schau, wir sind Menschen und als solche sind wir zutiefst politisch. Unser Sender fühlt sich dem Prozess, in dem sich unser Land gerade befindet, verpflichtet. Weil es eben dieser Prozess ist, der uns zum Leben erweckt hat, durch den wir die Möglichkeit bekommen haben, uns zu entfalten, sichtbar zu machen, was lange unsichtbar war und was andere, private Medien noch immer nicht sichtbar machen. Ja, unser Sender ist auf einer politischen Linie mit der Regierung. Warum? Weil wir eine Regierung haben, die uns Möglichkeiten gegeben hat, die es in der Geschichte des Landes noch nie gegeben hat. Man muss das anerkennen. Es nicht anzuerkennen wäre sehr ignorant in Anbetracht all der Bemühungen dieser Regierung, uns die Möglichkeit zu geben, uns zu organisieren und uns zu beteiligen.
Mit welchen Schwierigkeiten hattet ihr bei eurer Arbeit zu kämpfen?
Der Kampf war sehr hart. Manche Regierungsbeamte wollten diesen neuen Raum für sich selbst beanspruchen. Aber wir haben friedlich gekämpft, und wir haben diese Schwierigkeiten überwunden. Außerdem organisieren wir uns auf nationaler Ebene, um diese Angriffe zu verhindern. Wir leben immer noch in einem kapitalistischen, ausbeuterischen Staat und wir haben ein anderes Konzept vom Leben als dieser räuberische Kapitalismus. Ein weiteres Problem sind für uns die Kosten. Ohne Zweifel kostet ein Fernsehsender sehr viel, aber verschiedene Organisationen, wie beispielsweise die CONATEL (Nationale Komission für Telekommunikation, Anm. d. Red.), haben uns bei der Finanzierung geholfen.
Welche Zukunftsperspektive hat Euer Kollektiv?
Wichtig ist, dass dieser Sender eine Errungenschaft für die Gesellschaft ist. Dieser Raum ist ein befreiter Raum – ein Raum des Volkes, in dem es sich beteiligen kann und wir wollen auf keinen Fall, dass unser Sender die Grundidee, für die er geschaffen wurde, aus den Augen verliert. Wir bemühen uns darum, dass sich nach und nach ein freies und kollektives Bewusstsein entwickelt, damit wir die Fehler nicht wiederholen, die wir immer kritisiert haben. Es ist wichtig, dass wir diesen Raum besitzen, und es ist wichtig, dass wir mehr Räume wie diesen erobern. Momentan versuchen wir, uns auf nationaler Ebene noch besser zu organisieren, damit alle diese kollektiven und alternativen Sender wie Calipso gemeinsam wachsen können.
Infokasten:
Maigualida Pérez
ist Direktorin von Calipso TV, außerdem Anwältin und Präsidentin der Kommunitären Stiftung Churum Meru. Zu den Programminhalten von Calipso TV zählen Themen wie Bildung, die Gemeinde und „Beiträge zur Verbreitung der Errungenschaften der Revolution“.
http://calipsotve.blogspot.de/
twitter: @tvcalipso.
http://www.youtube.com/user/calipsotve