Meine Mine, Deine Mine
Der Konflikt um eine Kupfermine zeigt die Probleme um chilenische Rohstoffe und das Bestreben, diese zu verstaatlichen
Vom Auto bis zum MP3-Player, überall wo elektronische Bauteile verwendet werden, wird Kupfer gebraucht. Die Nachfrage nach dem rötlichen Metall steigt seit Jahren, was auch die Preise, zu denen es aufgekauft wird, in die Höhe treibt. Und zumindest in näherer Zukunft scheint es so, als ob sich mit Kupfer weiter Geld verdienen lasse. Dem Vorstandsvorsitzenden des staatlichen chilenischen Kupferkonzerns Codelco, Diego Hernández, nach ist der Hauptgrund dafür das rohstoffhungrige China, das 38 Prozent des jährlich produzierten Kupfers verbraucht. Und die chinesische Wirtschaft scheint trotz der in den Staaten des Nordens um sich greifenden Akkumulationskrise ungebremst weiter zu wachsen. Rosige Aussichten also für die Kupferproduzenten.
Rosige Aussichten auch für den chilenischen Staat, könnte man meinen, befinden sich doch gut 30 Prozent der weltweiten Kupferreserven auf chilenischem Territorium. Doch so einfach ist die Angelegenheit nicht. Laut dem Komitee für die Verteidigung und Rückgewinnung des Kupfers lag der Anteil an der privaten Kupferforderung in Chile im Jahr 2007 bei 72 Prozent, im Vergleich zu 15 Prozent im Jahr 1990. Wurden also 1990 noch gut 85 Prozent des Kupfers vom Staatsunternehmen Codelco gefördert, ist dieser Anteil nach 20 Regierungsjahren des Parteienbündnisses Concertación auf 28 Prozent geschrumpft. Die Gewinne nach Steuern der privatwirtschaftlichen Unternehmen werden sich nach der Zeitung el ciudadano allein im Jahr 2011 auf 34,6 Milliarden US-Dollar belaufen – dies entspräche 79 Prozent des gesamten chilenischen Staatshaushaltes. Angesichts dieser Zahlen ist es verlockend, die Verstaatlichung der Kupferförderung zu fordern, ließe sich doch mit diesem Geld viel bewegen. Nicht umsonst ist eine der Forderungen der Studierendenbewegung eben diese Verstaatlichung, um ihre Forderung nach kostenloser öffentlicher Bildung finanzieren zu können.
Doch eine Verstaatlichung ist schwieriger, als es sich viele Chilen_innen vorstellen. Nicht nur fehlt im Moment ein starker politischer Akteur, der diese Maßnahme durchsetzen wollte und könnte – die Concertación hat eindrucksvoll unter Beweis gestellt, dass sie dem neoliberalen Modell nicht weniger verschrieben ist als die parlamentarische Rechte. Es scheint schon schwierig, geltendes Recht für die Privatunternehmen durchzusetzen und beispielsweise Steuerbetrug entgegenzuwirken. Hinzu kommt, dass es durch die engen Verquickungen von Personal aus privaten Unternehmen mit Codelco am Ende oft zu Nachteilen für das Staatsunternehmen kommt.
Aktuelles Beispiel hierfür ist der Fall um die in der Nähe von Santiago gelegene Kupfermine La Disputada de las Condes, die im Moment noch dem britisch-südafrikanischen Konzern Anglo American gehört, die allerdings verkauft werden soll.
Die Mine war 1971 im Zuge der Verstaatlichungspolitik des damaligen Präsidenten Salvador Allende von der Staatsfirma Enami, die nach der Fusion aller verstaatlichten Minengesellschaften in Codelco aufgegangen ist, aufgekauft worden. 1979 wurde sie dann an Exxon verkauft. „Exxon hat diese Mine für 24 Jahre ausgebeutet und immer Verluste verzeichnet und dementsprechend nicht einen Peso an Steuern gezahlt. Dann wurde diese Gesellschaft, die immer nur Verluste gemacht hat, 2003 für 1,3 Milliarden US-Dollar an Anglo American verkauft, hat aber außerdem wegen akkumulierter Steuerverluste noch 700 Millionen US-Dollar aus der Staatskasse erhalten“, erklärt der auf Bergbau spezialisierte Ökonom Julián Alcayaga.
Diese Form von Steuerhinterziehung ist gang und gäbe in Chile. Recherchen der Zeitung El ciudadano zufolge steigen die von den im Consejo Minero, einer chilenischen Bergbaulobbyorganisation, organisierten Minengesellschaften deklarierten Kosten erstaunlicherweise immer entsprechend der Entwicklung der Weltmarktpreise für Kupfer. Dementsprechend niedrig ist das Steueraufkommen der privaten Minenunternehmen, vor allem im Vergleich zu den Abgaben, die Codelco an den Fiskus abführt.
Anglo American hatte nun mit Codelco, dessen Vorsitzender Diego Hernández zwischen 1988 und 1996 für Anglo American gearbeitet hatte, einen Deal ausgearbeitet, der vorsah, dass Codelco 49 Prozent der Anteile an La Disputada erwerben sollte. Dies hätte dem Verkaufsvertrag von 1971 entsprochen, in dem festgelegt wurde, dass Enami – heute durch Codelco vertreten – eben diese 49 Prozent alle drei Jahre zurückkaufen kann, sofern Teile dieser 49 Prozent nicht im Besitz einer weiteren dritten Partei sind. Nicht nur wäre der vereinbarte Preis von 9,76 Milliarden US-Dollar im Vergleich zu den 1,3 Milliarden, die beim Verkauf 2003 geflossen waren, sehr hoch, auch das Konstrukt, mit dem Codelco die Mine erwerben und in der Folge direkt wieder privatisieren wollte, rief Kritik von linken Medien und Nichtregierungsorganisationen hervor. Anstatt auf die reichlich vorhandenen Rücklagen zurückzugreifen oder einen Kredit bei einem Finanzinstitut aufzunehmen, war vorgesehen, sich von der japanischen Firma Mitsui die benötigte Summe zu leihen und diese Anleihe dann in Anteilen an der Mine zurückzuzahlen. Allein das Vorgehen von Codelco hier ist schon ein Skandal für sich.
Doch bevor die Kritik an Codelco Fahrt gewinnen konnte, begab sich Anglo American in die Schusslinie. Im November gab das Management des Unternehmens bekannt, dass sie 24,5 Prozent der Anteile an La Disputada für 5,39 Milliarden Dollar an das japanische Unternehmen Mitsubishi verkaufen würden. Damit blieben für Codelco nur noch die verbleibenden 24,5 Prozent an der Mine, die der Konzern dann zu einem entsprechend höheren Preis kaufen müsste. Die Reaktionen folgten prompt: Hernández drohte mit rechtlichen Schritten und verkündete in einer Online-Pressekonferenz: „Man muss nicht nur die Form, sondern auch den Geist des Vertrages erfüllen und man muss es mit ehrlicher Absicht tun“.
Allerdings gibt es keine Klausel im Vertrag zwischen Codelco und Anglo American, die letztererm verbietet, seinen Anteil zu verkaufen. In der chilenischen Presse wird gemutmaßt, dass es hierbei vor allem um persönliche Pfründe von Hernández geht, Belege dafür fehlen allerdings. Auch Präsident Piñera ist auf den abfahrenden nationalistischen Zug aufgesprungen und hat angekündigt, Codelco bei dem Gerichtsverfahren voll zu unterstützen. Hierbei handelt es sich allerdings nur um moralische Unterstützung, politisches Handeln wird dem Ganzen nicht folgen. Dabei könnte Piñera jederzeit sämtliche Bodenschätze verstaatlichen. Denn selbst nach den Jahren der Militärdiktatur von 1973 bis 1990 und den Jahren neoliberaler Politik von der Concertación ist noch heute eine 1971 verabschiedete Verfassungsreform gültig, die besagt, dass dem Gesetz nach sämtliche Bodenschätze auf chilenischem Territorium nationalisiert sind. De facto würde also ein Oberster Regierungserlass des Präsidenten reichen, um die Show um Anglo American und Codelco zu beenden.
Allerdings ist die Wahrscheinlichkeit dafür mehr als gering. Der Fall um La Disputada zeigt, dass die Diskussionen um die chilenischen Bodenschätze noch lange nicht vorbei sind. Trotz der gebetsmühlenartig immer wieder gestellten For-derung nach Verstaatlichung des chilenischen Kupfers wird sich mittelfristig an den Besitzstrukturen der Rohstoffe auf chilenischem Territorium nichts ändern.