Dossier | Dossier 22 - Letzte Ausfahrt Belém?

Milliardenfonds zum Schutz tropischer Wälder

Brasiliens Vorschlag stößt auf geteilte Reaktionen

Die Vernichtung von Tropenwäldern zu stoppen, hatten und haben schon mehrere multilaterale Mechanismen zum Ziel. Was sie vereint, ist ihr weitgehender Misserfolg, gemessen an den Herausforderungen. Zum Teil stiften sie sogar mehr Schaden als Nutzen, vor allem bei der Indigenen bzw. lokalen Bevölkerung. Nunmehr wirbt der brasilianische Präsident Lula da Silva für eine neue milliardenschwere Initiative, die bei der UN-Klimakonferenz COP30 in Belém präsentiert wird und endlich den ersehnten Fortschritt bringen soll: für Klima, Natur und Menschen. Doch auch dieser Vorstoß hat Haken.

Uwe Witt
Illegale Entwaldung Im Indigenen Gebiet Tenharim do Igarapé Preto registriert Ibama Zerstörung (Foto: Ibama (CC BY-SA 2.0))

TFFF heißt das neue Kürzel (im NGO-Sprech „T-Triple-F“). Es steht für „Tropical Forest Forever Facility“. Im Kern sollen teilnehmende Staaten mit Tropenwaldbestand (TFC) von einem Fonds (der „Fazilität“) jährlich Geld dafür bekommen, dass sie ihre Wälder weitgehend erhalten. Wird dennoch abgeholzt, sinken die Zuwendungen empfindlich. Unter dem Strich sollen so drei Mal mehr nicht rückzahlbare Finanzmittel für den Waldschutz bereitstehen als bislang.
Umstritten: Der Auszahlungsfonds finanziert sich aus Finanzerträgen am Kapitalmarkt. Um diese zu erwirtschaften, sollen finanzstarke Länder oder Privatpersonen zunächst einen Kapitalgrundstock einbringen; angestrebt sind 25 Milliarden US-Dollar zu keinen oder wenig Zinsen. Mit diesem „Sponsorenkapital“ genannten Grundstock will TFFF Anleihen auf den internationalen Kapitalmärkten ausgeben, und zwar in vierfacher Höhe. Auf diese Weise möchte TFFF insgesamt bis zu 125 Milliarden USD mobilisieren.


Dieses eingesammelte schuldbasierte Vermögen bildet den „Tropenwald-Investitionsfonds“ (TFIF). Dieser investiert wiederum in ein Portfolio festverzinslicher Wertpapiere und soll damit Gewinne in einer Höhe erwirtschaften, die über den Zinslasten des TFIF liegen. Die Nettoerträge schließlich füllen den Topf für die Auszahlungen an die Tropenwaldländer, so die Idee. Nach einer Rechnung auf Basis jüngerer Marktdaten im letzten (dritten) TFFF-Konzeptentwurf vom August dieses Jahres wären 3,4 Milliarden USD Nettoertrag zu erzielen. Die Summe würde Zahlungen von vier USD je Hektar Waldbestand ermöglichen. Bringt der TFIF weniger Ertrag, sinkt auch der Erlösanteil je Hektar.
Ein starker Hebel könnte der Sanktionsmechanismus sein: Entspricht der Waldverlust eines Landes innerhalb der letzten drei Jahre einer durchschnittlichen Rate von 0,3 Prozent pro Jahr oder weniger, so verliert es für jeden Hektar Bewaldungsrückgang 100 Anteile an den Erlösen. Dieser Abschlag wirkt bei vier USD je Hektar Erlösanteil wie eine Entwaldungsstrafe von 400 USD pro Hektar vernichtetem Tropenwald. Bei einer Entwaldungsrate zwischen 0,3 und 0,5 Prozent verdoppelt sich diese Strafe anteilig auf 800 USD je Hektar. Eine Entwaldungsrate über 0,5 Prozent führt zum Ausschluss vom Mechanismus. Vergleichbare Regeln gibt es für degradierte Wälder.


Verfügt also ein teilnehmendes Land beispielsweise über 200 Millionen Hektar tropischen Regenwald, den es im Schnitt der letzten drei Jahre erfolgreich geschützt hat, könnte es mit jährlich 800 Millionen USD Zuwendungen rechnen. Hat es in diesem Zeitraum jedoch eine jährliche Entwaldung von 0,4 Prozent zu verantworten, so würden nach dem Schema nur halb so viele Mittel an den Staat fließen.
Wie definiert TFFF eigentlich Wald? Laut dem Entwurf besteht er aus Bäumen mit einer Höhe von mehr als 5 Metern, die Baumkronen haben, welche mindesten 20 bis 30 Prozent der Landoberfläche abdecken („Kronendachbedeckung“). Flächen mit Baummonokulturen oder unter Aufforstung in Gebieten, in denen historisch kein Wald stand, sollen für Zahlungen nicht berücksichtigt werden. Der Zustand der Wälder wird nach dem Konzept satellitengestützt überwacht.

Verlagerung der Abholzung ließe sich vermeiden


Mit diesem Masterplan, der von Vertreter*innen der brasilianischen Regierung, der Weltbank, Lion’s Head Global Partners und anderen erarbeitet wurde, unterscheidet sich TFFF von den meisten Vorgänger-Mechanismen, wie etwa REDD+: Die Finanzmittel werden nicht projektbezogen eingesetzt, sondern ex post erfolgsorientiert auf den Waldbestand des gesamten Landes bezogen genutzt. Die Zahlungen fließen folglich auch nicht direkt zur Durchführung spezieller Waldschutzvorhaben bzw. in deren Refinanzierung. Sie gehen vielmehr an den teilnehmenden Staat. Dieser kann dann weitgehend frei entscheiden, wofür er sie einsetzt – und damit auch, welche Instrumente er im Waldschutz nutzt. Das wirft allerdings die Frage auf, inwieweit die jeweilige Regierung das Interesse des Staates an (mit dem Waldschutz verbundenen) längerfristigen Einnahmen höher gewichten wird als Deals mit finanzstarken und oft wahlkampfrelevanten Unterstützer*innen aus dem Kreis der üblichen Verdächtigen. So etwa aus dem Agrobusiness oder von Öl- und Rohstoff-Konzernen.


Im Übrigen bewirken die angepeilten Strafabschläge von 400 bzw. 800 USD je Hektar vernichteten Waldes zunächst nichts gegenüber verantwortlichen (potenziellen) Waldzerstörern. Zwar verwies das erste TFFF-Konzept noch darauf, dass der geschätzte jährliche Nettogewinn eines Hektars Sojaplantage in Brasilien bei knapp 400 USD je Hektar liegt (womit die TFFF-Strafzahlungen höher wären). Doch die Strafabschläge würden solche „alternativen Nutzungen“ nicht unwirtschaftlich machen. Denn sie drohen eben nicht konkreten Eigentümern oder Nutzern besagter Flächen, sondern dem Staatshaushalt des Waldlandes. Unter TFFF, das REDD+ & Co. nicht ersetzen, sondern ergänzen soll, wäre also stets ein starkes Regierungshandeln gefragt, um solche Umwandlungen zu unterbinden.

Zuspruch mit Bedenken

Zahlreiche internationale Umwelt- und Entwicklungsorganisationen begrüßten in einer Briefing Note vom 5. Juni 2025 im Grundsatz das neue Konzept, kritisierten aber unter anderem den Schwellenwert von 20 Prozent Kronendachbedeckung als einheitlichen Standard für die Definition von Wald. Denn er erweitere zwar den Kreis der einbezogenen Staaten, könne jedoch – würde er auch in Regionen angewendet, in denen die Kronenbedeckung des Primärwaldes 80 Prozent überschreiten kann – zu erheblichem Waldverlust führen, bevor eine Zuwendungskürzung ausgelöst werde. Felix Finkbeiner von Plant for the Planet verweist jedoch einschränkend auf eine zusätzliche strafbewehrte Regelung zur Walddegradation. Allerdings sei sie bislang nur für Waldschäden durch Feuer gedacht. Zudem hänge ihre Wirkmacht von noch unklaren Umsetzungsregeln ab.


Darüber hinaus äußern die Organisationen Bedenken dagegen, dass der Auszahlungsfonds wie eine multilaterale Entwicklungsbank der Weltbank verwaltet werden soll. Dies hätte eine Dominanz der USA und Europas zur Folge.
Im Zuge von TFFF könnte der auf das Land bezogene Erfolgsansatz zumindest auf Staatenebene dem Problem entgegenwirken, dass Entwaldung bei manchen projektfinanzierten Waldschutzvorhaben nicht verhindert, sondern nur verlagert wird (leakage): Eigentümer oder Projektträger kassieren die Fördermittel, verschieben aber die Abholzung lediglich von geförderten Flächen auf nichtgeförderte. TFFF erzeugt auch keine Kohlenstoffgutschriften, wie sie die dritte Stufe von REDD+ konzipiert, wenn auch solche Carbon-Credits mit zahlreichen methodischen Problemen behaftet sind und deren Beitrag zum Klima- und Waldschutz mehr als zweifelhaft ist. Im sogenannten freiwilligen CO2-Markt, wo sie zum Einsatz kommen, werden sie zudem häufig mit Greenwashing von Unternehmen in Verbindung gebracht.
Nach dem TFFF-Entwurf werden die TFC (bis zu 74 Länder, die derzeit über eine Milliarde Hektar tropische und subtropische Feuchtwälder beherbergen) verpflichtet, mindestens 20 Prozent der Zahlungen an „lokale Gemeinschaften, Indigene Völker und Schutzgebietsverwalter“ weiterzuleiten. Ein Punkt, den Umwelt- und Entwicklungsorganisationen begrüßen.


Greenpeace plädiert überdies in einem Hintergrundbeitrag vom 16. Juni 2025 für einen besonderen Status für intakte Wälder und schützenswerte Waldökosysteme. So solle ein klarer Anreiz entstehen, „diese Wälder auch wirklich zu schützen und nicht nur Entwaldungsraten auf dem Papier zu reduzieren“. Zudem seien „umweltzerstörende Bereiche wie industrielle Landwirtschaft, Forstwirtschaft oder Biomasseproduktion“ von der Förderung auszuschließen.

Kritik an Kapitalmarktdeckung

Einer der größten Kritikpunkte am TFFF-Konzept ist derzeit dessen Kapitalmarkt-basierte Finanzierungsstrategie: Die oben genannten 125 Milliarden USD des Tropenwald-Investitionsfonds TFIF fließen in ein Investitionsportfolio am Kapitalmarkt. Anvisiert werden zwar vorrangig „klimabezogene und nachhaltige Anlagen“ in Ländern des Globalen Südens. Klassische Staats- und Unternehmensanleihen sind jedoch ebenfalls möglich. Investitionen, die auf einer (noch zu präzisierenden) Negativliste stehen, will der TFIF allerdings ausschließen. Auf ihr stehen bislang „Aktivitäten im Zusammenhang mit Kohle, Torf, Öl und Gas“.


Finanziert werden sollen die Investitionen durch Schulden. Genauer durch die „Emission liquider“, hoch bewerteter langfristiger Anleihen zum Kauf durch institutionelle und private Anleger (‚Marktinvestoren‘)“. Doch wer wäre im Falle des Falles wirklich Schuldner? „Wen werden Investoren verklagen, wenn sie ihre Zinsen und ihr Kapital nicht zurückbekommen, den TFFF oder die Empfängerländer?“ fragt entsprechend ein kritischer TFFF-Report der Global Forest Coalition (GFC). Schließlich dürfte es unsicher sein, ob das gigantische Investitionsportfolio tatsächlich die angepeilten Erträge von über acht Prozent einfahren wird (vor allem, wenn wirklich nachhaltige Investments getätigt werden), und gleichzeitig die Kreditzinsen auf erträglichem Niveau bleiben.


Die GFC kritisiert weiter, es könnten nicht nationale Regierungen für Hektar stehenden Waldes belohnt werden (wobei sie allerdings den TFFF-Strafmechanismus bei Waldverlust nur am Rande erwähnt), ohne von den Regierungen entschlossene Maßnahmen zu verlangen, „um die irrationale Ausbreitung von Monokulturplantagen (Soja, Ölpalmen, Zuckerrohr usw.) zu begrenzen und umzukehren“. Das gelte ebenso für „die nicht nachhaltige Viehzucht, den Bergbau, die Gewinnung fossiler Brennstoffe“. Vielmehr sei ein internationaler Rechtsrahmen erforderlich, der Unternehmen und Länder sanktioniert, die für Tropenwälder zerstörerische Produkte kaufen.
Das eine muss das andere vielleicht nicht ausschließen. Tatsächlich stellt sich neben all den aufgelisteten Kritikpunkten aber die grundsätzliche Frage, inwiefern es verantwortbar ist, eine zentrale Säule des globalen Waldschutzes von Finanzmarktgeschäften abhängig zu machen.

Uwe Witt ist Referent für Klimaschutz und Strukturwandel bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung.


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