Costa Rica | Nummer 380 - Februar 2006

Mit Arias zurück in die Zukunft

Ex-Präsident bei Präsidentschaftswahlen in Costa Rica favorisiert

Ein Gespenst geht um in Lateinamerika: das Gespenst der linken Regierungschefs. Nach den Wahlsiegen von Evo Morales in Bolivien und Michelle Bachelet in Chile hat die Riege der linken PräsidentInnen in Südamerika zwei neue Gesichter hinzugewonnen. Wie die Geister im mittelamerikanischen Costa Rica beheimatet sind, zeigt sich am 5. Februar bei den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen. Aber selbst wenn der Kandidat der sozialdemokratischen Partei der Nationalen Befreiung (PLN) und Friedensnobelpreisträger von 1987, Oscar Arias Sánchez, gewinnt, wird es in Costa Rica wahrscheinlich nicht mal ein ganz kleines bisschen spuken.

Marina Flämig

Dröhnende Musik und politische Parolen aus unzähligen Minivans mit Lautsprechern, lächelnde Männergesichter auf Plakatwänden, im Fernsehen ein Wahlwerbespot nach dem anderen: Costa Rica ist zwei Wochen vor der Wahl am 5. Februar 2006 in dem angekommen, was gemeinhin als „heiße Phase des Wahlkampfs“ respektive „Stimmenfang um jeden Preis“ umschrieben wird.
Die größten Chancen auf den Sieg kann sich – sollten die veröffentlichten Umfragen des massenmedialen Mainstreams ein repräsentatives Bild der Bevölkerungsmeinung abbilden – bislang Oscar Arias ausrechnen. Der 65-jährige Sozialdemokrat hat das Amt des Staats- und Regierungschefs schon einmal inne gehabt, 1986 bis 1990.
Bis dahin galt: Ein Präsident kann nicht wiedergewählt werden. Nach einer Verfassungsänderung im Frühjahr 2003 wurde diese Regelung modifiziert: ein „alter“ Präsident muss eine mindestens achtjährige Pause einlegen, ehe er erneut kandidieren darf.
Doppelt so lang geduldete sich Arias, und sollte er gewinnen, hat er große Pläne für das kleine Land. Er will Gerechtigkeit für alle, das zentralamerikanische Freihandelsabkommen CAFTA ratifizieren und „Costa Rica den Weg zeigen in eine neue Zukunft“. Bis dahin tanzt der Besitzer der zweitgrößten costaricanischen Tageszeitung La República Salsa mit seiner Vize-Präsidentschaftskandidatin Laura Chincilla auf Wahlkampfveranstaltungen, die Volksfesten ähneln und auf denen der nationale Reggaeton-Star Tapón seine Nummer Eins-Hits singt.

Retter der Unterdrückten…

Dass ein Sozialdemokrat zu einem der größten Fürsprecher des zentralamerikanischen Freihandelsabkommens mit den USA geworden ist, zeigt, dass sich nicht nur in Europa die Grenzen zwischen Partei- und Ideologielinien vermischen. Obwohl der Nobelpreisträger – er hatte 1987 den Friedensplan „Esquipulas II“ für Zentralamerika aufgestellt, der zur Befriedung der von Bürgerkriegen zerrütteten Region beitrug – sich selber gern als Retter der Unterdrückten und Garant für Gerechtigkeit präsentiert, schwört er auf die Ratifizierung des Freihandelsvertrags als Weg zum Wohlstand für Costa Rica. Umweltschutz sowie ArbeitnehmerInnenrechte und Sozialleistungen vor allem für das Fünftel der Bevölkerung, das in Armut lebt, würden dabei auf der Strecke bleiben. Darüber hinaus sind die zentralamerikanischen Landwirtschaftsprodukte gegenüber den subventionierten US-Produkten nicht konkurrenzfähig. Die Auswirkungen auf die Beschäftigungssituation im Land wären verheerend, schließlich sind über 15 Prozent der CostarikanerInnen im Agrarbereich beschäftigt.

…Befürworter des Freihandelsvertrags

Eine zumindest im Ansatz alternative Position vertritt Arias’ Mitbewerber Ottón Solís von der ebenfalls sozialdemokratischen Partei der Bürgerlichen Aktion (PAC). Solís liegt auf Platz zwei der Umfragewerte. Der dreifache Familienvater ist grundsätzlich zwar für einen Freihandelsvertrag mit den Vereinigten Staaten, aber nicht in der vorliegenden Form. Der derzeitige Entwurf schaffe nur eine „Arbeitslosigkeitsfabrik“, zitierte ihn die englischsprachige costa-ricanische Wochenzeitung The Tico Times im Januar. Man müsse neu verhandeln, damit auch Costa Rica wirklich vom Abbau der Handelsschranken profitieren könne. Solís findet es wichtig, dass auch der Agrarsektor, „und nicht nur Intel“ vom Staat subventioniert werde, und verspricht seinen WählerInnen „billige Kredite“. Mit dieser Subvention will er die Investitionen ankurbeln.

Weiche Küsse und harte Hand

Als Dritter im Kandidaten-Bund kämpft Otto Guevara Guth von der liberalistischen Bewegung (ML) um den Einzug in den Präsidentenpalast. Seine Strategie ist es, sich zum Wahlsieg zu knutschen. Der 45-Jährige hat das Ziel, eine „Gesellschaft von Besitzern“ in Costa Rica zu etablieren, indem er Bürokratie abbaut und den Zulassungsprozess für das Öffnen kleinerer Geschäfte beschleunigt. Der Weg dahin ist gepflastert mit Küsschen: Guevara besucht täglich – laut eigener Aussage – ungefähr 1500 Haushalte, vor allem in den ärmeren Vierteln der größeren Städte, in denen sich tagsüber meist Hausfrauen aufhalten, und verteilt großzügig „besos“. So charmant kommt seine geplante Anti-Drogen-Politik nicht daher: Er prophezeit DealerInnen und sonstigen Kriminellen eine „harte Hand“ im Kampf gegen Drogenhandel und Schmuggel.
Guevaras Wahlkampf-Küsse werden wahrscheinlich nicht reichen, um Präsident zu werden. Das ganze Land hat indirekt schon USA-Freund Oscar Arias zum Sieger erklärt.
Der – wahrscheinliche, aber noch nicht gewählte – Präsident in spe kritisiert auf seiner Wahlwerbetour vor allem eins: seinen Vorgänger. „Regieren heißt nicht, die Präsidentenflagge zu hissen und den Lauf der Dinge abzuwarten, sondern Entscheidungen zu treffen und konkrete Probleme zu lösen“, kommentierte er Abel Pachecos Regierungszeit auf einer Wahlkampfveranstaltung in seiner Heimatstadt Heredia.
Und für seine zukünftige Außenpolitik stellte der 65-Jährige klar: „Wir werden nie wieder einen illegalen Krieg unterstützen!“
Das Bekenntnis zum Frieden hat bei dem kleinen zentralamerikanischen Bananenexporteur Tradition. 1949 wurde mit der damals verabschiedeten Verfassung das Militär komplett abgeschafft. Der Beitritt im Irak-Krieg zur „Koalition der Willigen“ am 19. März 2003 durch Präsident Abel Pacheco hatte im ganzen Land Massenproteste ausgelöst. Nach mehreren Klagen entschied der costa-ricanische Verfassungssenat, dass der Beitritt zur Allianz gegen den Irak verfassungswidrig sei und verpflichtete die Regierung Pachecos, die Unterschrift unter der Liste Bushs wieder zurückzuziehen.
Mit dem klaren Ja zum Pazifismus gewinnt man in Costa Rica Wählerstimmen. Aber wie unterscheidet sich Arias vom Rest der Kandidaten?
Die ticos/as, wie sich die EinwohnerInnen selbst bezeichnen, scheinen bei dieser Frage im tiefsten Dunkel zu tappen. Die größte Tageszeitung des Landes, La Nación, führte zwei Wochen vor der Wahl eine Umfrage unter ihren Online-NutzerInnen durch. Die Frage war simpel, die Antwort bezeichnend. „Kennen Sie die Regierungsprogramme der Präsidentschaftskandidaten?“ 81 Prozent der TeilnehmerInnen – gebildete BürgerInnen aus der Mittel- oder Oberschicht, die Internetzugang und politisches Interesse besaßen – antworteten „Nein.“ Nur acht Prozent klickten auf „Ja“.
Obwohl diese Umfrage nicht repräsentativ im wissenschaftlichen Sinne ist, spiegelt sie doch die Unwissenheit der ticos/as wider, respektive die fehlende Fähigkeit der Kandidaten, ihre Positionen zu kommunizieren. Aber laut der Homepage von Oscar Arias ist das auch eher nebensächlich: Auf der Seite zählt ein Countdown nicht die verbleibende Zeit bis zur Wahl herunter, sondern die restlichen Tage bis zu seinem Sieg.

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