Musik | Nummer 396 - Juni 2007

Musik aus der afrikanischen Seele Zentralamerikas

Der Garífuna-Musiker Andy Palacio auf Tour in Deutschland

Helga Woggon

Es ist ein Musikereignis wahrhaft kollektiver Art. Die Garífuna-Band Andy Palacio & The Garífuna Colletive präsentieren ihr neues Album WÁTINA (I called out) in bewusster Abwendung von der künstlichen Perfektion von Studioproduktionen. Es entstand mitten im Fischerdorf Hopkins in einem improvisierten Studio eines Strandhauses an der Karibikküste von Belize. So vermittelt die CD einen Eindruck von der Spiritualität, die den Alltag der Garífuna durchdringt. Die Lieder erzählen von ganz alltäglichen Ereignissen, Sorgen und Nöten, Erfahrungen mit Armut, Überlebenskampf und Herabsetzung sowie persönlichen Schicksalschlägen. Aber auch politische Probleme werden besungen, wie die Unsicherheit ihrer Landrechte in Honduras am Beispiel der Vertreibung von DorfbewohnerInnen. Und immer wieder taucht die Erinnerung an die Geschichte und die Sorge um die Zukunft der Garífuna-Kultur auf.
Im Bewusstsein der Garífuna spielt ihr historischer Ursprungsort Yúrumein, die Karibikinsel Saint Vincent, eine fast mythische Rolle. Dort strandeten 1635 nach dem Schiffbruch zweier Sklavenschiffe aus Westafrika die entkommenen SklavInnen und wurden von den ansässigen indigenen Arawak und Kariben aufgenommen. Hier entwickelte sich die Garífuna-Sprache aus dem Arawak, beeinflusst vom Französischen und mit englischen, spanischen und westafrikanischen Einsprengseln. Erst 160 Jahre später brachen die Briten den Widerstand der Garífuna, die sie abwertend als „Schwarze Kariben“ bezeichneten, und deportierten sie nach Roatán vor der honduranischen Küste. Von dort aus gründeten die Garífuna Siedlungen entlang der Atlantikküste Mittelamerikas. Oft weit abgelegen bestehen sie zum großen Teil noch heute.

Kampf für die Garífuna-Kultur

Das bisherige Lebenswerk Andy Palacios und anderer KünstlerInnen und AktivistInnen hat viel zu einer Belebung und Bewusstwerdung der Kultur beigetragen, wie sie vor dreißig Jahren noch kaum vorstellbar war. Musik und Tanz der Garífuna haben in allen Ländern, wo diese leben, einen großen Einfluss, der in keinem Verhältnis zu ihrem geringen Bevölkerungsanteil steht. In Honduras werden sie namentlich auch oft touristisch vereinnahmt. Insgesamt gibt es etwa 250.000 Garífuna, viele von ihnen leben jedoch seit langem in Los Angeles, New York, Miami und anderen Orten der USA.
In Nicaragua entwickelten sich seit Andy Palacios Arbeit in einer Alfabetisierungskampagne um 1980 starke Impulse, die zur Anerkennung und Organisierung der Garífuna beitrugen und den kulturellen Austausch mit den Garífuna in Honduras und Belize förderten. Als Mitarbeiter im Kulturministerium von Belize hatte Andy Palacio zudem maßgeblichen Anteil daran, daß die UNESCO 2001 Sprache, Musik und Tanz der Garífuna zum „Meisterwerk des mündlichen und immateriellen Erbes der Menschheit“ erklärte. „Unsere Vorfahren haben darum gekämpft, Garífuna zu bleiben, warum sollen wir es sein, die unsere Kultur verlieren?“, fragt Andy Palacio in dem Song Ámuñegü (In times to come). Im Mai und Juni diesen Jahres sind Andy Palacio & The Garífuna Collective auf Tour in Europa.

Tourdaten und weitere Infos: www.cumbancha.com

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