Chile | Nummer 617 - November 2025

Nachhaltigkeit für wen?

Die Atacameño Gemeinden verhandeln mit dem chilenischen Staat über ihre Zukunft und die der Atacama-Wüste

CODELCO-Konzernchef und Energieminister Maximo Pacheco ist zufrieden: Der im August zu Ende gegangene Konsultationsprozess mit den Atacama-Gemeinden sei „friedlich“ und „erfolgreich“ verlaufen. Dieser Bericht zeigt: Ganz so zufrieden sind die Gemeinden selbst nicht.

Anna-Lena Hartung
Ökosystem Atacamawüste Der Lithiumbergbau trägt zu extremem Wasserverbauch bei. (Foto: Alexis Leandro Jeria Bocca)

Auf einer Podiumsdiskussion in Santiago im August, bei der die Ergebnisse der multidisziplinären Studie „Menschenrechte und Lithium” vorgestellt wurden, reflektierte der Vorsitzende des Staatsunternehmens über die Abläufe der letzten 12 Monate. In einem „intensiven und sehr langen“ Prozess habe man „über 1000 Seiten produziert“ und erkannt, „welche Wichtigkeit eine gute Bereitstellung von Informationen“ habe. CODELCO („Corporación Nacional del Cobre de Chile“, nach eigenen Angaben der weltweit größte Bergbau-Kupferproduzent, Anm. d. Red.) verstehe die Einigung als Aufforderung, „seine Führungsrolle im Lithiumbergbau wahrzunehmen“.


Der Abschluss des langen Prozesses, einem essenziellen Teil von Chiles nationaler Lithiumstrategie, liegt jetzt bei der Entwicklungsbehörde CORFO, die die beschlossenen Dokumente auswerten und zu Übereinkünften mit den einzelnen Gemeindeverwaltungen kommen soll._Die beiden Staatsunternehmen SQM und CODELCO haben im Mai fusioniert und damit ihre Absicht bestätigt, im nächsten Jahr größter Lithiumproduzent Chiles, möglicherweise auch der Welt, zu werden. Die Fusion ist Teil Gabriel Borics 2023 beschlossener Lithiumstrategie, die den größten Teil der Lithiumkonzessionen in die Hände des neuen Staatsunternehmens legen und die Produktion enorm steigern wird. Der Plan sieht auch soziale und umweltschützende Maßnahmen vor.
Akzeptieren die Gemeinden die Bedingungen, die mit der CORFO in den letzten Monaten ausgehandelt wurden, wäre der Weg frei für mehr als 40 weitere Jahre Lithiumförderung am Salar de Atacama und in der weiteren Umgebung.


Das im Marketingsprech „Lithiumdreieck” genannte Gebiet liegt in der trockensten Wüste der Welt. Hier lagern die wohl größten Reserven des seltenen Metalls. Es wird vor allem für die Herstellung von Lithiumbatterien benötigt. Mit den Bekenntnissen von Technologieunternehmen zur „Nachhaltigkeit” und zur „Grünen Transformation” steigt die globale Nachfrage. Auch Ursula von der Leyen sagte bei einem Besuch in Santiago de Chile 2023, der Bedarf in Europa werde „bis 2030 um das Zwölffache steigen“ (Euronews). Lithiumbatterien stecken in Kerntechnologien der „Grünen Transformation“,_etwa in Elektroautos und in den Energiespeichern von Windparks, werden aber auch in Kriegsgerät wie Drohnen verbaut, wie ein Teilnehmer der Konferenz in Santiago ergänzte.


In der Atacama trägt der Lithiumbergbau nicht zu Rettung der Ökosysteme bei. Bei der Produktion mittels Lithiumsole-Evaporation werden große Mengen Wasser aus dem Atacama-Salzsee verdunstet, was sich auf die darunterliegenden geologischen Systeme auswirkt. Flüsse und Wasserreserven trocknen aus und für die Gemeinden wird es immer schwieriger, Landwirtschaft zu betreiben. Der Rat der Atacameño-Völker sieht deshalb die Autonomie und die Lebensweise der Atacameño durch die neuen Pläne bedroht.


Inzwischen ist belegt, dass die Großkonzerne SQM und Albemarle bei ihren Operationen in den letzten 20 Jahren mehr von den Wasserreserven entnommen haben, als ihnen laut ihrer Lizenzen genehmigt war. Lokale Proteste prangerten an, dass staatliche Kontrollen der Umweltauflagen nicht ausreichen und der Bergbau die umliegende Tier- und Pflanzenwelt durch Verschmutzung, Austrocknung und Überausbeutung verdrängt. Das beweisen auch zahlreiche Studien.


Die Gemeinden in Atacama la Grande und El Loa sind schon vor Jahrzehnten erfolgreich in Verhandlungen über Entschädigungen mit den Unternehmen getreten: mit Albemarle und SQM. Die Nationale Lithiumstrategie und die neuen CODELCO/SQM-Projekte verleihen dem Lithiumbergbau in der Atacama eine neue Dimension. Ob das Austrocknen aber aufhört, bleibt zweifelhaft.
Obwohl Organisationen von Anfang an kritisierten, dass noch mehr Wasserrechte vergeben werden, sorgte der Plan de Litio für einen intensiveren Dialog über die Rolle und die Interessen der Atacameños gegenüber Chiles Institutionen. Es wurde öffentlich über technische Details der Evaporationsverfahren diskutiert und konkrete Verbesserungen beschlossen. So ist für die neuen Salinen zumindest teilweise der Umstieg auf wasserschonendere Technologien vorgesehen.
Ein Vetorecht hatten die Atacameños nicht. Stattdessen wurde über weitere Entschädigungszahlungen verhandelt. Zudem werden einige anzestralen Territorien der Atacameño-Lickanantay staatlich anerkannt und den Gemeinden übertragen. Außerdem wird über eine Beteiligung der Gemeinden an den Umweltauflagen- und Monitoringprozessen verhandelt. Sollten die Verhandlungen zu einer effizienteren Überwachung der Wasserentnahme beitragen, könnte das auch einen effektiveren Schutz der Ökosysteme am Salar und in der Umgebung ermöglichen.


Im April verhandelte der Rat der Atacameñovölker die Verhandlungen: „Es war eine schwierige Zeit, in der nicht immer die Mindestvoraussetzungen für eine effektive Beteiligung gegeben waren: Ruhe, Zeit und Verständnis für den lokalen Kontext.“ Der CPA sagte dazu: „Die Schuld des Staates und seiner Institutionen bleibt bestehen, und es kann nicht ignoriert werden, dass viele Inhalte nur teilweise, verspätet oder ohne die erforderliche technische Begleitung übermittelt wurden, die es den Beteiligten ermöglicht hätte, sich diese anzueignen und zu verstehen.“

Wasser als roter Faden


Die zentrale Organisation ruft zur Einigkeit auf. Nur so könnten die Gemeinden ihre Interessen vertreten und die Zukunft ihrer Heimatgebiete gestalten. Gemeinden aus dem Norden des Salar haben inzwischen Klage eingelegt, was den Konsultationsprozess stoppen könnte. Sie sehen sich gegenüber Gemeinden aus dem Süden benachteilig, die näher am Salzsee liegen und die der Staat gesondert konsultierte. In Bezug auf die Transformations- und Entwicklungspläne, sagte der UN-Beauftragte für Menschenrechte in Lateinamerika, Jan Jarab: „Hoffen wir auf eine neue Gerechtigkeit, mit vorheriger, informierter Konsultation, dem Wasser als roter Linie und der Würde der Indigenen Völker als Horizont.“


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