Dossier 21 - Das Gleiche in Grün | Europa | Lateinamerika

Neue Geschäftsmöglichkeiten für europäische Unternehmen

Die EU-Initiative Global Gateway soll den eigenen Energiebedarf absichern

Global Gateway ist eine umfassende Strategie der EU, um Auslandsinvestitionen von europäischen Unternehmen im Globalen Süden zu fördern. Ein Schwerpunkt liegt auf der Förderung von Projekten zur Gewinnung von grüner Energie. María José Romero von EURODAD erklärt, was dahintersteckt.

Interview: Steffi Wassermann
María José Romero im Interview Romero arbeitet bei EURODAD, einem Netzwerk von 60 zivilgesellschaftlichen Organisationen aus 28 europäischen Ländern (Foto: privat)

Was ist die Global Gateway-Initiative und was waren wichtige Schritte der Umsetzung?
Die Global Gateway-Initiative wurde 2021 von der EU-Kommission und dem Hohen Vertreter für Außen- und Sicherheitspolitik vorgestellt. Die Initiative wird als positives Angebot der EU an die Partnerländer im Globalen Süden beworben und im Diskurs als eine Strategie dargestellt, die von Werten, demokratischen Prinzipien, einem hohen Maß an Transparenz und guter Regierungsführung geleitet sei. Sie wird als Alternative zur wachsenden geopolitischen und wirtschaftlichen Präsenz Chinas durch die Initiative Neue Seidenstraße angepriesen.
Die Strategie soll die handels- und entwicklungspolitischen sowie geostrategischen Prioritäten der EU in Einklang bringen. Sie zielt darauf ab, die Auslandsinvestitionen und Entwicklungszusammenarbeit in den Ländern des Globalen Südens zu harmonisieren.

In welchen Bereichen sind Investitionen geplant?
Es geht um Investitionen für Digitalisierung, Verkehr, Gesundheit, Bildung und Forschung sowie Klima und Energie. Der Schwerpunkt liegt aber auf den Bereichen Klima und Energie sowie Verkehr. Das Hauptproblem ist, dass es mit Mitteln der Entwicklungszusammenarbeit finanziert wird, die eigentlich für die Armutsbekämpfung, die Verringerung der Ungleichheit oder den Kampf gegen den Klimawandel verwendet werden sollten.

Sie sprechen sogar davon, dass mit dieser neuen Strategie ein Paradigmenwechsel in der EU-Entwicklungszusammenarbeit vollzogen wird.
Die Entwicklungszusammenarbeit war auch vorher nicht frei von geopolitischen oder kommerziellen Interessen. Was wir jedoch in den letzten Jahren beobachten, ist ein viel offenerer Diskurs als zuvor, geopolitische und kommerzielle Interessen mit Entwicklungsinteressen zu verbinden. Das bezeichnen wir als Paradigmenwechsel.

Wer sind die Akteure, die die Initiative vorantreiben?
Die Europäische Kommission ist die Hauptakteurin, aber auch die EU-Mitgliedstaaten sind an der Entscheidungsfindung beteiligt. Die Entwicklungsbanken der Mitgliedstaaten und insbesondere die Europäische Investitionsbank sind ebenfalls in die Verwaltungsstruktur eingebunden. Da Investitionen von europäischen Unternehmen im Globalen Süden gefördert werden sollen, werden vor allem Unternehmen aus den EU-Mitgliedsstaaten mit größerem wirtschaftlichen und politischen Gewicht bevorzugt.

Inwiefern sind die Unternehmen und Zivilgesellschaft eingebunden?
Die Europäische Kommission hat zwei externe Stakeholder-Gruppen eingerichtet, die beratend tätig sind. Aber diese Gruppen sind unausgewogen, was ihre Macht angeht und ihren Einfluss auf Entscheidungen darüber, welche Projekte priorisiert werden.
Die eine Gruppe, die von Anfang an vorgesehen war, setzt sich aus 59 großen Unternehmen zusammen. Wir haben überprüft, welche Unternehmen als Mitglieder dieser beratenden Gruppe vertreten sind. Die Namen ihrer Mitglieder tauchen in einigen Global Gateway-Projekten auf, wie im Fall des geplanten Medusa-Unterseekabels, das unter Beteiligung der Unternehmen Orange und Alcatel, das Nokia gehört, entwickelt wurde. Für uns besteht hier eindeutig die Gefahr eines Interessenkonflikts.
In der anderen Gruppe sind Kommunalbehörden und die Zivilgesellschaft vertreten. Sie wurde erst später eingerichtet, hat nicht das gleiche Gewicht und ist unserer Ansicht nach nicht mehr als eine Formalität. Es ist kaum möglich, dass sie Einfluss auf die Projekte nimmt.

Im Rahmen der Strategie spielt der Bereich Klima und Energie eine wichtige Rolle. Welche Relevanz hat insbesondere die Investitions-Säule „Energie“ in Lateinamerika?
In politischer und strategischer Hinsicht und angesichts des Reichtums Lateinamerikas an Natur- und Energieressourcen ist dies einer der wichtigsten Sektoren für die Umsetzung von Global Gateway Projekten in der Region. Es werden Projekte gefördert, die zur Energiewende und zur Dekarbonisierung beitragen sollen.
Aufgrund der Art der Strategie handelt es sich jedoch um Projekte, die dem europäischen Privatsektor Geschäftsmöglichkeiten bieten und der EU zur Diversifizierung der Versorgung mit erneuerbarer Energie dienen sollen. Die eigene Energiesouveränität ist eine der Prioritäten der EU.

Gibt es schon erste Erfahrungen mit Projekten und ihren Auswirkungen?
Die EU hat kürzlich das sogenannte modernisierte Rahmenabkommen mit Chile beschlossen, das sich auf die Liberalisierung von Handel und Investitionen konzentriert und Sektoren wie Wasserstoff und Rohstoffe umfasst. Projekte zur Gewinnung von Grünem Wasserstoff sind einer der Schwerpunkte von Global Gateway in Chile. Sie haben aber einen erheblichen Einfluss auf den Wasserverbrauch und es besteht die Gefahr von Wasserstress in den Regionen, in denen die Projekte durchgeführt werden. Fälle dieser Art gibt es in Chile, aber auch in Namibia und Südafrika.
Allgemein haben Investitionen in grüne Wasserstoffprojekte die Tendenz, einen neokolonialen Ansatz bei der Nutzung und Verteilung natürlicher Ressourcen zu fördern. Das Ziel der EU, die Energiesouveränität zu erlangen, steht oft im Widerspruch zur Nutzung der natürlichen Ressourcen aus den Ländern des Globalen Südens oder geht auf deren Kosten.

Was sind Ihre Forderungen als Zivilgesellschaft?
Die erste und strategisch wichtigste Forderung ist für uns eine Neubewertung der Global Gateway-Strategie insgesamt. Die primäre Aufgabe der Entwicklungszusammenarbeit muss die Reduzierung der Armut, der Kampf gegen Ungleichheit und gegen den Klimawandel sein und nicht die Förderung von europäischen Wirtschaftsinteressen im Globalen Süden.
Zweitens fordern wir hohe Standards für die Umsetzung von Projekten. Wir fordern Transparenz darüber, mit welchen Kriterien entschieden wird, warum welche Projekte durchgeführt werden und andere nicht, oder wie sie finanziert sind. Es handelt sich um öffentliche Mittel der europäischen Steuerzahlenden. Wir fordern auch mehr Informationen und vorherige Bewertungen über mögliche Auswirkungen, insbesondere im Hinblick auf Menschenrechte und auf die Rechte von Frauen.
Drittens fordern wir die Einführung öffentlicher Kontrollprozesse und -mechanismen, einschließlich einer größeren Rolle für das Europäische Parlament. Prozesse, die die Zivilgesellschaft wirklich einbeziehen, nicht nur in Europa, sondern auch im Globalen Süden.

María José Romero

leitet den Bereich Entwicklungsfinanzierung bei EURODAD, einem Netzwerk von 60 zivilgesellschaftlichen Organisationen aus 28 europäischen Ländern. Im Oktober 2024 veröffentlichte EURODAD als Mitherausgeber die Studie „Who profits from the Global Gateway?“, in der eine erste kritische Bilanz gezogen wird.

Foto: privat


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