Kolumbien | Nummer 371 - Mai 2005

Paramilitärs fordern politischen Status

In Kolumbien soll das „Gesetz für Frieden und Gerechtigkeit” dem Friedensprozess mit den Paramilitärs einen rechtlichen Rahmen geben

Mitte April beendete die Verfassungskommission von Senat und Abgeordnetenhaus Kolumbiens den umstrittenen Entwurf für das „Gesetz für Frieden und Gerechtigkeit”, das in den kommenden Wochen im Kongress debattiert und verabschiedet werden soll. Es soll den juristischen Unterbau für den Friedensprozess mit den Paramilitärs der AUC (Autodefensas Unidas de Colombia) liefern. Der Name des Gesetzes ist jedoch irreführend. KritikerInnen sehen darin weit gehende Zugeständnisse an die Paramilitärs, die nichts mit einer Aufarbeitung der Verbrechen zu tun haben. Währenddessen droht die AUC selbst mit einem Abbruch der Verhandlungen.

Tommy Ramm

Die Auseinandersetzung um ein Gesetz, das den juristischen Umgang mit den paramilitärischen Gruppen regeln soll, begann Mitte März im kolumbianischen Parlament mit einem Paukenschlag. Der Entwurf der Regierung sah laut einigen Abgeordneten Artikel vor, die den Drogenhandel mit einem politischen Delikt gleich setzten. Die Folge: Im Falle eines Friedensabkommens müssten Kommandanten der Paramilitärs, die den Großteil des Milliardengeschäfts mit Rauschgift kontrollieren, nicht mehr an die USA ausgeliefert werden. Statt langer Haftstrafen in den Vereinigten Staaten könnten diese dann auf mildernde Umstände im Heimatland hoffen. Zwischen fünf und acht Jahren Gefängnis sieht der derzeitige Gesetzesvorschlag für die Verantwortlichen unzähliger Massaker vor, die seit mehr als einem Jahr in Friedensverhandlungen mit der Regierung stehen.

„Immer etwas Straflosigkeit”

„Eine perfekte Balance zwischen Frieden und Gerechtigkeit ist unmöglich”, verteidigte sich Präsident Álvaro Uribe, nachdem der Vorschlag zu einem Eklat im Parlament geführt hatte. „In einem Friedensprozess gibt es immer etwas Straflosigkeit, wir müssen uns aber darum bemühen, dass diese so gering wie möglich ausfällt”, so Uribe.
Ganz ernst gemeint war das nach Ansicht des Abgeordneten Rafael Pardo nicht, wenn man die nun vorliegende Version des Gesetzes betrachtet. Pardo, der anfangs die Regierungsposition unterstützte, sieht in dem Gesetz „die Etablierung eines politischen Modells, das auf der organisierten Kriminalität beruht”. So sei eine tiefergehende Untersuchung der Verbrechen unmöglich und die Einbeziehung der Opfer ausgeschlossen. Da die Täter, die sich dem Gesetz unterwerfen, frei entscheiden können, ob sie ihre Verbrechen darlegen oder sich einer Aussage verweigern wollen, muss die Staatsanwaltschaft in nur wenigen Tagen ein Urteil fällen. Pardo sieht darin eine rechtliche Farce: „In 30 Tagen lässt sich nicht nachweisen, was die Justiz nicht einmal in zehn Jahren geschafft hat”, kritisiert der Abgeordnete. Statt einer wahrheitsgemäßen Aufarbeitung könnten die Täter unvollständige Geschichten oder Lügen preisgeben, ohne dass dies Konsequenzen nach sich zöge.
Um sich einer Auslieferung an die USA zu entziehen, können die Paramilitärs auf eine Hintertür im Gesetz zurück greifen: Wenn sie bereits vor ihrer Verstrickung in den Drogenhandel Mitglied der AUC waren, fallen ihre Delikte unter das vorgeschlagene neue Gesetz und ziehen nur geringe Haftstrafen nach sich.

Kavaliersdelikt Drogenhandel

Dennoch löste der Gesetzesvorschlag in der 500 Kilometer von der Hauptstadt Bogotá entfernten AUC-Hochburg Santa Fe de Ralito Unmut aus, weil darin nicht explizit ein Verbot der Auslieferung festgeschrieben wurde. „Der bewaffnete Kampf gegen die Guerilla finanziert sich nicht aus dem Verkauf von Lottoscheinen oder Snacks”, verteidigt der politische Chef der AUC ,Ernesto Baez, die Verwicklungen in den Drogenhandel. Zwar müssten einige Kommandanten für ihr starkes Engagement in diesem Geschäft zur Verantwortung gezogen werden, aber nur unter Berücksichtigung des bewaffneten Konflikts. Soll heißen: Der Drogenhandel sei eine Folge der Auseinandersetzungen in Kolumbien und somit ein Kavaliersdelikt.
Die generelle Sichtweise der Paramilitärs auf den Friedensprozess und ihr fehlendes Schuldbewusstsein für die unzähligen Gräueltaten der letzten zwanzig Jahre lässt Zweifel an deren Willen für ein gerechtes Friedensabkommen aufkommen. Weder sind sie laut Ernesto Baez bereit, in einem normalen Gefängnis Haftstrafen abzusitzen, noch sehen sie sich in der Rolle des Täters. Keiner der 23 Kommandanten glaubt daran, dass sie unter Präsident Uribe wie normale Kriminelle behandelt werden. Schließlich seien ihre 13.000 Kämpfer militärisch ungeschlagen. Diese Einstellung ist in Santa Fe de Ralito und Umgebung weit verbreitet.

Villen für die Zukunft

In einer rund 400 Quadratkilometer großen Zone ohne militärische oder polizeiliche Präsenz, die den Paramilitärs für die Friedensverhandlungen zugestanden wurde, leben die Kommandanten in luxuriösen Villen, die sie sich für die Zeit der Gespräche und danach errichtet haben. Abgeschirmt durch hohe Holzzäune und bewacht von den eigenen bewaffneten Milizen haben sich die Chefs der AUC in einer der besten Ländereien für Viehzucht niedergelassen. Es ist kein Geheimnis, dass große Ländereien in der Gegend Salvatore Mancuso, dem bis zu seiner symbolischen Entwaffnung im Februar höchsten AUC-Kommandanten, und Präsident Uribe gehören. Seit mehr als zehn Jahren stellen die AUC in dieser Gegend, die zur nordkolumbianischen Provinz Cordoba zählt, die wahre politische Macht. Ihr Einfluss reicht bis ins Parlament, in dem inoffizielle FürsprecherInnen der AUC sitzen.
MitarbeiterInnen des Hochkommissars für Frieden in Santa Fe de Ralito, Luis Carlos Restrepo, der die Friedensverhandlungen leitet, stellten unter den AUC-Chefs die Auffassung fest, dass sie das Recht auf eine aktive Beteiligung bei der Ausarbeitung des „Gesetzes für Frieden und Gerechtigkeit” im Parlament hätten. Deshalb fordern sie, dass ihnen der politische Status zugeteilt wird, der ihnen öffentliche Partizipation erlaube. Zwar hatte die Verfassungskommission diesen Vorschlag zunächst ausgeklammert, aber in Kolumbien geht man davon aus, dass der Kongress diesen Status nachträglich einbauen wird.
„Was verabschiedet wurde, wird unsere Probleme nicht lösen”, meint der oppositionelle Abgeordnete Navarro Wolf. „Für ein paar Jahre Gefängnis wird erlaubt, dass es einen mehr als fragwürdigen Strafprozess gibt, der nicht die völlige Auflösung der organisierten kriminellen Strukturen garantiert.” Der Analyst Alfredo Rangel sieht kein erfolgreiches Ende des Friedensprozesses in Sicht, da keine einvernehmliche Position gefunden wurde. Das Gesetz sei für die Paramilitärs zu hart, während die Opposition es als zu weich ablehne. „Wenn das Gesetzesprojekt in dieser Form verabschiedet wird, kommt das einem Abbruch des Friedensprozesses gleich”, meint Rangel.
Mit einem Abbruch drohen auch die AUC. „Wenn man zu dem Schluss kommt, dass man wieder in die Berge gehen muss, sind wir von der AUC die Ersten”, tönte Baez am 10. April. Spätestens dann, wenn der Kongress das Gesetz in der jetzigen Form verabschiedet, könnte das eintreten. Vom Frieden scheint Kolumbien noch weit entfernt zu sein.

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