Petrodollar ohne Ölförderung
Verzicht auf die Ausbeutung von Ressourcen zugunsten einer alternativen Entwicklung
Die Idee, an Ölvorkommen zu verdienen, ohne sie zu fördern, ist außergewöhnlich. Sie stammt von mehreren Nichtregierungsorganisationen wie der Acción Ecológica (Ökologische Aktion) und wurde von Erdöl- und Bergbau-Minister Alberto Acosta innerhalb der Regierung vorangetrieben. Diese will einen Fonds einrichten, der jährlich eine Dividende in Höhe von 350 Millionen US-Dollar – in etwa die Hälfte der möglichen Erdöleinnahmen – ausschütten soll. Dieses Geld würde dann ausschließlich für soziale und ökologische Projekte verwendet werden.
Mit dieser Vorgabe hofft die Regierung, sowohl Privatpersonen als auch Regierungen der Industrieländer zu motivieren, in den Fonds einzuzahlen. Etwa vier Milliarden US-Dollar müssten zusammenkommen, um die Idee umzusetzen. Die Petrodollars sollen aus dem Verkauf von ungeförderten Barrels Erdöl kommen. Bei einem Verkauf des gesamten Vorkommens ist nach Berechnungen der Gruppe Ökologische Aktion ein Betrag von fünf US-Dollar je (nicht gefördertem) Barrel ausreichend, um den Kapitalstock des Fonds zu bilden. Ecuador will erreichen, dass Privatpersonen in den Industrieländern das von der Steuer absetzen können. So will Ecuador von den Vorkommen profitieren und trotzdem einen Beitrag zu Klima- und Umweltschutz leisten.
Mehr Ölförderung im Nationalpark?
Die Ölquellen, um die es geht, wurden schon bei Bohrungen der staatlichen Ölgesellschaft Petroecuador im Jahr 1992 entdeckt. Sie werden mit dem Kürzel ITT (Ishpingo-Tambococha-Tiputini) bezeichnet, das für ein Regenwaldgebiet im Osten des Landes steht, unweit der Grenze zu Peru. Ex-Präsident Lucio Gutiérrez versuchte während seiner Amtszeit bereits, die Reserven ohne Teilhabe von Petroecuador an private Investoren aus dem Ausland zu vermarkten. Sowohl US-amerikanische, russische, französische und chinesische Konzerne hatten Interesse signalisiert – unter anderem Chevron Texaco und Total-Fina-Elf. Nach dem Ersten Südamerikanischen Energiegipfel im April in Venezuela (siehe LN 395) ist dagegen im Fall einer Ausbeutung eher eine Kooperation mit brasilianischen oder venezolanischen Konzernen vorstellbar.
Das ITT ist Teil des Nationalparks Yasuní, der seit 1989 UNESCO Biosphärenreservat ist. Der Yasuní wird als eine der Zonen mit der weltweit größten biologischen Vielfalt angesehen. Damit ist der Yasuní sowohl für die Wissenschaft, als auch für den wachsenden Wirtschaftszweig des nachhaltigen Tourismus interessant. Im Yasuní leben Huaorani-Indigene und weitere Gruppen wie die Tagaeri und die Taromenane, die bisher keinen Kontakt zur Außenwelt unterhalten. 1999 wurden 71 Prozent des Gebietes zur „unantastbaren Zone“ erklärt. Das Dekret wurde von UmweltschützerInnen und Indigenen-Organisationen jedoch nie als wirklicher Schutz von menschlichen und natürlichen Lebensräumen angesehen, weil es die Möglichkeiten der Erdölgewinnung offen ließ.
Die Regierung ist sich indes uneins über die Frage, was mit den Ölvorkommen passieren soll, wenn die Idee des internationalen Fonds scheitert. Präsident Correa betont immer wieder, die bevorzugte Option der Regierung sei, das Öl nicht zu fördern. Sollte es jedoch von Seiten der „Internationalen Gemeinschaft“ keinen finanziellen Ausgleich geben, werde man im Interesse der Entwicklung des Landes auf möglichst umweltverträgliche Art und Weise mit der Ausbeutung beginnen. Man könne in diesem Falle verstehen, wenn einzelne Minister die Regierung verließen.
Wechselnde Allianzen
Überraschende Neuigkeiten gab es auch bei einem anderem Thema. Nach der erfolgreichen Volksabstimmung über die Verfassungsgebende Versammlung (siehe LN 394 und 395) wird intensiv über die Bildung von Allianzen debattiert. Bisher wurde erwartet, dass das Regierungsbündnis Alianza PAÍS zusammen mit möglichst vielen Parteien und Gruppierungen des linken Spektrums eine strategische Koalition bilden würde, um eine Mehrheit bei der Wahl zur verfassunggebenden Versammlung am 30. September dieses Jahres zu erreichen. Das Bündnis verkündete kürzlich jedoch entgegen bisherigen Ankündigungen, es werde nicht als Teil einer Einheitsliste zu den Wahlen antreten. Die Alianza PAÍS beschränkte sich darauf, mit den regierungsnahen Gruppierungen Demokratische Alternative und Neues Land (Alternativa Democrática und Nuevo País) ein Kooperationsabkommen für eine gemeinsame Wahlliste zu unterzeichnen. In dem Abkommen werden für die Arbeit in der verfassunggebenden Versammlung acht Leitlinien beschrieben. Sie reichen vom Respekt der Menschenrechte über die Entwicklung einer partizipativen Demokratie bis hin zur Stärkung des Naturschutzes.
Die bisher verbündeten Sozialisten (Partido Socialista – Frente Amplio) zeigten sich von der Entscheidung der Alianza PAÍS überrascht. Sie verhandeln jetzt mit der Indigenen-Partei Pachakutik und dem Netzwerk Ethik und Demokratie des Ex-Präsidentschaftskandidaten León Roldós über eine gemeinsame, inhaltlich regierungsnahe Liste.
Dankbar nahm die eher Correa-kritisch eingestellte ecuadorianische Presse ein Treffen Correas mit den Botschaftern verschiedener Mitgliedsländer der Europäischen Union in der zweiten Maiwoche auf. Themen waren das Länderstrategiepapier Ecuador 2007-2013 der Europäischen Kommission, die Zusammenarbeit zwischen Andengemeinschaft (CAN) und Europäischer Union – und vor allem die innenpolitische Situation der vergangenen Monate.
Botschafter der EU zeigen sich „besorgt“
Mit Blick auf die Entwicklungen während der letzten Monate erklärte der deutsche Botschafter in Quito, Bernd Sproedt: „Für uns als wahre Freunde Ecuadors wäre es nicht ehrlich, die Besorgnis
unserer Länder zu verhehlen.“ Gleichwohl unterstütze man die Regierung in ihren Bemühungen, eine stabile Rechtsordnung zu schaffen und hoffe, dass der Prozess der verfassunggebenden
Versammlung ein demokratischer und gesellschaftsumfassender sein werde.
Bezüglich der Entwicklungszusammenarbeit wies der deutsche Botschafter darauf hin, dass die Europäische Gemeinschaft in den kommenden fünf Jahren 137 Millionen Euro an Mitteln für das Andenland bereit stellen werde. Im zugehörigen Strategiepapier der Kommission wird betont, dass diese Mittel im wesentlichen zwei Zielen dienen sollten: Erstens der Steigerung von Umfang und Wirksamkeit der staatlichen Sozialausgaben und zweitens der Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit und der Erleichterung des Marktzugangs für kleine und mittlere Unternehmen. Hervorgehoben wird in dem Papier der EU-Kommission, dass beides auch wesentliche Themen der Agenda der Regierung Correa seien.
Bei dem Treffen erklärte Correa, er könne die Aufregung nicht nachvollziehen und forderte Europa und die Welt auf, den derzeitigen demokratischen Prozess Ecuadors „zu respektieren und zu unterstützen“. In die gleiche Richtung gingen nach dem Treffen
Mitteilungen von lokalen Nichtregierungsorganisationen, die Äußerungen der EU-Botschafter in Teilen als Einmischung in innere Angelegenheiten werteten.
Während des Treffens im Präsidentenpalast Carondolet signalisierte Correa dann noch das Interesse Ecuadors an dem schon länger diskutierten Assoziationsabkommen zwischen der Andengemeinschaft (CAN) und der Europäischen Union. Dieses Interesse knüpfte er jedoch an die Bedingung, dass ein Abkommen mehr als nur purer Marktlogik folgen müsse, da diese für ihn den „größten Feind der Entwicklung“ darstelle. In diesem Sinne warb Correa ebenfalls für das ITT-Projekt um Unterstützung. Tatsächlich könnten europäische Staaten damit auch eine Vision für ein Ecuador nach den Petrodollars unterstützen.