Politisch korrekt und trotzdem ohne Leben
Ein neuer Ecuador-Reiseführer
Bei so viel Vollständigkeit ist es vielleicht korinthenkackerisch, auf Lücken hinzuweisen, was eine Beschreibung der Lebensweise der Oberschicht angeht, oder die wenig aktuelle Darstellung des Streits zwischen der EU auf der einen und Ecuador und den Bananenexporteuren auf der anderen Seite. Leider fehlen der Schiedsspruch der Welthandelsorganisation WTO zugunsten der bananenproduzierenden Länder von 1997, sowie ein Kommentar zu seinen Auswirkungen.
Doch das ist nicht die eigentliche Schwäche des Buches. Die Themen sind gut ausgewählt und verläßlich recherchiert, aber ihnen fehlt das Leben. Man findet alles, aber das so knapp, daß es nicht befriedigt. Für eine Landeskunde sind die siebzig Seiten zu lang, für eine Annäherung an das Land zu kurz und vor allem zu sachlich. Dadurch werden Darstellungen von Importsubstitution, Caudillos, und Bananenexporten austauschbar; sie gelten in dieser Form für Ecuador ebenso wie für viele andere lateinamerikanische Länder. Wodurch sich die ecuadorianische Variante auszeichnet, das kommt nicht heraus.
Ohne den Anspruch, lückenlos zu sein, wäre vielleicht eine anregendere Heranführung an das Land entstanden. Mit dem einen oder anderen Schwerpunkt hätte Interesse geweckt werden können. Aber vor allem sehnt man sich nach ein paar persönlichen Stimmen – von den AutorInnen oder aus dem Land. Denn Ecuador ist viel widersprüchlicher und komplizierter – viel schöner als man in diesem Buch überhaupt ahnt. Deshalb fehlt zu diesem Buch die Reise. Oder zumindest der lange Atem des Erzählens – den wünscht man sich nach der Lektüre.
Wilma Roos und Omer van Renterghem (Hrsg.): Ecuador in Focus, Latin America Bureau 1997, 80 Seiten, 17.80 DM (ca. 10 Euro).