Programm der Superreichen
Liberalisierung in Lateinamerika und US-amerikanische Globalstrategie
Die herausragende Tatsache der post-kommunistischen Welt ist die wachsende Konkurrenz zwischen USA, Japan und Deutschland um die Vorherrschaft auf den Weltmärkten. Jede wirtschaftliche Supermacht hat sich Herrschaftsgebiete geschaffen, von denen aus die Wettbewerber aus dem Feld geschlagen werden sollen. Die USA haben während der letzten zwei Jahrzehnte ihre Wettbewerbsvorteile in vielen Produktgebieten verloren, zum Beispiel im Automobil- und Elektronikbereich. Hieraus ergab sich für die USA ein riesiges Handelsdefizit sowohl mit Japan (und anderen asiatischen Ländern) als auch in einem geringerem Ausmaß mit Deutschland.
Der Rückzug der US-Truppen aus Europa und Japan bewirkt, daß die NATO und andere militärische Bündnisse den US-amerikanischen Politikern nicht länger als “wirtschaftspolitischer” Hebel dient. Drohende Handelskriege sind scharfe Schwerter, die sowohl US-amerikanische Exporteure und Importeure als auch die US-KosumentInnen insbesondere der niedrigen Einkommensschichten treffen können. Der kongenialste und am besten mit historischen US-Strategien (Monroe-Doktrin, Panamerikanische Union, Allianz für den Fortschritt) zu vereinbarende Weg ist eine regionale Blockstrategie. Innerhalb dieses Blocks könnte die USA als hegemoniale Kraft Handels-, Investitions-, Zins- und Patenteinkünfte aus Lateinamerika herausziehen. Von diesem Standpunkt aus gesehen, sind Lateinamerika und Kanada strategische Quellen für die Akkumulation und den Gewinntransfer, für Zins- und Patenteinkünfte, um die negativen Transfers hinsichtlich anderer Regionen zu kompensieren. Die Handelsbilanzüberschüsse mit den lateinamerikanischen Ländern dienen zur Kompensation der negativen Handelsbilanzen bezüglich Asiens und Westeuropas. Die kostengünstige Produktion in Lateinamerika (Billiglöhne in Mexiko und der Karibik) erlaubt es US-amerikanischen ProduzentInnen in Übersee und auf dem heimischen Markt, mit den weltweiten Wettbewerbern zu konkurrieren.
In diesem Zusammenhang war die Liberalisierung in Lateinamerika notwendig, um dem US-amerikanischen Kapital Zugang zu Märkten und Einkünften zu liefern und somit wettbewerbsfähig zu bleiben. In diesem Sinne ist die Liberalisierung eng mit den globalen strategischen Interessen der USA verbunden. Diese Politik wird von den USA seit den frühen siebziger Jahren konsistent und kontinentweit betrieben. Liberalisierung wurde mittels IWF und Weltbank durch US-amerikanische Offizielle verfolgt: Lateinamerikanische Diktatoren, die die Liberalisierung förderten, wurden finanziert und unterstützt, ein Übergang zu demokratischen Systemen wurde von Washington unter der Bedingung gefördert, daß die neuen demokratischen Systeme die Liberalisierung vertieften. Liberalisierung ist Teil und Grundbaustein der US-amerikanischen globalen Politikstrategie: Insoweit, als Liberalisierung funktioniert hat, hat sie vorrangig zum Nutzen der US-amerikanischen Transnationalen Konzerne (TNC) und Banken funktioniert, aber noch wichtiger war sie für die US-amerikanische Wirtschaft als Ganzes. Liberalisierte lateinamerikanische Volkswirtschaften liefern den USA strategischen Nutzen, um ihre Bilanzen auszugleichen.
Patent- und Lizenzeinkünfte
Der Kampf der USA um die Berücksichtigung von Bestimmungen zum “geistigen Eigentum” innerhalb der Verhandlungen zum Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen (GATT) basiert auf der Tatsache, daß die Einkünfte aus Patenten und Lizenzen immer wichtiger in der Zahlungsbilanz der USA wurden. Zwischen 1972 und dem ersten Vierteljahr von 1994 beliefen die Einkünfte sich auf insgesamt 1,06 Milliarden US-Dollar. Von den sechziger bis zu den neunziger Jahren wuchsen sie förmlich in den Himmel: Betrug der jährliche Durchschnitt in der Dekade 1962/71 2,6 Millionen US-Dollar, stieg der Jahresdurchschnitt in der Periode 1972/81 auf 24,2 Millionen US-Dollar und in der Dekade 1982/91 auf 39,5 Millionen US-Dollar. 1992/93 betrug der Jahresdurchschnitt 189,8 Millionen US-Dollar. Patent- und Lizenzgebühren sind eine Art Renteneinkommmen, das nicht auf produktiven Investitionen beruht. Patent- und Lizenzeinkünfte ziehen Einkommen ab, ohne daß Wertschöpfung stattfindet.
Die wachsende Bedeutung der “Renteneinkünfte” für die Bilanzen der USA ist offensichtlich, wenn wir die US-amerikanischen Erträge aus Investitionen mit denen aus Patenten und Lizenzen vergleichen. Zwischen 1961 und 1971 betrugen die gesamten Patent- und Lizenzeinkünfte ein Drittel des Gesamtgewinns aus Direktinvestitionen (26 zu 76 Millionen US-Dollar). In der Periode von 1972 bis 1981 sank das Verhältnis von Patent- und Lizenzeinkünften zu den Gewinnen aus Direktinvestitonen auf sechs Prozent (242 zu 4176 Millionen US-Dollar). Während der Phase von 1982 bis 1991 stiegen die Einnahmen aus Patenten und Lizenzen auf 395 Millionen US-Dollar, während die Direktinvestitionen in Lateinamerika einen Verlust von 373,9 Millionen US-Dollar erbrachten. In der Zeit von 1992 bis 1993 waren die Einkünfte aus Patenten und Lizenzen dreimal so groß, wie die Profite aus den Direktinvestitionen.
Profite aus Direktinvestitionen
In der zwanzigjährigen Periode von 1962 bis 1981 führten die US-amerikanischen Transnationalen Konzerne 4,25 Milliarden US-Dollar an Gewinnen zurück. Dies war die Boomphase der lateinamerikanischen Ökonomien. Insbesondere von 1972 bis 1981 profitierten die US-amerikanischen Gesellschaften von der ersten Liberalisierungswelle und dem starken Zufluß von ausländischem Kapital nach Lateinamerika.
Mit dem Beginn der Weltrezession 1982 verursachten die Schuldenkrise und die Strukturanpassungsprogramme (SAP) ein Schrumpfen des lateinamerikanischen Marktes. Die Konsumausgaben gingen zurück und die meisten Volkswirtschaften der Region gerieten ins Trudeln. Durch die massive Kanalisierung der Ressourcen in devisenerzeugende Sektoren, um den Schuldendienst leisten zu können, sanken die Gewinnrückführungen in die USA steil ab. In der Phase von 1982 bis 1991 gab es einen Verlust von 373,9 Millionen US-Dollar. Wie sich noch zeigen wird, gibt es eine inverse Beziehung zwischen Zinszahlungen und Gewinnrückführungen: Sofern die Banken große Summen an Zins- und Tilgungszahlungen herausziehen, fallen die Profite aus den produktiven Investitionen. Nichtsdestotrotz lieferte die Schuldenkrise für den IWF und die Weltbank einen Hebel, um die Privatisierung von öffentlichen Unternehmen zu puschen. Viele dieser Firmen wurden von US-amerikanischen TNCs gekauft. Als die begrenzte wirtschaftliche Erholung einsetzte, stiegen auch die Gewinnrückführungen US-amerikanischer Unternehmen wieder an. Im Zeitraum von 1992 bis zum ersten Quartal 1994 wurden 150 Millionen US-Dollar zurücktransferiert. Gegenüber den schlechten Ergebnissen in den achtziger Jahren eine klare Verbesserung, jedoch wurde das Niveau der Periode 1972 bis 1981 bei weitem nicht erreicht. Die Schuldenkrise und die Strukturanpassungsprogramme hatten nicht nur einen nachteiligen Effekt auf die lateinamerikanischen Ökonomien, sondern ebenso eine substantiell negative Auswirkung auf die Ertragslage der US-amerikanischen TNCs.
Zinszahlungen
Zinserträge waren im Untersuchungszeitraum die Hauptquelle bei Privaterträgen aus überseeischen Wirtschaftsaktivitäten. Die wachsende Liberalisierung des Kapitalverkehrs und die Wandlung der USA in einen Gläubiger der lateinamerikanischen Investoren privater oder öffentlicher Provenienz, führte zu erhöhten Schuldenlasten in Lateinamerika. Spiralenförmig ansteigende Zinsen führten zu einem massiven Anstieg der Zahlungen an die USA. Zinszahlungen von Lateinamerika an die USA waren ein bedeutendes Gegengewicht zum US-amerikanischen Handelsdefizit gegenüber Japan und Deutschland. Während die USA dabei gegenüber Lateinamerika in der Gläubigerposition waren, befanden sie sich gegenüber dem Rest der fortgeschrittenen kapitalistischen Staaten in der Schuldnerstellung. Die gesamten Zinszahlungen von Lateinamerika in die USA in der Zeit von 1972 bis 1992 betrugen mehr als 233 Milliarden US-Dollar, wobei 206 Milliarden US-Dollar zwischen 1982 und dem ersten Quartal 1994 transferiert wurden. Diese ausgedehnten Transfers hatten einen äußerst negativen Effekt auf das lateinamerikanische Wachstum und die Im- und Exportnachfrage des Subkontinents. Hingegen boten sie den USA eine ziemlich große Einkommensquelle, um die Defizite gegenüber Japan und Deutschland zu kompensieren.
“Liberalisierung” hat die Folge steigender Zins- und Rentenzahlungen an die USA zu Lasten des Wachstums an Produktivvermögen. Liberale Wirtschaftspolitik erhöhte die Abflüsse durch Zinszahlungen, während es gleichzeitig den Abschluß von Lizenz- und Patentverträgen erleichterte. Privatisierung ermöglichte den Ausverkauf öffentlicher Unternehmen und belebte die Gewinnaussichten wieder.
Die Zahlungsströme in die USA zeigen ein insgesamt spektakuläres Ansteigen im Zuge der Vertiefung der Liberalisierung – insbesondere der Zins- und Rentenzahlungen. Es ist kein Wunder, daß auf einen “freien Markt” gerichtete Politikmaßnahmen zum Kernstück der US-Politik wurden und dies ist ein Grund, warum US-PolitikerInnen bereit sind, demokratische Regierungen, die auf den “freien Markt” orientiert sind, gegen Militärputsche zu unterstützen.
Handel USA-Lateinamerika
Wenn wir nun den US-amerikanischen Handelsüberschuß gegenüber Lateinamerika untersuchen, fügen wir eine andere Dimension der asymetrischen Beziehungen zwischen den USA und Lateinamerika hinzu. Eine Dimension, die für die Unterstützung von “Freihandelsabkommen” durch die USA grundlegend ist. Von den sechziger Jahren bis zum Beginn der Schuldenkrise in den Achtzigern hatten die USA einen substantiellen Handelsüberschuß gegenüber Lateinamerika. In der Phase 1962 bis 1971 betrug der jährliche Überschuß 426 Millionen US-Dollar, in der Zeit von 1972 bis 1981 wuchs der jährliche Überschuß auf 4,3 Milliarden US-Dollar. Das Umschlagen in ein Defizit begann 1983 und hielt bis 1989 an. Das durchschnittliche jährliche Defizit in der Periode 1972/81 betrug 1,725 Milliarden US-Dollar. Mit der ökonomischen Erholung in Lateinamerika begannen die USA erneut einen Handelsbilanzüberschuß zu akkumulieren. Der jährliche Überschuß betrug 1992/93 2,2 Milliarden US-Dollar. Der Handelsüberschuß der USA hatte in der ersten Dekade der Liberalisierung (1970-82) steigende Tendenz. Mit der Schuldenkrise und den Strukturanpassungsprogrammen sanken die US-amerikanischen Exporte nach Lateinamerika, während die Importe infolge der lateinamerikanischen “Exportstrategie” anstiegen. Die vom IWF entworfene “Exportstrategie” sollte Einkommen schaffen, um den Schuldendienst an die Banken zu gewährleisten. Nichtsdestotrotz haben langfristig gesehen, die Strukturanpassungsprogramme neue Möglichkeiten für die USA geschaffen, die lateinamerikanischen Märkte wieder zu erobern und noch tiefer einzudringen. Wenn wir die vier der Schuldenkrise vorangegangenen Jahre (1979-82) mit den Jahren nach der Anpassung (1990-93) vergleichen, beobachten wir, daß die Konsequenzen der vertieften Liberalisierung ein Ansteigen des US-amerikanischen Handelsüberschusses über seine historischen Höchstmarken ist. Während einerseits die Schuldenkrise und die Strukturanpassungsprogramme für die USA einen zeitweisen Verlust an Märkten mit sich brachte, führten sie langfristig über den Wegfall von Schutzmaßnahmen zu einem stärkeren Eindringen und der Übernahme von lateinamerikanischen Märkten. Wenn wir die Handelsbilanz USA-Lateinamerika mit der Handelsbilanz USA-Japan in der Zeit von 1970-82 vergleichen, sehen wir, daß die vorteilhaften Bilanzen gegenüber Lateinamerika teilweise für die Defizite mit Japan aufkommen. Während der Schuldenkrise (1983-1989) machte das Defizit der USA gegenüber Lateinamerika nur ein Bruchteil des Defizites gegenüber Japan aus. Mit der wirtschaftlichen Erholung in Lateinamerika tauchte der Überschuß gegenüber Lateinamerika wieder auf, ist allerdings nur ein Bruchteil des Defizites gegenüber Japan und deckt kaum das Defizit gegenüber Deutschland.
Lateinamerika:
Die kumulative Bilanz
Wenn wir die drei Quellen US-amerikanischen Einkommens aus Lateinamerika addieren (Rente, Handelsgewinn, Unternehmensprofit) und mit den Handelsdefiziten gegenüber Japan und Deutschland vergleichen, verstehen wir die strategische Bedeutung Lateinamerikas für die US-amerikanische Gobalpolitik. Lateinamerikas Beitrag zur weltweiten Stellung der USA wird noch deutlicher, wirft mensch einen Blick auf die Gesamteinkünfte aus Handel, Investitionen, Darlehen und Lizenzabkommen. Zwischen 1962 und 1971 betrug der kumulative Rückfluß in die USA 6,5 Milliarden US-Dollar, 1972 bis 1981 waren es 75,5 Milliarden US-Dollar und im Zeitraum von 1982 bis 1991 156,4 Milliarden US-Dollar und 1992/93 38,1 Milliarden US-Dollar. Ohne die wachsende Ausbeutung Lateinamerikas hätte sich der Niedergang der USA stärker zu Buche geschlagen.
In der Zeit von 1962 bis 1971 betrug das US-amerikanische Einkommen aus Lateinamerika drei Viertel des Handelsdefizits gegenüber Japan und übertraf das Handelsdefizit gegenüber Deutschland um 50 Prozent. In der folgenden Dekade entsprachen die Einkünfte aus Lateinamerika dem Handelsdefizit gegenüber Japan. Im letzten Jahrzehnt von 1982 bis 1991 verdoppelten die USA zwar ihr Einkommen aus Lateinamerika, jedoch wuchs das Handelsdefzit gegenüber Japan um das fünfeinhalbfache und das gegenüber Deutschland gar um das siebenfache. Das selbe Muster scheint sich im gegenwärtigen Jahrzehnt fortzusetzen. Die Liberalisierung Lateinamerikas hat den von den USA angeeigneten Überschuß erhöht. Die wachsende Ausbeutung Lateinamerikas korrespondiert mit der sich verschlechternden Handelsposition der USA gegenüber den Haupthandelspartnern auf dem Weltmarkt.
Milliardäre in Lateinamerika
Parallel zur erhöhten Ausbeutung Lateinamerikas durch die USA haben die auf einen “freien Markt” zielenden Politikmaßnahmen zu einer tiefen Polarisierung der lateinamerikanischen Gesellschaften geführt und eine neue Klasse von superreichen Milliardären hervorgebracht. Diese Klasse ist ein direktes Produkt des Liberalisierungsprozesses: 1987 gab es in Lateinamerika weniger als sechs Milliardäre, 1990 waren es acht, 1991 zwanzig und 1994 gab es schon deren 41. Die meisten der Superreichen waren vor der Liberalisierung Millionäre. Sie wurden Milliardäre durch den Ausverkauf der öffentlichen Unternehmen während der späten achtziger und der neunziger Jahre. Zwangsläufig kontrolliert diese Klasse von Milliardären mit ihrem ausgedehnten Mediennetzwerk und ihren Verbündeten im Staatsapparat die Wirtschaftspolitik und die Wahlprozesse. In Mexiko durch die PRI, in Brasilien durch die korrupte politische Klasse, in Chile durch die Concertación, und in Argentinien, Venezuela und Kolumbien durch die traditionellen zwei großen Parteien. Die Superreichen haben wertvolle Minenkonzessionen, Telekommunikationssysteme, Vermögen im Tourismus und der Industrie erlangt.
Die große Konzentration des Wohlstands auf eine kleine Gruppe von Familien ist eine der auffälligsten “Erfolgsstories” in Lateinamerika: Diese Gruppen haben das Obergeschoß der “Ersten Welt” im wahrsten Sinne des Wortes erreicht. Sie haben nicht nur von der Liberalisierung profitiert – zu Lasten der Bevölkerungsmehrheit – sondern waren dank ihrer Verbindungen zu den liberalen Regierungen die größten Unterstützer der neoliberalen Politik.
Dabei ist der Prozeß der Vermögenskonzentration in Lateinamerika Teil eines weltweiten Prozesses – Produkt der “neoliberalen Konterrevolution.” Im Zeitraum von 1987 bis 1994 stieg die Anzahl der Superreichen in den USA von 49 auf 120, in Asien von 40 auf 86, in Europa von 36 auf 91 und im Mittleren Osten und Afrika von 8 auf 14.
Der Begriff Zentrum/Peripherie erfaßt die Verflechtungen zwischen den superreichen Klassen im Norden und Süden nicht. Diese sind durch eine Vielzahl von Investitionen, Finanz- und Handelskreisen als auch Lizenzierungsabkommen miteinander verbunden. Die Integration der Superreichen in den Weltmarkt und ihre Fähigkeit, den Nationalstaat zu lenken und zu regulieren, damit er ihre internationalen Verbindungen finanziert und subventioniert, ist zur auffälligsten Erscheinung in der Weltpolitik geworden. Globalismus ist das Programm der Superreichen.
Das gleichzeitige Wachstum der Klasse der Milliardäre in Lateinmerika und der Ausbeutung Lateinamerikas durch die USA sind duale Ergebnisse der “neoliberalen Konterrevolution”. Dies ist am offensichtlichsten in den Ländern, die auf dem neoliberalen Pfad am weitesten fortgeschritten sind: Mexiko hat 24 Milliardäre und war die Hauptquelle des Handelsgewinns, der Lizenz- und Profiteinkommen für die USA. Brasilien mit sechs, Argentinien, Chile und Kolumbien mit jeweils drei und Venezuela mit zwei Milliardären folgen.
Der Hauptgrund für die wachsende Armut und den Abbau im Gesundheits- und Bildungswesen liegt in der Umverteilung der öffentlichen Ressourcen zum Privatsektor und innerhalb des Privatsektors zu den sehr Reichen. “Neoliberalismus” ist in seiner Essenz eine Beschönigung für die Konzentration des Einkommens durch die internationale Regulierung der Staatspolitik. Einkommen wird nach oben und nach außen transferiert. Die Armen werden dem Überlebenskampf überlassen: Mit marginalen Kleinstunternehmen, mit informeller Beschäftigung und mit Almosen aus Projekten, die von Nicht-Regierungs-Organisationen gesponsert werden, versuchen sie, sich über Wasser zu halten.
Jedenfalls ist Liberalisierung nicht oder nicht bloß eine “Entwicklungsstrategie”, die ausgearbeitet wurde, um Lateinamerikas Integration in den Weltmarkt zu erleichtern. Noch ist sie ein unvermeidliches Produkt eines immanenten “Globalisierungsprozesses”. Eher ist Liberalisierung ein Produkt von US-amerikanischen Wirtschaftspolitikern, Bankern und Transnationalen Gesellschaften, die mit lateinamerikanischen transnationalen Kapitalisten verbunden sind. Es sind spezifische Klassen und Staatsinteressen und nicht Imperative des Weltsystems, die die neue liberale politische Ökonomie diktieren. In diesem Sinne muß die Umkehrung der Liberalisierung auf der nationalen Ebene innerhalb der Klassenstruktur beginnen und dann nach oben und außen weitergetragen werden.