Kolumbien | Nummer 466 - April 2013

Protest zu Schiff

Elbblockade gegen das Kohlekraftwerk Moorburg und den Import von Kohle aus Kolumbien

Das Bündnis gegenstrom.13 will mit einer symbolischen Elbblockade gegen den Import von Kohle aus Kolumbien und gleichzeitig gegen das neue Kraftwerk in Moorburg demonstrieren. Die LN sprachen mit Volker Gajewski, einem Mitbegründer von gegenstrom.13, über die Hintergründe des Protests.

Interview: Antonia Schaefer

Mit 30 Schiffen soll im Zuge der Demonstration Ihrer Initiative die Elbe blockiert werden. Wie muss man sich den Ablauf einer solchen Blockade vorstellen?
Zunächst treffen wir uns um 15:30 Uhr am Hansahafen. Wenn sich alle Schiffe gesammelt haben, geht es dann an den Landungsbrücken vorbei zum Dock 10, wo wir voraussichtlich zwei Stunden symbolisch die Elbe bei leicht auflaufendem Wasser blockieren werden. Da kommt dann auch tatsächlich keiner durch: Das ist eine angemeldete Demonstration und die Wasserschutzpolizei wird die Elbe absperren. Danach geht es weiter zum Kohlekraftwerk Moorburg, wo die Abschlusskundgebung stattfindet. Da die Blockade während des Hafengeburtstags stattfindet, können wir hoffentlich viel Aufmerksamkeit auf uns lenken. Auch in Kolumbien werden zur selben Zeit Proteste stattfinden.

Die beiden Themen des Protests sind die Arbeitsbedingungen in Kolumbien zur Gewinnung der Steinkohle und die Umweltbelastung durch das Kraftwerk Moorburg, das 2014 ans Netz gehen soll. Welches der Themen nimmt den größeren Raum in Protest ein?
Wir haben uns als Bündnis gegenstrom.13 darauf geeinigt, dass beide Kampagnenbereiche gleichwertig in unseren Protest aufgenommen werden. Die Steinkohlegewinnung in Kolumbien bringt miserable Arbeits- und Lebensbedingungen für Minenarbeiter und Bewohner der Umgebung mit sich. Das ist zwar schon länger bekannt, dringt aber in Deutschland kaum an die Öffentlichkeit. Bedauerlich ist das, weil Deutschland weltweit zu den großen Importeuren kolumbianischer Kohle zählt. Moorburg ist für uns selbstverständlich interessant, da uns die Auswirkungen des Kohlekraftwerks direkt betreffen werden. Da Vattenfall plant, Kohle aus Kolumbien auch in Moorburg zu verwenden, sind beide Themen im Moment für Hamburg aktuell.

Welche Rolle kann das Kraftwerk Moorburg für Hamburg spielen? Vattenfall betont, durch neue Technologien würde Moorburg eines der umweltfreundlichsten Kohlekraftwerke.
Von umweltfreundlich kann keine Rede sein: Das Kraftwerk hat bei Volllastbetrieb einen Ausstoß von neun Millionen Tonnen CO2 jährlich. Die wirklich neuen Technologien beschäftigen sich in Norddeutschland mit Windenergie. Daher ist gerade diese Region energietechnisch versorgt. Deshalb, aber sicherlich auch wegen der zahlreichen Proteste, wurden von den 15 in Norddeutschland geplanten Kohlekraftwerken elf abgesagt, beziehungsweise verhindert. Moorburg ist völlig überflüssig und wegen seiner Emissionen hochgradig unverantwortlich. Selbst Vattenfall sagt, dass der Bau des Kraftwerks rückblickend ein Fehler war. Aber der zukünftige Betrieb soll zumindest einen Teil der Baukosten von drei Milliarden Euro wieder abdecken. Nebenbei wird das Kraftwerk von der Mehrheit der Hamburger abgelehnt.

Wie groß ist in etwa der geplante kolumbianische Anteil der Kohle, die in Moorburg verbrannt werden soll?
Stromerzeuger in Deutschland sind gesetzlich nicht verpflichtet, die Herkunft ihrer Kohle zu belegen. Mitarbeiter Vattenfalls haben uns aber die geplante Verwendung kolumbianischer Kohle für Moorburg bestätigt. Mit Lieferscheinen in andere Kraftwerke Vattenfalls können wir beweisen, dass der Konzern schon jetzt große Teile der Kohle aus Kolumbien importiert. Außerdem sagt Vattenfall ganz offiziell, dass Moorburg ausschließlich Kohle aus dem atlantischen Raum beziehen wird. Die USA als ein weiterer großer atlantischer Kohleexporteur werden ihren Export nun aus Klimaschutzgründen komplett einstellen – so Obama. Außerdem ist Kolumbien der weltweit billigste Anbieter. Man kann also davon ausgehen, dass ein Großteil der Kohle aus Kolumbien stammen wird.

Sie selbst sind gerade aus der kolumbianischen Region La Guajira zurückgekehrt. Dort befindet sich El Cerrejón, die größte Steinkohlemine Lateinamerikas. Wie prägt die Mine die Lebensumstände vor Ort?
Vielleicht zunächst ein drastischer Punkt: Von 5.000 Minenarbeitern sind mittlerweile laut der Gewerkschaft Sintracárbon 700 chronisch krank: Staublunge, Magenkrebs, Probleme mit der Wirbelsäule und Blei im Blut sind die am häufigsten genannten Erkrankungen. Die Gewerkschaft kämpft auch um die Anerkennung dieser Krankheiten als Berufskrankheiten, was vom Konzern verweigert wird. Dazu kommen die Umweltbelastungen: Die Luft ist so staubbelastet, dass die 15 Kilometer entfernte Bergkette während des Streiks erstmals seit vielen Jahren wieder zu sehen war. Ein weiteres großes Problem sind die extreme Wasserverschmutzung und der Wassermangel. Die 40 mal 15 Kilometer lange Mine sorgt durch intensive Waschungen und ungefilterte Weiterleitung dafür, dass die mehrheitlich indigenen Anwohner kaum noch Zugang zu sauberem Wasser haben. Auch versteppt die Gegend zusehends. Das liegt an der Grundwasserabsenkung durch die Mine und der dort besonders intensiven Klimaerwärmung. Allein das zwingt die Gemeinden schon teilweise zum Weggehen – was wiederum dem Konzern zugutekommt, da die Mine ständig vergrößert wird. Gehen Gemeinden nicht freiwillig, so werden sie zwangsumgesiedelt.

Gegen solche Maßnahmen muss es doch Widerstand geben?
Der Widerstand der indigenen Gemeinden, die zum Großteil aus Wayuus besteht, ist friedlicher Natur. Trotzdem werden häufig staatliche Gewalt oder Paramilitärs eingesetzt, um Widerstand im Keim zu ersticken. Bei Zwangsumsiedlungen bleibt den Betroffenen kaum eine andere Wahl als die „Entschädigungen“ des Konzerns entgegen zu nehmen. Im Normalfall bedeutet das 4.000 Euro pro Grundstück und Haus. Doch für diesen Preis kann man auch in Kolumbien kein adäquates Grundstück finden, geschweige denn ein Haus. Die Alternative wäre ein langer Rechtsstreit gegen einen Konzern, der 60 Prozent des Bruttoinlandsproduktes der Region erwirtschaftet. Das ist für die Anwohner dieser Region finanziell überhaupt nicht machbar. Die Gewerkschaft Sintracarbón hat es nun zum ersten Mal gewagt, wegen der gesundheitsbelastenden Bedingungen und der niedrigen Löhne zu streiken. Dieser Streik hat zu einer Art Kompromiss mit dem Konzern geführt. Von akzeptablen Arbeitsbedingungen kann deshalb jedoch nicht gesprochen werden. Der Druck auf die Streikenden war dabei enorm: Zum einen gibt es dort keine Streikkasse; zum anderen wurden die Streikführer und ihre Familien mit Todesdrohungen von den ultrarechten Paramilitärs belegt.

El Cerrejón wird von drei internationalen Konzernen mit je einem Drittel Geschäftsanteil geführt. Welche Auswirkungen hat das auf die aktuelle Situation? Hat die kolumbianische Regierung Einfluss auf den Konzern?
Es ist umgekehrt: Die drei Konzerne BHP Billington, Anglo American und Glencore sagen der kolumbianischen Regierung, wo es lang geht. Als weltweit operierende Konzerne sind sie das auch so gewohnt. BHP Billington hat beispielsweise die australische Regierung wegen seines riesigen Ölfelds im Irak zum Eintritt in den Golfkrieg genötigt. Der zweite Konzern, Anglo American, hat letztes Jahr in Südafrika 12.000 streikende Platinminen-Arbeiter kurzerhand entlassen. 45 Arbeiter wurden während des Streiks ergeschossen. Anglo American ist außerdem Weltmarktführer beim blutigen Geschäft mit Diamanten. Auch die Deutsche Bank kooperiert mit diesen Konzernen, indem sie maßgeblich deren Investitionen bei der Erweiterung der kolumbianischen Kohleminen finanziert. Die Deutsche Bank ist für die Minenindustrie und deren Auswirkungen klar mitverantwortlich und verdient kräftig mit. Die kolumbianische Regierung unterstützt die Konzerne, wahrscheinlich auch wegen der Großgrundbesitzer, die an den Minen mitprofitieren. Diese Gruppe hat in Kolumbien viel zu sagen und bezahlt die rechten Paramilitärs.

Demonstrationen sind häufig schnell vergessen, was erhoffen Sie sich von der Elbblockade und ihren Besuchern?
Da unser Protest auf eine besonders symbolische Weise aufgezogen wird, erhoffen wir uns vor allem Aufmerksamkeit: Während des Hafengeburtstags werden wir sie hoffentlich bekommen. Wir planen Aufrufe, ein Konzert auf der Jolly Roger Bühne und eine Live-Übertragung von und nach Bogotá. Mit der hohen Beteiligung vieler bekannter Gruppen wie FIAN und ATTAC! und der Präsenz von hoffentlich 40 bis 50 Schiffen können wir es vielleicht schaffen, auf die katastrophalen Bedingungen des Kohleabbaus in Kolumbien aufmerksam zu machen – ein Thema, das sonst in den deutschen Medien kaum Raum einnimmt. Und wir wollen auch erreichen, dass das Kohlekraftwerk Moorburg weiter in Frage gestellt wird. Die geplante Inbetriebnahme 2014 ist angesichts der sich zuspitzenden Klimakrise völlig unverantwortlich und auch für unsere Energieversorgung absolut sinnlos. Vielleicht können wir etwas bewegen.

Infokasten:

Elbblockade zum Hafengeburtstag
Am 10. Mai wird kein Schiff die Elbe hochfahren. Zumindest nicht zwischen 16 und 18 Uhr. Dafür will das Bündnis gegenstrom.13 sorgen, das mit einer symbolischen Elbblockade gegen das Kohlekraftwerk in Moorburg demonstrieren will. Unter dem Leitspruch „Menschenrechte statt Milliardengewinne“ sollen möglichst viele Boote und Schiffe eine Kette im Hamburger Hafen bilden. Die Kampagne richtet sich ganz grundsätzlich gegen das Kohlekraftwerk Moorburg, da es ein Klimakiller ist und mit Feinstaub und Schadstoffen ganze Stadtteile Hamburgs betreffen würde. Zudem richtet sich gegenstrom.13 im Besonderen gegen den geplanten Kohleimport aus Kolumbien wegen der fatalen sozialen und ökologischen Umstände und Folgen des Kohleabbaus dort.
Mehr Informationen: http://www.gegenstrom13.de
Kontakt für Boote und Schiffe: schipper@gegenstrom13.de

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