Land und Freiheit | Nummer 297 - März 1999

Rechtsmittel im Kampf um Land

Rechtshilfefonds unterstützt KleinbäuerInnen in Mittelamerika

Seit mehr als einem Jahr berichten wir in loser Folge über die Landkämpfe in Mittelamerika. Dort müssen die KleinbäuerInnen zunehmend rechtliche Mittel ergreifen, um ihren Ansprüchen Geltung zu verschaffen. Der Rechtshilfefonds der Infostellen zu Guatemala, El Salvador und Nicaragua unterstützt ihre Bemühungen. Was mit den Spenden bisher erreicht wurde, soll länderspezifisch dokumentiert werden – den Anfang macht in dieser Ausgabe Nicaragua.

Klaus Heß

Mit der (Re-) Privatisierung des staatlichen Bananensektors erhielten 1991 die Landbesitzer ihr Land zurück. Gleichzeitig erhielten die ArbeiterInnen einen Anteil von 25 Prozent an einer neu gegründeten Bananenexportfirma zuzüglich eines entsprechenden Gewinnanteils an den vermarkteten Bananen. Den Gewinnanteil legten die ArbeiterInnen in einem eigenen Unternehmen an, der TRABANIC SA (BanananenarbeiterInnen Nicaragua AG). Doch bereits Ende 1993 kam starke Unzufriedenheit und Kritik auf. Grund war die mangelnde Transparenz, mit der das Unternehmen von den Funktionären der ATC-Gewerkschaft geführt wurde. Eine Gruppe von ArbeiterInnen, AktionärInnen von TRABANIC SA, gründete eine Kommission, um eine außerordentliche Vollversammlung durchzuführen. Dort wollten sie eine ordnungsgemäße Buchführung und ein Mitspracherecht bei Investitions- und Gewinnentscheidungen durchsetzen.

Die Gewinne denen, die die Bananen anbauen

Die Unternehmensleitung boykottierte die Generalversammlung der AktionärInnen. Daraufhin wurde die Rechenschaft gerichtlich eingeklagt. Die Kommission konnte den ATC-FunktionärInnen mittlerweile verschiedene Vergehen nachweisen: Veruntreuung von Geldern in großem Stil und Investitionen von Gewinnen (zum Beispiel in die Krabbenzucht), ohne die ArbeiteraktionärInnen zu konsultieren. Die Nutznießer dieser Investitionen sind nicht die ArbeiteraktionärInnen, sondern eine kleine Gruppe von hohen FunktionärInnen.
Seither laufen juristische Verfahren. Zuerst wurde eine gerichtliche Ersatzverwaltung eingesetzt. Diese Maßnahme wurde kurze Zeit später wieder zurückgenommen, da die Unternehmensleitung die Richterin unter Druck setzte, sich für nicht zuständig zu erklären. Im November 1996 wurde gegen den Präsidenten von TRABANIC SA, Marcelino García, ein Haftbefehl erlassen, der nie vollzogen wurde. Vielmehr wurde García trotz Protesten der Kommission als Abgeordneter der FSLN im neuen Parlament vereidigt. Die Kommission gibt allerdings nicht auf. Ein Teil der ArbeiteraktionärInnen will ihre Anteile aus TRABANIC zurückziehen, um ein eigenes selbstverwaltetes Unternehmen zu gründen. Sie fordern weiterhin ihren Anteil an den Gewinnen, der ihnen die letzten Jahre vorenthalten wurde.
Das Informationsbüro Nicaragua unterstützte diese Auseinandersetzungen um die Rechte der ArbeiterInnen mit DM 3000,- aus dem Rechtshilfefonds.

Eine neue Zukunft in der Baumwollregion

Seit 1991 sind die ehemaligen Staatsbetriebe „La Pistola“, „Regina“, „San Luis“, „Ophelia“ und „Escuadra“ von den LandarbeiterInnen besetzt und werden in eigener Regie als Genossenschaft (ADEPAL) geführt. Bis 1993 folgten gewaltsame Auseinandersetzungen, Räumungen, ein Abbrennen der Hütten durch die Polizei und Wiederbesetzungen. Vergeblich versuchten die fünf Arbeitskollektive ihre Rechte durch eine einstweilige Verfügung abzusichern. Anfang 1996 reichten die ehemaligen BesitzerInnen ihrerseits Klagen auf Landrückgabe und Entschädigung für entgangene Gewinne ein. Das Informationsbüro hat den LandarbeiterInnen bisher 7372,50 DM aus dem Rechtshilfefonds zur Verfügung gestellt.
Inzwischen haben die BesetzerInnen einen Teilerfolg erzielt: Die Finca „La Pistola“ ist vom Agrarreforminstitut den BesetzerInnen überschrieben worden. Die Fincas „Escuadra“ und „Regina“ werden von den Erben der ehemaligen EigentümerInnen beansprucht, die heute in Kanada leben. Wegen Formfehlern bei der Anklage und Einsprüchen liegt der Fall zur Zeit auf Eis.
Im Falle von „San Luis“ und „Ophelia“ entschied das Gericht in erster Instanz zugunsten der ehemaligen BesitzerInnen. Aufgrund des Einspruchs der BesetzerInnen ist die zweite Runde noch offen.
Seit dem Amtsantritt der ultrareaktionären Regierung Alemán hat sich der Schwerpunkt trotz laufender juristischer Verfahren wieder auf die politische Ebene verlagert. Mit einer propagandistischen und polizeilichen Offensive will Alemán die Rückgabe von Land an die alten Grundbesitzer, auch an den Somoza-Clan, erzwingen. In der Zeitung Nuevo Diario wurde eine Liste von Fincas veröffentlicht, die laut Regierungsbeschluß geräumt werden sollen, darunter auch alle fünf Betriebe von ADEPAL. Die Großgrundbesitzer der Umgebung begannen Landlose zu organisieren, um die fünf Fincas zu besetzen und einen Konflikt unter den Landlosen zu schüren. Die BesetzerInnen begannen sich wieder zu mobilisieren; durch Pressearbeit konnten sie die Pläne verhindern und halten weiterhin alle fünf Betriebe besetzt. Mittlerweile hat sich der Verantwortliche für die Agrarreform in der Region öffentlich für eine Legalisierung aller Betriebe ausgesprochen, da die Böden gut genutzt und die Betriebe stabil organisiert seien. Mit dem Eigentumsgesetz vom Herbst 1997 wurde wieder mehr Raum für Verhandlungslösungen geschaffen.
Der Fonds kam nicht nur ADEPAL-Mitgliedern, sondern allen die ihr Land verteidigen wollen, zugute. Auf einem Treffen mit allen BesetzerInnen wurde vereinbart, daß ADEPAL den Fonds verwaltet. Die Ausgaben sollten pro Kopf umgelegt und zinslos mit den nächsten Ernten zurückgezahlt werden. Nur die unmittelbar juristischen Kosten wurden umgelegt, nicht die Kosten für die Öffentlichkeitsarbeit. Dadurch bleibt der Fonds für kommende Auseinandersetzungen erhalten und die Kosten für die Landlegalisierung können bestritten werden. Die einzelnen Gruppen machen von sich aus Vorschläge, wie sie die Kosten zurückzahlen wollen. Die Mitglieder von “San Luis”, mehrheitlich nicht in ADEPAL organisiert, haben vereinbart, daß sie dies über freiwillige Arbeiten bei ADEPAL regeln.

KASTEN

Der Landraub geht weiter

Während der Hurrikan Mitch hierzulande bereits wieder in Vergessenheit gerät, hat die Katastrophe für die Menschen vor Ort noch lange kein Ende.

In den ländlichen Regionen, die vom Hurrikan am stärksten betroffen wurden, wird die (Über-)Lebenssituation immer prekärer. So ist die Grundversorgung mit Lebensmitteln für die Landbevölkerung ungesichert und unzureichend.
Die Großgrundbesitzer versuchen diese Situation auszunützen, um billig Landtitel zu erwerben. Bereits einige Wochen nach dem Hurrikan machten sie KleinbäuerInnen entsprechende Kaufangebote. Durch die Verluste der Ernte, der Arbeitsgeräte, von Kleinvieh und bebaubaren Böden gebeutelt, ist ein Teil der BäuerInnen allzuschnell bereit, ihr Land aufzugeben. Für viele erscheint die derzeitige Situation völlig ausweglos: zum einen können sie aufgrund der Ernteverluste ihre Kredite nicht zurückzahlen und zum anderen erhalten sie keine frischen Kredite, um die Neuaussaat und die Rekultivierung der verwüsteten Böden in Angriff zu nehmen.
Doch trotz der verheerenden Situation ist es bisher nur in geringem Maße zu Landbesetzungen gekommen, die in direktem Zusammenhang mit Mitch stehen. So besetzten z.B. in der durch den Vulkan Casitas zerstörten Gegend um Posoltega ca. 400 BäuerInnen drei Fincas, die zusammen ca. 1600 manzanas (1 manzana = 0,705 Hektar) zählen. Das Land gehörte ursprünglich einer überschuldeten Kooperative, die nun gepfändet werden soll. Die BesetzerInnen sind Überlebende und Landlosgewordene aus der Umgebung des Casitas. Ihnen hat die Regierung, ohne sie vorher zu konsultieren, 2400 manzanas teilweise zerstörtes Land genommen, um ein riesiges Mahnmal (eine Art Park) für die Opfer des Casitas zu schaffen. Die Überlebenden beklagen hingegen die mangelnde Unterstützung und Grundversorgung durch die Regierung. Darüber hinaus nimmt sie noch ihr Land, ohne einen Ausgleich bzw. eine andere Existenzgrundlage zu schaffen. Deswegen fordern sie neues Land, um zumindest ihren Eigenbedarf sicherstellen zu können. Bisher verlief die Besetzung friedlich, es kam weder zu Räumungsversuchen noch sind Konflikte mit der Kooperative, die das Land nicht mehr voll bearbeiten konnte, bekannt.
Vor dem Hintergrund, daß das Land in Folge der Pfändung wahrscheinlich in die Hände von Großgrundbesitzern gefallen wäre, ist die Besetzung einerseits ein wichtiger Schritt um diesem Prozeß entgegenzuwirken, andererseits stellt sich natürlich die Frage, was aus den ehemaligen LandbesitzerInnen der Kooperative geworden ist, die ja nun ebenfalls landlos sind und nach einer neuen Zukunftsperspektive suchen müssen. Es zeigt sich also, daß eine Umstrukturierung des Landbesitzes weiter aussteht und die Landfrage nach wie vor ungelöst ist. Im Gegenteil: die Folgen des Hurrikans werden dazu benutzt, Agrarland für die großen Produzenten herauszuschlagen, was eine weitere Landflucht mit all den bekannten Problemen zur Folge hat (Ansiedlung in den Rand-/Hanglagen der Städte, vermehrter Anbau für den Export statt für den Eigenbedarf, Zerstörung sozialer Strukturen).
Daß es insgesamt nur spärlich zu Landbesetzungen kam, liegt sicherlich auch daran, daß weder die ATC noch die FSLN Besetzungen fördern, wie es noch 1990 der Fall war. Die Menschen sind weitgehend auf sich alleine gestellt. Hinzu fragen sie sich immer mehr, wofür sie das Land bearbeiten sollen, fürchten sie doch eine erneute Katastrophe, die all ihre Bemühungen ein würdevolles Leben auf dem Lande zu führen, zunichte machen würde. Weitere Wirbelstürme für 1999 sind bereits vorhergesagt.
Die Ausnutzung der Lage seitens der GroßgrundbesitzerInnen zeigt, daß es wichtig und notwendig ist, die Arbeit von Basisorganisationen, die immer wieder nach Alternativen suchen und den Landverkauf verhindern wollen, zu unterstützen. Letztlich hat sich beim Hurrikan gezeigt, daß die Basisorganisationen am ehesten in der Lage waren, Katastrophenhilfe zu leisten, während diese von offizieller Seite her weitgehend ausblieb. Noch ist es zwar zu früh, um zu behaupten, daß die Basisorganisationen durch ihre bewiesene Handlungsfähigkeit gestärkt wurden. Festzustellen ist jedoch, daß ihr Ansehen in der Bevölkerung gestiegen ist.
Informationsbüro Nicaragua

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