Jamaika | Nummer 466 - April 2013

Saturn-Clip schlägt in Jamaica ein

Elektronikkonzern zieht Werbevideo nach heftigen Protesten aus dem Verkehr

Bessere Technik für den Weltfrieden: Dieser ironisch überdrehte Ansatz der Medienkette Saturn ging beim jüngsten Werbespot kräftig schief: Eine brennende jamaicanische Flagge sorgte für virtuellen, politischen und diplomatischen Aufruhr auf der Karibikinsel. In Deutschland hat davon außer dem Außenministerium und dem Konzern kaum jemand etwas mitbekommen. Der Elektronikriese entschuldigte sich inzwischen und zog den Spot zurück.

Martin Ling

Er wird es wohl weder ins Kino noch ins Fernsehen schaffen: der 73 Sekunden dauernde Werbespot von Saturn, der im Februar online Probe lief. Bei Werbeleuten kam der Spot überwiegend gut an, vor allem seine handwerkliche Güte.
Doch gut gemacht und auch kaum böse gemeint, hat der Clip in Jamaica dennoch jede Menge böses Blut verursacht. Dabei benutzte Saturn exakt dieselbe Masche wie beim Vorgängerclip: Statt eines alten Röhrenfernsehers, der bei einer Sport-übertragung den Geist aufgibt und damit Tumulte auslöste, die sich in das Viertel ausbreiten und zu einem Polizeieinsatz führen, ist es dieses Mal eine den Geist aufgebende Espresso-Maschine, die dieselbe Folgenkette nach sich zieht. Aber beginnen wir am Anfang: Eine defekte Kaffeemaschine setzt im Coffee-Shop eine jamaicanische Flagge in Brand, die Ladenbetreiber bringen sie mit Müh und Not nach draußen und trampeln das Feuer auf der Flagge aus.
Was im Spot zu einem jamaicanischen Volksaufstand führt, fand ungewollt in der Realität virtuell wie politisch statt. Wer auch immer das virtuelle Feuer entfachte, nachdem der Videoclip ab Februar auf den Websites von Saturn und der den Clip produzierenden Werbeagentur Scholz & Friends kursierte, es zeigte Wirkung.
In Jamaica brachte es der Skandal der brennenden Nationalflagge auf die Titelseiten der wichtigsten Tageszeitungen The Gleaner und Daily Observer, in die Hauptnachrichten und ins Parlament. Die jamaicanische Botschafterin in Deutschland, Joy Wheeler, wurde ebenso in die Spur geschickt wie Jamaicas Außenminister Arnold Joseph Nicholson, um den Konzern sowie das Auswärtige Amt zu Stellungnahmen zu drängen. Denn beim Verbrennen der Nationalflagge hört für viele Jamaicaner_innen der Spaß auf, im Internet ließen sie ihrer Empörung freien Lauf. So stellten viele die Frage, warum ausgerechnet eine jamaicanische, anstatt beispielsweise eine deutsche oder US-amerikanische Flagge brennen musste? Saturns offizielle Antwort: Gerade um die Absurdität der Handlung zu unterstreichen, habe man ganz bewusst die Flagge einer so beliebten Nation wie Jamaica gezeigt. Das ist gründlich misslungen, doch hat der Elektronikriese das teure kulturelle Missverständnis Ende Februar bereits korrigiert: „Wir wollen durch die Rücknahme des Spots den Respekt, den wir für das Land Jamaica und seine Bevölkerung empfinden, zum Ausdruck bringen.“ Von der Saturn und der Agentur-Website ist der Clip verschwunden, doch was einmal im Netz, bleibt dort. (siehe: www.youtube.com/watch?v=tUTYrqTbuI4)
Mit einem Mangel an Humor haben die harschen Reaktionen in Jamaica nichts zu tun. Vielmehr mit dem empfundenen Mangel an Respekt. Das zeigt sich an der Reaktion auf ein VW-Werbevideo, das im Super Bowl-Finale lief und indem ein weißer US-Amerikaner den jamaicanischen Patois-Akzent imitierte (www.youtube.com/warch?v=9H0xPWAtaa8). In den USA führte das zu Rassismus-Diskussionen – aus Jamaica gab es indes ein Gegenvideo mit einem deutsch sprechenden schwarzen Jamaicaner (siehe: www.youtube.com/watch?v=zvHEg7l3tlg). Und alle haben sich köstlich amüsiert.

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