Saubere Zukunft mit dreckigen Metallen?
In Peru zeigt sich die Schattenseite der globalen Energiewende
Guillermo Martínez Pinillo ist Teil des Umweltaktivismus-Netzwerks Red Catequil, das in den Regionen La Libertad und Ancash im Nordwesten Perus aktiv ist. Gemeinsam mit der lokalen Bevölkerung wehrt er sich seit Jahrzehnten gegen die Umweltauswirkungen des Bergbaus. Zwei der größten Projekte in Ancash, die Goldmine Pierina und die Kupfermine Antamina, befinden sich in unmittelbarer Nähe des Río Santa, einer wichtigen Wasserader der Region. Beide standen bereits im Mittelpunkt von Konflikten wegen Wasserverschmutzung und der Beeinträchtigung des Quellwassers.
Martínez verweist auch auf das wachsende Problem des illegalen Bergbaus: „Im Quellgebiet gibt es eine Menge handwerklichen Bergbau, der mangels staatlicher Präsenz wenig kontrolliert wird. Er siedelt sich an verlassenen Abbaustätten an, sodass in den verlassenen Minenschächten wieder Mineralien abgebaut werden.“ Der illegale Bergbau wird durch die steigenden Metallpreise immer lukrativer und breitet sich in Peru rasant aus. An den Zuflüssen des Río Santa in La Libertad steht der illegale Abbau in Quellgebieten im Zusammenhang mit der Verschmutzung von vier weitereren Flüssen, wie unter anderem dem Río Moche.
Das Red Catequil versteht sich als Sprachrohr lokaler Umweltschützer*innen, die im Rahmen von kommunitärem Umweltmonitoring die Verschmutzungen beobachten und darüber informieren. „Ein Großteil der Informationen, über die wir verfügen, stammt von den Gemeinden, also den zivilgesellschaftlichen Gruppen, die auf die Verschmutzung aufmerksam machen“, erzählt Martínez. „Vor allem hilft das kommunitäre Umweltmonitoring der Bevölkerung. Im Hochland, in La Libertad und dem angrenzenden Cajamarca gibt es sechs kommunitäre Umweltüberwachungs- und -kontrollkomitees. Die Komitees sind in einem überregionalen Gremium zusammengeschlossen und Teil einer kürzlich gegründeten nationalen Koordinierungsstelle für die Umweltüberwachung.“ Es sind vor allem Kleinbäuer*innen, die in den comites de vigilancia ambiental y monitoreo comunitario in den betroffenen Gebieten regelmäßig die Wasserqualität der Flüsse kontrollieren. Ein Pionier bei der Organisation der Monitoring-Prozesse ist die Umweltschutzorganisation AMAS Marianistas, die auch vom landesweiten Umweltaktivismus-Netzwerk Red Muqui begleitet wird.
Im Moment, so beschreibt es Martínez, sorgen ihn insbesondere die Eisenoxidverfärbungen des Río Santa. Diese traten im September auf und verraten Verunreinigungen durch Mineralienabbau. Die Regionalregierung hatte im August davor gewarnt, dass der Fluss aufgrund von Kontaminierung durch Bergbauabfälle mit Eisen, Arsen und Mangan verschmutzt sei, was ein Gesundheitsrisiko darstelle. Der Río Santa ist einer der wasserreichsten Flüsse an der peruanischen Küste und mündet im Norden des Landes in den Pazifik. Seine Verschmutzung stellt ein gravierendes Problem für die Landwirtschaft und die Trinkwasserversorgung dar und gefährdet Menschenleben in Ancash und La Libertad.
Gold und Kupfer machen 80 Prozent der peruanischen Metallexporte aus, daneben sind es vor allem Zink und Eisen, die exportiert werden. Insbesondere die Nachfrage nach Kupfer steigt durch die Elektrifizierung im Rahmen der Energiewende. Peru ist der zweitgrößte Kupferexporteur der Welt. Deutschland gehört im Jahr 2024 zu Perus fünf größten Kupferabnehmern.
Immer wieder kommt es zu Umweltverschmutzungen und Menschenrechtsverletzungen –direkt und indirekt durch den Bergbau. „Ein weiteres Problem ist der Menschenhandel zum Zwecke der Ausbeutung der Arbeitskraft und der sexuellen Ausbeutung. Dies betrifft auch die Rekrutierung von Minderjährigen“, so Martínez. Er erklärt, dass dies in vielen Teilen des Landes vorkomme. Im Süden des Landes, im sogenannten Bergbaukorridor, ist vor allem die Indigene Bevölkerung betroffen.
Doch die lokale Bevölkerung und Aktivist*innen, die auf die diversen Probleme aufmerksam machen und sich gegen den weiteren Ausbau von Berkwerken wehren, finden bei den staatlichen Behörden keine Unterstützung. Stattdessen sind sie immer wieder starker Repression und Kriminalisierung ausgesetzt, wie Edwin Alejandro Berrospi vom Red Muqui kritisiert. Seit 21 Jahren begleitet das Netzwerk betroffene Gemeinden und hilft ihnen, ihre Rechte einzufordern. Die Aktiven erleichtern den Zugang zu Informationen oder leisten technische Unterstützung, etwa beim Umweltmonitoring. Sie zeigen die negativen Folgen der peruanischen Bergbaupolitik und die Umweltschäden auf und entwickeln mit den Betroffenen Alternativen zum Extraktivismus.
Der Einfluss der lokalen Bevölkerung auf den Genehmigungsprozess von Bergbauprojekten ist sehr begrenzt. Die institutionalisierten Bürgerbeteiligungsformate sind vor allem eine Formalität, die Konsultation Indigener Gemeinschaften lässt zu wünschen übrig. Obwohl Peru die ILO-Konvention 169 ratifiziert hat und die freie, vorherige und informierte Befragung der Indigenen seit 2011 gesetzlich verankert ist, werden viele Investitionsprojekte auf Indigenem Territorium genehmigt, ohne dass eine solche Befragung stattfindet. Gleichzeitig sollen Umweltstandards gesenkt werden, um die Investitionen zu beschleunigen.
Einfluss der Bevölkerung trotz ILO-Konvention 169 gering
An den Orten des Abbaus wird deutlich, dass bei den Umwelt- und Menschenrechtsverletzungen nicht zwischen grünem und herkömmlichem Extraktivismus unterschieden werden kann. Der peruanische Politikwissenschaftler und ehemalige Direktor der Klimaschutzbewegung Movimiento Ciudadano Frente al Cambio Climatico, Antonio Zambrano Allende, betont, dass das Narrativ einer notwendigen Energiewende neue Investitionen in den Bergbau ermögliche und ihnen gleichzeitig einen grünen Anstrich verpasse. Die Energiewendestrategie Perus selbst sei unzureichend und es fehle der politische Wille. Zambrano verweist darauf, dass die nationale Strategie zum Klimawandel 2021 ausgelaufen ist und es bis heute keine Folgestrategie gibt.
Stattdessen soll der Bergbau den Weg aus der wirtschaftlichen Rezession darstellen. Präsidentin Boluarte rühmt die Bergbauexpansion als Mittel im Kampf gegen Armut. Der Umweltaktivist Berrospi kategorisiert das als eine erstarkende Politik des Extraktivismus: „Das in Peru vorgeschlagene Entwicklungsmodell wird mit Gewalt und auf Kosten von Menschenleben durchgesetzt. Denken wir nur an den Konflikt um die Kupfermine Tia Maria, der viele Menschenleben gefordert hat. Dasselbe gilt für die Kupfermine Río Blanco, wo bereits zehn Menschen getötet wurden, um das Projekt zu verwirklichen.”
Dies ist nicht unabhängig von der politischen Krise, in der sich die peruanische Demokratie befindet. Während die Armut und Kriminalität landesweit zunehmen, macht der Kongress offen klientilistische Politik. Ein eklatanter Fall ist der des Parlamentspräsidenten Eduardo Salhuana Cavides. Dieser pflegt enge Verbindungen zur Lobby des illegalen Bergbaus und treibt Gesetzesentwürfe voran, die dessen Eindämmung verhindern. Zambrano kritisiert dies entschieden und bestätigt, dass der illegale Bergbau vollkommen außer Kontrolle geraten ist.
Tatsächliche Zahlen des illegalen Geschäfts sind schwer zu bekommen. Nach einem Bericht des peruanischen Innenministeriums diesen Jahres wurden zwischen 2015 und 2023 Schätzungen zufolge 19 Millionen Dollar durch illegalen Goldabbau erwirtschaftet. Damit ist Peru Spitzenreiter der Region im illegalen Export von Gold. Dem Bericht zufolge gelangt der illegal abgebaute Rohstoff über Zwischenhändler meist auch in den legalen Wirtschaftskreislauf für den Export. Dies erschwert die Anwendung des neuen Lieferkettengesetzes. Die Energiewende ist angesichts der Klimakrise und ihrer globalen Bekämpfung ein wichtiges Vorhaben. Doch für die deutschen Energiewendeziele wird der Ressourcenbedarf stark ansteigen. So wurde in der im August verabschiedeten Aktualisierung des Nationalen Energie- und Klimaplans für Deutschland beispielsweise verankert, die Zulassungen von elektrischen Pkws bis 2030 auf 15 Millionen zu erhöhen.
Zambrano kritisiert diese Strategie scharf und sieht Deutschland in direkter Verantwortung für das Desaster an den Abbaustätten der benötigten Rohstoffe: „Der deutsche Staat hat die Konvention 169 zum Schutz Indigener Rechte unterzeichnet, es gibt ein Lieferkettengesetz, das die Einhaltung der Menschenrechte fördern soll. Das passt nicht zusammen mit einer Energie- und Transformationspolitik, die den brutalen Abbau von Kupfer, Lithium usw. für die Herstellung von Elektroautos in diesem Ausmaß in kürzester Zeit erfordert. Diese Energiepolitik ist zum einen nicht umsetzbar und zum anderen eine Schande für alle Völker des Globalen Südens“.
Der Umweltschützer Martínez berichtet, dass aktuell vor allem die kommunitäre Organisation helfe. Die Behörden seien nicht präsent und das Verhältnis zwischen diesen und den Umweltschützer*innen teilweise konfrontativ. Die Einbeziehung des kommunitären Monitorings sei nur freiwillig in der Regulierung der Umweltevaluation von Investitionsprojekten verankert, wird aber teils bereits in Bergbaugebieten berücksichtigt. Trotzdem verweist Martínez auf die fehlende staatliche Koordination und Unterstützung bei der Einbeziehung der lokalen Strukturen.
Während der Staat die lokale Bevölkerung im Kampf gegen die Umweltverschmutzungen des Rohstoffabbaus allein lässt und dem illegalen Bergbau freie Hand lässt, wird dieser von den steigenden Weltmarktpreisen angeheizt. Die Energiewendestrategien des Globalen Nordens müssen daher stärker auf die Verringerung des Rohstoffbedarfs für die Produktion setzen, sowie auf die Veränderung des Konsumverhaltens abzielen, um eine Intensivierung des Rohstoffabbaus für die Energiewende zu vermeiden. Wenn die steigenden Umweltkosten und die sozialen Kosten weiter in die Orte des Rohstoffabbaus verlagert werden, werden Ungerechtigkeiten vertieft.
Theresa Utzig ist LN-Redakteurin und Politikwissenschaftlerin, sie beschäftigt sich unter anderem mit lokalem Widerstand gegen Bergbau in Peru.
GRÜNER EXTRAKTIVISMUS
Anzahl von sozioökologischen Konflikten im Kontext erneuerbarer Energien in Lateinamerika,*geordnet nach Art der verursachenden Projekte