Aktuell | Chile | Dossier 21 - Das Gleiche in Grün

„Soziale und ökologische Gerechtigkeit für alle“

In Penco ist der Widerstand gegen ein Bergbauprojekt erfolgreich

Seltene Erden werden von der EU als strategisch wichtig für die Energiewende eingestuft. Ihr Abbau beeinträchtigt betroffene Gemeinden aber auf ähnliche Weise wie andere Bergbauprojekte. Mit Valeria Sepúlveda von der Umweltbewegung Parque para Penco sprachen wir über die breite Vernetzung in ihrer Stadt, innovative Strategien des Widerstands und die Rolle von Frauen dabei.

Von Interview: Martin Schäfer & Steffi Wassermann (Übersetzung: Steffi Wassermann
Aktivisten versammeln sich um sich gegen das Bergbauprojekt zu wehren (Foto: Privat)

In Penco wird seit Jahren versucht, ein Bergbau-Projekt zur Gewinnung von seltenen Erden zu errichten. Wie wurde vor Ort darauf reagiert?
Im Jahr 2015 wurde in Penco eine Pilotanlage zur Gewinnung von seltenen Erden errichtet. Das wurde bekannt, als der Bürgermeister unserer Gemeinde plötzlich im Fernsehen, in Zeitungen und im Radio Werbung dafür machte. Bergbau in Penco? Das ließ die Alarmglocken schrillen, denn 80 Prozent der Fläche der Gemeinde sind bewaldet. Niemand wusste wirklich, was dieses Projekt bedeutet. Da haben wir angefangen, nachzuforschen. Wir stellten fest, dass die Pilotanlage ohne jegliche Umweltverträglichkeitsstudie installiert wurde. Inzwischen hat das kanadische Bergbauunternehmen Aclara Resources bereits fünf Mal versucht, eine umweltrechtliche Zulassung für das Gesamtprojekt zu bekommen – bisher jedoch vergeblich.

Welche negativen Auswirkungen hat das Projekt?
Angesichts des Klimawandels haben wir immer weniger Wasser zur Verfügung. Zukünftig könnten wir für unsere Trinkwasserversorgung auf das für das Projekt vorgesehene Gebiet, das wir „El Tranque“ nennen, angewiesen sein.

Es gibt gefährdete Tiere und Pflanzenarten, die bekannteste von ihnen ist der Queule-Baum, ein lebendes Fossil der ersten blühenden Pflanzen, die auf der Erde vorkamen. Hier befindet sich ein wichtiger biologischer Korridor, der einige Teile des heimischen Waldes in der Region miteinander verbindet. Es ist die grüne Lunge unserer Gemeinde, wir erholen uns dort. Wenn sich das Bergbauunternehmen dort ansiedelt, wird all das beeinträchtigt. Es ist mit unserem Leben vor Ort nicht vereinbar, denn die Mine mit ihren Emissionen wäre nur einen Kilometer von bewohntem Gebiet entfernt, und auch der Tourismus würde darunter leiden.

Wie können wir uns Ihre konkrete Arbeit zur Mobilisierung der Menschen vorstellen?
Wir haben alles Mögliche gemacht. Wir haben demonstriert, Musikfestivals organisiert und Wandbilder gemalt. Wir haben im Einzugsgebiet des Penco-Baches Bäume wiederaufgeforstet.
Dann haben wir mit Umweltbildung begonnen, weil wir gemerkt haben, dass es viel Unwissenheit gibt. Nicht, dass die Menschen ihr Territorium nicht kennen, aber sie kennen zum Beispiel nicht die Namen der Pflanzen oder die Ökologie des Flusses und des Meeres. Im Einzugsgebiet des Flusses, der die Stadt durchquert und ins Meer mündet, wo gefischt wird, soll plötzlich ein Bergbauprojekt entstehen – was bedeutet das?

Was waren wichtige Momente des Widerstands?
Der Startschuss war, als der Bürgermeister auftauchte und für das Bergbauunternehmen warb. Auch die Pandemie war ein wichtiger Moment. Denn sie ermöglichte uns allen, innezuhalten und uns auf unser Territorium, auf uns selbst und auf unsere psychische Gesundheit zu besinnen. Wir sagen schon seit langem Nein zum Bergbau. Wenn wir das aber nicht wollen, was ist dann die Alternative? Das war ein ganz besonderer Moment, denn wir trafen mit vielen Menschen verschiedenen Alters, aus unterschiedlichen sozialen Gruppen zusammen, die sich unterschiedlichen Dingen verschrieben haben. Gemeinsam haben wir, dass wir mit „El Tranque“ einen unverseuchten Ort bewahren wollen, den Fluss, einen Überrest heimischen Waldes, wo ich in Ruhe mit meiner Familie hingehen kann. Inzwischen nennen wir ihn auch Parque para Penco, den „Park für Penco“, nach der Initiative, die sich für seine Erhaltung gebildet hat. Im Jahr 2022 haben wir dann eine Befragung in unserer Gemeinde organisiert, um darüber abzustimmen, ob wir für oder gegen den Bergbau sind. Sie ist nicht bindend, der Staat entscheidet, ob solche Projekte zugelassen werden. Aber es war beeindruckend, denn selbst bei Präsidentschaftswahlen gehen normalerweise nicht so viele Menschen zur Wahl. Auch Kinder und Jugendliche konnten abstimmen. Insgesamt sprachen sich 99,2 Prozent gegen den Bergbau aus, unglaublich. Das war einer der schönsten Momente.

Welche Rolle spielen Frauen? Haben sie eine andere Perspektive auf den Widerstand?
Frauen spielen eine sehr wichtige Rolle bei der Aufrechterhaltung der Gemeinschaft. Sorgearbeit zu leisten ist unsere soziale Rolle, die uns auch aufgezwungen wird, uns aber emotional mit dem Territorium verbindet. Die Sorge um unser Land ist wichtig. Wenn ihm etwas zustößt, wenn es verseucht wird, dann betrifft uns das direkt. Wir sprechen auch über systematische Gewalt, Gewalt im Territorium, machistische und patriarchale Gewalt. Daraus ist eine Politik der gegenseitigen Fürsorge entstanden. Alleine retten wir uns nicht, wir müssen alle füreinander Sorge tragen.

Das erinnert an Konzepte wie das Körper-Territorium oder buen vivir („gutes Leben“). Inwiefern spielen sie in Ihrer Arbeit eine Rolle?
In vielerlei Hinsicht, denn was um uns herum geschieht, wirkt sich auf unsere körperliche, psychische und emotionale Gesundheit aus. Wir verwenden also den Begriff des Körper-Territoriums, denn wir bewohnen diesen Ort, als wäre er unser eigener Körper. Was mit dem Fluss geschieht, hat Auswirkungen auf mich.

Wir teilen auch den Begriff des buen vivir. Es geht dabei nicht um reines Überleben unter den Regeln der traditionellen Gesellschaft. Es geht darum, das Leben zu genießen, einen sicheren Ort zum Leben, ein Haus und keinen Mangel an Nahrung zu haben, mit guten sozialen Beziehungen und guter Gesundheit.

Ist es schwieriger, Widerstand gegen ein Projekt der Energiewende zu leisten als gegen ein anderes extraktivistisches Projekt?
Am Anfang erschreckt man zu erfahren, dass Bergbau in der eigenen Gemeinde angesiedelt werden soll und mit der Energiewende gerechtfertigt wird. Es wird hier aber nichts für Chile produziert, der Rohstoff wird exportiert, um Europa und die Vereinigten Staaten zu dekarbonisieren. Wir müssen also darüber sprechen, wohin diese Energiewende führen soll. Momentan tauschen wir nur einen extraktivistischen Energiemix gegen einen anderen aus. Es ist sehr wichtig, dass wir über eine gerechte Energiewende sprechen, denn es geht um soziale und ökologische Gerechtigkeit für alle. Nicht nur für einige wenige. Man muss auch über die notwendige Menge an Rohstoffen sprechen, die abgebaut werden, denn Bergbau wird niemals nachhaltig sein.

Lösungen für die Energiewende müssen Hand in Hand mit den lokalen Gemeinschaften entwickelt werden, sie sind die Basis. Wir brauchen aber auch die Unterstützung von Politikern, Gesetzgebern und dem Globalen Norden, denn von dort kommen die Vorgaben für die Energiewende. Es ist eine Aufgabe, die über die kollektive Anstrengung der Gemeinschaft hinausgeht.

(Foto: privat)

Valeria Sepúlveda Rojas

ist Vorsitzende der Umweltbewegung Parque para Penco, die sich gegen ein Bergbauprojekt zur Gewinnung von seltenen Erden in Penco im Süden Chiles engagiert. Sie ist zudem Mitglied des feministischen Netzwerkes Red de Mujeres de Penco. Gemeinsam mit etwa 20 weiteren Organisationen koordinieren diese den Widerstand in der Asamblea Territorial.


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