Chile | Nummer 296 - Februar 1999

Taktische Korrekturen

Die chilenische Regierung zieht mit Pinochets Anwälten an einem Strang

Nicht wenige ChilenInnen empfangen dieser Tage einen ungewöhnlichen Telefonanruf: „Wenn Sie bereit sind, die Verteidigung von Senator Pinochet zu unterstützen, drücken sie die Eins“, bittet eine Stimme am anderen Ende der Leitung. Wer sich darauf einläßt, wird mit einer charmanten Telefonistin verbunden, die erläutert, wie man sich an den Prozeßkosten des Ex-Diktators in London beteiligen kann.

Claudius Prößer

Mit derartigen Methoden versuchen die AnhängerInnen des Generals – in diesem Fall die Pinochet-Stiftung -, einen Teil der gesalzenen Honorare der Londoner Anwaltskanzleien zu übernehmen. Seit dem 18. Januar haben sie wieder alle Hände voll zu tun. An diesem Tag wurde das Revisionsverfahren im britischen Oberhaus eröffnet, bei dem nun sieben neuernannte Lordrichter darüber befinden sollen, ob Pinochet in Großbritannien Immunität genießt oder an Spanien ausgeliefert werden kann. Die ursprüngliche Entscheidung der höchsten Instanz britischer Rechtsprechung war aufgehoben worden, als die Verteidigung des Generals A.D. einem der Lordrichter „Befangenheit“ aufgrund seiner Kontakte zu amnesty international nachgewiesen hatte.
An der Neuauflage des Verfahrens nehmen nun – neben der britischen Staatsanwaltschaft, die formell die spanische Position vertritt, sowie der Verteidigung Pinochets – auch amnesty international und Repräsentanten der chilenischen Regierung teil. Im Mittelpunkt der ersten beiden Verhandlungswochen stand die Frage, ob die in Chile massenhaft verübte Folter eine exterritoriale Rechtswirkung besitzt. Alan Jones, britischer Staatsanwalt und im Fall Pinochet der Repräsentant Spaniens, argumentierte mit der “Internationalen Konvention gegen die Folter” von 1984, die auch von Chile und Großbritannien 1988 unterzeichnet wurde. Damit sei eindeutig geklärt, daß eine Anklage jenseits der chilenischen Grenzen zulässig und notwendig sei. Eine Einschätzung, die auch Peter Duffy, Anwalt von amnesty international, vertritt: „Euer Ehren müssen das Völkerrecht für diesen Fall gar nicht berücksichtigen“, erklärte er den sieben Law-Lords, von denen die wenigsten in internationalen Rechtsfragen bewandert sind. „Die Folterkonvention ist bereits Teil des britischen Rechts. Wir sind dazu verpflichtet, Pinochet den Prozeß zu machen oder ihn auszuliefern“.

Folter als Amtshandlung

Dieser Ansicht waren die Verteidiger des Generals natürlich nicht: „Folter kann eine Amtshandlung sein“, konterte die Anwältin Clare Montgomery, „und in diesem Fall gilt die Immunität für diejenigen, die sie angeordnet haben.“ Zudem sei die Ende der 80er Jahre unterzeichnete Konvention nicht rückwirkend gültig. Die Verteidiger Pinochets berufen sich dabei auf dahingehende argentinische Urteile.
Chiles Regierung, die dem ersten Verfahren im November 1998 nicht beigewohnt hatte, versucht außerdem, in ihrem Plädoyer von einer Verteidigung der Person Pinochets auf die Verteidigung der eigenen Staatssouveränität umzusatteln: „Wir haben nicht das geringste Interesse an einer Straffreiheit Pinochets für die ihm vorgeworfenen Vergehen“, so Außenminister Insulza. Ziel der Regierung sei allerdings die Verhandlung dieser Straftaten auf chilenischem Boden und durch chilenische Gerichte zu übernehmen.
Doch das bleibt unwahrscheinlich: Abgesehen von der 1978 dekretierten Selbstamnestierung der Militärs wäre auch ein Prozeß auf der Grundlage später begangener Verbrechen so gut wie ausgeschlossen, denn für Militärangehörige gilt in Chile auch weiterhin die Militärgerichtsbarkeit. Und in deren Instanzen sitzen Offiziere, die dem einstigen Oberbefehlshaber selbst diesen Posten verdanken.
Doch auch bei einem positiven Urteil der Law-Lords bestünde ein neues Problem: Insulza hat bereits angekündigt, daß der chilenische Oberste Gerichtshof dann ebenfalls ein Auslieferungsgesuch an den britischen Innenminister Jack Straw richten werde. In Konkurrenz zu dem spanischen Antrag könnte dieser Priorität besitzen.


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