Nummer 313/314 - Juli/August 2000 | Tourismus

Traumhafte Exotik ausgeträumt

Eine Reise durch die Bildersprache in der Tourismuswerbung

In den Reiseprospekten deutscher Tourismusanbieter ist es gängige Praxis, dass schwarze und indigene LateinamerikanerInnen als sexuelle Objekte dargestellt werden. Frauen, Männer und auch Kinder posieren in eindeutig zweideutigen Sprach- und Bildverknüpfungen.

Carmen Frohne

Wenn wir uns entschließen eine Reise nach Lateinamerika oder in die Karibik anzutreten, geht die Mehrheit von uns ins nächste Reisebüro, um sich die aktuellen Angebote offerieren zu lassen. Unentschlossen kehren wir mit Reiseprospekten beladen zurück. Wir blicken kritisch auf die Preise, überprüfen das Preis- Leistungsverhältnis und lassen uns von den fantasiereichen Bildern entführen. Wenn wir uns die Zeit nehmen, die Präsentationen aufmerksamer zu betrachten, ist eine Struktur erkennbar, die eine zweifelhafte Werbestrategie aufzeigt. In dieser werden, wie zwei der folgenden Beispiele verdeutlichen, Männer und Frauen in Klischees verpackt.
Im Allgemeinen sind Kinder Sinnbild für Energie und Lebensfreude. Aus diesem Grund spielen Abbildungen lachender Mädchen und Jungen auch in der Tourismuswerbung eine bedeutende Rolle. Dass es sich um einen familienfreundlichen Urlaubsort handelt, zeigen Fotos spielender oder planschender Kinder. Sie stehen in traditioneller Kleidung Model und sollen so einen kleinen Einblick in die jeweilige Kultur geben. Es gibt aber auch Darstellungen, deren Bildkompositionen insbesondere zusammen mit den Bild-Schrift-Kombinationen einen Kontext ergeben, der – bei genauer Betrachtung – Kinder zum sexuellen Objekt werden lässt.
Unter diesem Gesichtspunkt wurden fünf der folgende Beispiele analysiert. Sie sind verschiedenen Reiseprospekten entnommen.

“Vitamine Inklusive” – Dominikanische Republik

Eine schöne junge schwarze Frau bietet lächelnd das mit Früchten gefüllte Tablett an. Und mit ihm sich selbst. So zumindest suggeriert es das Reiseprospekt. Im Hintergrund wird ein Häuschen mit Wellblechdach abgebildet, das als Anspielung auf die wirtschaftliche Situation der schwarzen Frau verstanden werden kann. Die bunt bemalte Fassade mit der Aufschrift “Fantasias” soll offensichtlich die Fantasie des Betrachters anregen. Es wird der Eindruck vermittelt, dass “die Heimat der exotischen Früchte” einem Selbstbedienungsladen gleicht, in dem “King-Touri” hemmungslos zugreifen kann, wann und wo er möchte.

“Möglich gegen Aufpreis” – Brasilien

Der Kopf etwas geneigt, das kindliche Gesicht zur provozierenden Mimik verzogen, die Hände in die schmalen Hüften gestemmt, der zierliche Körper in animierender Haltung leicht gebogen, um der noch nicht vorhandenen Weiblichkeit eine Spur von Erotik zu geben. Der Schritt leicht geöffnet – erinnert dieses Bild an den Babystrich auf Berlins Kurfürstenstraße nachts um halb zwei. Neben dieser Abbildung des neun bis elfjähriges Mädchens steht ein Mädchen von etwa fünf Jahren. Ein verschüchtert wirkendes Kind, das verloren an der Anzeige klebt. Der Arm des Mädchens reicht in den Anzeigentext. Damit wird die visuelle Verbindung zwischen den Kindern und der Auskunft “Möglich gegen Aufpreis” geknüpft. Diese Verbindung, und das kann auch der Anzeigentext nicht neutralisieren, zieht die interpretative Schlussfolgerung mit sich, dass bei entsprechender Zahlung an den Reiseveranstalter Kinder zur Prostitution vermittelt werden.

“Hochzeitspakete”

Es gibt unendlich viele Möglichkeiten, ein Angebot “Hochzeitspakete” durch ein Bild assoziativ zu untermalen und der Fantasie des Betrachters eine Richtung zu weisen. In diesem Fall werden zwei schwarze lateinamerikanische Mädchen im Kindergartenalter abgebildet. Zwei niedliche Kinder. Ein wirklich schönes Foto – wären da nicht die herausgehobene Mitteilung “ einzeln buchen und miteinander kombinieren”. Detaillierte Angaben können in den “qualifizierten Partner-Reisebüros” eingeholt werden. Dort arbeiten “geschulte Profis”, die über ein “weltweites Informations- und Buchungssystem” verfügen.

“Kombinationsmöglichkeiten” – Guatemala

Ein turbulenter Marktplatz mit buntem Treiben. Farbenfrohe Kleidung schmückt die Guatemalteken. Handgearbeitete Kunstgegenstände werden zum Kauf geboten. Lebensfrohe Dynamik gibt einen Vorgeschmack auf die Rundreise “Guatemala Highlights”. Neben der Rundreise wird ein weiteres schmackhaftes Angebot offeriert. Es gibt die “Möglichkeit, in einigen Städten Einzelübernachtungen zu buchen.” Direkt daneben, das Foto
eines indigenen Mädchens, vielleicht sechs Jahre alt. Die Bildunterschrift macht uns auf die “Kombinationsmöglichkeiten” aufmerksam und wir erfahren: ”Alle mittelamerikanischen Angebote können miteinander kombiniert werden.”

“Relaxen auf höchstem Niveau” – Mexiko

“Lebensfreude rund um die Uhr” – “Das Hotelprogramm und die Rundreisen (…) bieten reichlich Gelegenheit, die verschiedenen Seiten des Landes kennenzulernen.” Ein Strandabschnitt in Mexiko. Das strahlend blaue Meer umströmt sacht die grün bewachsenen Felsen. Ein Mann auf einem umgefallenen Baumstamm sitzend. Fast unsichtbar erscheint er in der schützenden Dominanz der Umgebung. Sein Blick auf das Meer gerichtet. Auf die Stelle, an der ein Kind in den auslaufenden Wellen am Strand sitzt. Im tieferen Wasser steht noch eine Person, deren Rücken dem Kind und dem Mann zugewandt ist. In diese Idylle schneidet ein Rechteck mit der Information: ”LTU First Comfort.” – “Relaxen auf höchstem Niveau.” In diese Darstellung integriert ist das Bild eines indigenen Mädchens von etwa drei Jahren. Ärmlich gekleidet und umringt von einfachen Gebrauchsgegenständen lächelt das Kind sacht. Auf seine beiden Hände beißend lädt es ein zur “Fiesta Mexicana”.

“Know How” – Puerto Rico

Mitten im Überschwall des Reichtums – Ruderboot, Golfplatz, Grand Hotel, Swimming Pool und nicht zuletzt zu erwähnen das Casino – steht ein kleines schwarzes Mädchen in sonnig gelben Kleid mit sonnig gelbem Sonnenschirm alleine auf der asphaltierten Straße. Weit und breit keine Menschenseele zu erblicken, blinzelt es in die Ferne, als warte sie darauf, mitgenommen zu werden. Es erscheint völlig fehlplaziert. In die dominante Galerie der Luxusgüter eingereiht, bleibt sie menschlich total isoliert.


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