Nummer 351/352 - Sept./Okt. 2003 | Peru

Ungeahntes Ausmaß der Gewalt

Aus einer wissenschaftlichen Forschung, die 16,986 Zeugenaussagen umfasst, hat die Wahrheits- und Versöhnungskommission eine ausführliche Statistik der zwanzigjährigen Gewalt (1980-2000) dokumentiert. Diese Daten wurden in gesonderten Bänden dem Bericht beigefügt.

Mariano Paliza

Sozialer und Kultureller Bereich
– 69.280 Tote und Verschwundene in den 20 Jahren politischer Gewalt. Diese Anzahl von Opfern, „übertraf die Anzahl menschlicher Verluste, die Peru in allen externen und internen Kriegen“ seit Bestehen der Republik erlitten hat.
– Obwohl der Konflikt die ganze Gesellschaft betraf, stellt nun die Wahrheitskommission fest, dass „es eine bemerkenswerte Beziehung zwischen dem Armuts- und Ausgrenzungszustand und der Möglichkeit gab, Opfer der Gewalt zu werden“.
– 79 Prozent der Opfer wohnten auf dem Land, 56 Prozent waren Bauern, 68 Prozent waren Analphabeten oder hatten nur die Grundschule besucht.
– Die peripheren Provinzen Perus und die Elendsviertel der Großstädte waren diejenigen, die am meisten von der Gewalt betroffen waren.
– 40 Prozent der Toten stammten aus Ayacucho, der zweitärmsten Provinz Perus, wo die politische Gewalt im Mai 1980 ausbrach.
– 85 Prozent der Opfer stammten aus den ärmsten Provinzen Perus.
– Die Kommission hat festgestellt, dass der Gewaltprozess neben der sozialen und wirtschaftlichen Kluft die tiefen ethnischen und kulturellen Ungleichheiten aufgezeigt hat, die immer noch im ganzen Land vorhanden sind.
– 75 Prozent der Todesopfer die Kechua- oder andere indigene Sprachen als Muttersprache hatten, ein Beweis für die Verachtung großer Teile der Bevölkerung.

Politische Auswertung
– Die so genannte Marxismus-Leninismus-Maoismus-Lehre Gonzalos wurde als die höchste Entwicklung des Denkens der Menschheit dargestellt und der „Präsident Gonzalo“ als unfehlbar vergöttert. Das entspricht einer fundamentalistischen Weltauffassung.
– Der „Leuchtende Pfad“ hatte eine blutige Strategie und eine Genozidpolitik. Dies zeigte sich an Aufrufen wie das Volk muss „eine Blutquote bezahlen“ (1982), den alten Staat „zum Genozid provozieren“ (1985), „Der Sieg der Revolution wird eine Million Tote fordern“ (1988).
– Die demokratischen Regierungen von Fernando Belaúnde und Alan García und ihren Parteien Acción Popular und APRA, tragen eine schwere politische Verantwortung, weil sie nicht eine integrale sozio-ökonomische und politische Strategie hatten und passiv das Verbrechen des Militärs beobachteten oder als Komplize eine Rolle gespielt haben.
– Die Gewalttaten der Armee und der Polizei, besonders zwischen 1983-86 und 1989-93, sind nicht als Ausschreitungen und einzelne Fälle einzuordnen, sondern als massive und systematische Menschenrechtsverletzungen.
– Im Falle des Ex-Diktators Alberto Fujimori und seines Berater Vladimiro Montesinos sieht die Kommission sogar eine strafrechtliche Verantwortung für den Tod von mehr als 100 Studenten und mehreren Professoren in verschiedenen Universitäten und andere Massaker der Gruppe „Colina“.
– Ebenfalls angelastet wird Fujimori die Hinrichtung von acht Mitgliedern der MRTA (Revolutionäre Bewegung Tupac Amaru) während der Befreiung der Geiseln in der Japanischen Botschafterresidenz im Jahre 1997.
Verantwortung
Für die Todesopfer sind verantwortlich:
– „Leuchtender Pfad“: 54 Prozent
– Die Armee und Polizei: 28 Prozent
– Die Paramilitärs: 13 Prozent
– Die „Túpac Amaru Revolutionsbewegung“: 1,5 Prozent.

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