Musik | Nummer 414 - Dezember 2008

Vielfältiges von der Küste

Das Album Pacífico Colombiano ist ein musikalischer Streifzug durch die kolumbianische Pazifikregion

Das Label Otrabanda Records präsentiert nun mit Pacífico Colombiano einen 14 Titel umfassenden Streifzug durch alle wichtigen musikalischen Stile der Region wie Currulao, Marimba, Abozao oder Chirimía.

Luis Montilla

Zwischen dem 16. und 19. Jahrhundert erreichten hunderttausende AfrikanerInnen Kolumbien, die als SklavInnen auf den Plantagen, in den Minen und auf den kolonialen Haciendas arbeiten mussten. Die kolumbianische Pazifikregion, in der einige der produktivsten Goldminen lagen, wurde auf diese Weise zu einem der Zentren der Sklaverei des Kontinents. So begann die leidvolle Geschichte von Ausbeutung und Diskriminierung, die bis heute andauert. Zwar wurde die Sklaverei in Kolumbien offiziell im Jahr 1851 abgeschafft, aber die Pazifikregion ist weiterhin eines der ärmsten Gebiete des Landes.
Die geflohenen SklavInnen, Cimarrones genannt, und die von ihnen gegründeten unabhängigen Siedlungen, die Palenques, gaben dieser Geschichte aber auch rebellische Züge. Heute wird die Region vorwiegend von Nachkommen der afrikanischen SklavInnen sowie Indígenas bewohnt und ist als Heimat der afro-kolumbianischen Kultur bekannt.
Die ethnische Komposition der Region spiegelt sich insbesondere in der Musik wider, in der man die stärksten afrikanischen Einflüsse im gesamten kolumbianischen Musikrepertoire finden kann. Vom Hafen von Buenaventura bis Quibdó tanzen die Menschen zu afrikanischen Rhythmen, die von traditionellen Percussionsinstrumenten wie Marimba, Cunucos und Tamboras, aber auch von Guazás und Klarinetten bestimmt werden. Die Musik der Pazifikregion, die zumeist im Schatten anderer kolumbianischen Rhythmen, wie Cumbia, Salsa oder Vallenato, stand ist erfüllt von der Emotionalität der Gesänge der SklavInnen, der Einfachheit des ländlichen Lebens und der kolumbianischen Lebensfreude.
Das Label Otrabanda Records präsentiert nun mit Pacífico Colombiano einen 14 Titel umfassenden Streifzug durch alle wichtigen musikalischen Stile der Region wie Currulao, Marimba, Abozao oder Chirimía.
Einen Höhepunkt der Kompilation stellt das Stück „La Iguana“ des Orchesters Perogoyo y su combo Vacaná dar. Die Formation gilt als lokale Version des kubanischen Buena Vista Social Club und war zugleich die erste, die mit afrokolumbianischer Musik kommerziellen Erfolg erzielen konnte (1961, „Mi Buenaventura“). Peregoyo, der Kopf der Gruppe, verstarb im vergangenen Jahr im Alter von 90 Jahren, nachdem er bis zum Schluss an den Produktionen der Formation mitgewirkt hatte.
Mit Alfonso Córdoba, „der Hexer“ genannt, ist eine weitere große Persönlichkeit der afrokolumbianischen Musik vertreten. Córdoba ist eine der lebenden Legenden der Choco-Region und wurde kürzlich mit dem Großen Orden für Kulturelle Verdienste, der höchsten kolumbianischen Kulturauszeichnung, geehrt. Dieser Herr von 82 Jahren, der bereits 60 Jahre seines Lebens der Bekanntmachung der Musik seiner Heimat gewidmet hat, ist zudem auch als Schmuckhersteller, Maler, Theaterdarsteller und Erzähler bekannt geworden. Die Reife und Lieblichkeit seiner Stimme machen sein Stück „El Piloto“ zu einem weiteren Schatz der Kompilation. Auf dem Album finden sich außerdem zwei Titel von Markitos Micolta y La Sabrorura de Buenaventura, der bekanntesten Stimme der Region und für viele Jahre Frontsänger von Peregoyo y su combo Vacaná, sowie ein Stück von El Grupo Socavón, einer authentischen Marimbaformation, begleitet von einem Chor, der die alten Klänge der pazifischen Kultur interpretiert.
Begeisternd ist auch der Song „Homenaje a Petronio“ von El Grupo Saboreo, mit dem sie dem den Autor des Erfolges „Mi Buenaventura“ und Namensgeber des jährlich im August in Cali stattfindenden Festivals der Pazifikmusik Petronio Álvarez ehren. Mit dem wunderbaren Currulao „Yo cantaré“, gespielt von El Grupo Bahía und eine gute Möglichkeit, um die Klänge der von Hugo Candelario gespielten Marimba zu genießen, endet dieser interessante Streifzug durch die immer noch wenig bekannte afrokolumbianische Musik. Und wie die Mitglieder von Choc Quib Town in ihrem Lied „Somos Pacífico“, einer Mischung aus traditionellen Rhythmen und aktuelleren urbanen Einflüssen wie dem Hip hop, bemerken: „Kolumbien ist mehr als Koka, Marihuana und Kaffee“.
// Luis Montilla
// Übersetzung: Katja Schatte

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