Von Heiligenscheinen und Scheinheiligen
Preis-Fragen zum Kaffeehandel
Um das Verhalten der Alternativhändler beurteilen zu können, ist es zuvor nötig, die Entwicklungen auf dem Weltkaffeemarkt nachzuvollziehen. Dieser war bis 1989 vom Weltkaffeeabkommen reguliert, einer Vereinbarung zwischen Kaffeeanbauländern (Brasilien, Kolumbien…) und den Verbrauchsländern (USA, BRD…), die Exportmengen festgelegte und den Preis bei etwa 1,20 US-Dollar pro Pfund (Libra) Rohkaffee stabilisieren sollte. Nachdem das Abkommen im Sommer ’89 nicht verlängert worden war, strömte der bislang zurückgehaltene Kaffeeüberschuß auf den Markt und drückte den Preis drastisch – bis auf den Tiefststand von 0,60 US-Dollar pro Libra Anfang 1992.
Weltmarktpreise
Die alternativen Kaffeevermarkter haben in ihrer Informationsarbeit immer wieder auf die katastrophalen Folgen dieses Niedrigpreises vor allem für die Kaffeekleinbauern hingewiesen, die nicht einmal mehr ihre Produktionskosten decken konnten. Diese Situation dürfte auch dazu beigetragen haben, die Idee von TRANSFAIR bei Weltläden und KritikerInnen der Kaffeekonzerne, die bisher nur auf alternativ vermarkteten Kaffee geschworen hatten, hoffähig zu machen, denn es war klar, daß GEPA und MITKA nicht den gesamten Kaffee der vom Preiszusammenbruch betroffenen Kleinbauern abnehmen könnten. Immerhin garantierten die auch von kommerziellen Händlern angebotenen TRANSFAIR-Sorten einer größeren Anzahl von Kleinbauern einen Richtpreis von 1,26 US-Dollar pro Libra.
Nun stellt sich schon die Frage, wie es sein kann, daß die Kaffeepreise dauerhaft unter den Produktionskosten liegen (von 1990 bis März ’94 überschritten sie die 0,75 US-Dollar-Marke nicht, s. Grafik). Nach den kapitalistischen Spielregeln müßten diejenigen Produzenten, die beim gegebenen Preis nicht mehr profitabel wirtschaften, ihre Produktion einstellen. Dadurch müßte das Angebot langsam wieder auf das Niveau der Nachfrage sinken und der Preis langsam wieder steigen – bis zum サGleichgewichtspreisß wenn sich Angebot und Nachfrage die Waage halten. Diesen Anpassungsprozeß hatten die Apologeten des freien Marktes von der Auflösung des Kaffeeabkommens zu er_warten behauptet, denn ihrer Meinung nach trug das Kaffeeabkommen die Schuld an der Überproduktion. Tatsächlich aber erhöhte sich die Produktion erst recht nach der Auflösung des Kaffeeabkommens – die Produzenten beantworteten das Sinken der Preise mit einer Ausweitung der Menge, verhielten sich also “marktwidrig” Da die Nachfrage stagnierte, vergrößerte sich das überschüs_sige Ange_bot, und der Preis sank noch mehr.
Die Dumpingpreis-Theorie
Das Phänomen der marktwidrigen Reaktionen auf dem Weltkaffeemarkt versucht der サalternativenichtkapitalistischn Nahrungsmitteln für den Eigenbedarf, sie benötigen aber noch eine bestimmte Summe Geldes für Gesundheit, Schule und einige Konsumgüter, die sie nur mit dem Anbau und Verkauf von Kaffee verdienen können. Ein Sinken der Preise kompensieren sie mit einer Erhöhung der Anbaumenge, um das Geldeinkommen zu stabilisieren – sie können die Kaffeeproduktion nicht einschränken oder einstellen, weil sie keine Alternative haben, an Geld heranzu kommen. Die Folge ist eine verstärkte Selbstausbeutung ihrer Arbeitskraft sowie die Überlastung der Böden (und damit auf Dauer Qualitätsverlust).
Vergleichbar damit ist das staatliche Verhalten von Ländern, deren wichtigstes (oder einziges) Exportprodukt Kaffee ist und wo der Kaffeeexport (oder sogar die Produktion) staatlich geregelt ist. Diese Staaten, die Devisen benötigen, um ihren Schuldendienst zu begleichen und Luxusgüter für die Eliten zu importieren, verhalten sich als Devisenmaximierer – ungeachtet der internen Kosten dieser Politik. Und wenn Kaffee (fast) die einzige Möglichkeit ist, an Devisen zu kommen, dann beantworten die Staaten ein Sinken des Preises mit einer Erhöhung der Exportmenge. Die Folge ist natürlich ein noch größerer Kaffeeüberschuß auf dem Weltmarkt und ein noch rascher sinkender Preis.
Massarat zeigt also, warum 26 Jahre lang keine Anpassung der Kaffeeanbieter an die Nachfrage stattgefunden hat, ob nun das Kaffeeabkommen in Kraft war oder nicht. Es gibt strukturelle Gründe für die Überproduktion, die der Überlebensproduktion der Kleinbauern und der von Devisen abhängigen Länder geschuldet sind, die vom Weltmarktgeschehen an den Rand gedrückt werden und sich deswegen nicht mehr profitmaximierend verhalten können. Infolgedessen ist der Kaffeepreis auf dem Weltmarkt auch kein “Gleichgewichtspreis” sondern ein Dum_ping-Preis.サDer Boom
Nun geschah etwas, womit niemand so richtig gerechnet hatte: Seit Anfang ’94 begannen die Kaffeepreise zu steigen und überschritten im Mai die 1,20 US-Dollar-Marke des früheren Weltkaffeeabkommens – bei サfreiem Spielen, um einen Preisanstieg zu bewirken. Die tatsächlich zurückgehaltenen Mengen wurden nämlich bereits im März ’94 vollständig freigegeben, als die vereinbarte Preisgrenze des Abkommens überschritten war – die Preise stiegen trotzdem weiter.
Der Grund für den Preisanstieg ist ein drastischer Produktionsrückgang in den letzten beiden Erntejahren: Zum ersten Mal seit 1985 (Dürre in Brasilien) war die Erntemenge zum Ende des Kaffeejahres 92/93, im März ’93, deutlich gefallen, und zwar gleich um 10 Prozent – nämlich 10 Millionen Sack. Dies hatte zunächst keine Auswirkungen, da aus den früheren Überschußjahren noch mehr als 10 Millionen Sack auf Lager waren und auch die Spekulation nicht reagierte – sie erwartete wohl einen erneuten Ernteanstieg auf das Niveau der Vorjahre. Doch als auch das neue Erntejahr im März ’94 wieder einen Produktionsrückgang um 1 Mio Sack brachte, bewertete der Markt den Trend als dauerhaft gewendet und reagierte auf die prognostizierte Angebotslückenoch warten sollen: Im Juli kletterte der Preis innerhalb weniger Wochen um gut einen US-Dollar auf 2,30 US-Dollar! Der rasanteste Preisanstieg seit 1975. Was war geschehen?
Während der Preisanstieg ab März als normalebeabsichtigtenanzen geschädigt und wird die Ernte 95/96 um etwa 20 Prozent reduzieren. Die kommende Ernte 94/95 ist nur geringfügig betroffen, da die Bohnen bereits gut entwickelt sind. Doch an der Warenterminbörse in New York ist die kommende Ernte seit langem verkauft, gehandelt wird eben der Kaffee der übernächsten Jahre. Nach der ersten Erregung hat sich die Lage etwas beruhigt, der Preis sank Ende August wieder auf 1,90 US-Dollar. Doch ein Rückgang auf das Niveau vor dem Brasilien-Frost wird in nächster Zeit nicht zu erwarten sein: Da Kaffee eine mehrjährige Pflanze ist, können andere Produzenten die Angebotslücke nicht so schnell schließen. Andererseits ist ein Nachfragerückgang aufgrund des hohen Preises auch nicht zu erwarten, da die durchschnittliche deutschamerikanische KaffeekonsumentIn hart im nehmen (oder geben?) ist: Egal wie teuer, an den Muntermachern für Auto und Mensch, Benzin und Kaffee, wird nicht gespart.
Das Ende der Dumpingpreise?
Nun stellt sich die Frage, ob mit der aktuellen Entwicklung die Dumpingpreis-Theorie widerlegt ist. Sicherlich muß der Brasilien-Frost als Sonderfall betrachtet werden, aber interessant ist ja, daß sich der Preis bereits vorher erholtfreiwillig
Freiwilligvom Markt erzwungenBei einsetzendem Preisverfall wie nach 1989 versuchen sie zunächst, die Kosten zu drükken, indem sie die Löhne der PflückerInnen kürzen, weniger Pestizide und Düngemittel einsetzen und die Pflege der Pflanzen vernachlässigen. Vielleicht nehmen sie auch ein oder zwei Jahre Verluste hin, in der Hoffnung, bei neu einsetzendem Preisanstieg schneller als die Konkurrenz, die erst neu anpflanzen muß, die Produktion steigern und Extra-Gewinne einfahren zu können. Bleibt aber der Boom aus, werden sie früher oder später die Produktion einstellen.
Genau das ist offenbar 1992 in größerem Maße geschehen. Nun behauptet aber Massarats Theorie nicht, daß es solche kapitalistischen Produzenten nicht gäbe. Prototyp sind ja gerade unsere beliebten Feindbilder, die Kaffeebarone, die das Land unter sich aufgeteilt haben, Hungerlöhne zahlen und aufmüpfige Arbeiter von den Schergen der Diktatur abholen und foltern lassen. Aber es gibt auch eine Reihe von kleineren und mittleren Unternehmen, die Kaffee produzieren – zu ungünstigeren Kosten und mit dünnerer Kapitaldecke als die Barone, und sie sind es, die beim Preisverfall zuerst aussteigen müssen.
Dies alles spricht aber nicht gegen die These der strukturellen Überproduktion. Diese sagt ja bloß aus, daß es immer einen Bodensatzh-kapitalistischer Produzenten entsteht. Anfangs, kurz nach 1989, haben sie diesen Effekt gewissermaßen überkompensiert: sie haben ihre Menge schneller gesteigert, als die anderen ausgestiegen sind. Dadurch sinkt der Preis noch mehr, weitere steigen aus; andererseits stößt die Mengensteigerung irgendwann an ihre Grenzen, und der Trend kehrt sich um: Es gibt insgesamt eine Mengenreduktion, aber immer abgemildert durch die gesteigerten Mengen der Subsistenzproduzenten. Die strukturelle Überproduktion ist also auch wirksam, wenn insgesamt die Anbaumenge sinkt – gäbe es sie nicht, wäre die Menge viel stärker gesunken und der Preis viel eher gestiegen. Die aktuelle Entwicklung spricht also im Kern nicht gegen die Dumpingpreis-Theorie.
Eine Prognose der etwas längerfristigen Entwicklung bestätigt dies, denn in absehbarer Zeit ist mit einer Umkehr des aktuellen Trends zu rechnen. Die plötzlich so hohen Preise werden die Produzenten, die vor zwei Jahren ihre Plantagen ganz oder teilweise stillgelegt hatten, dazu animieren, ihre Produktion wieder aufzunehmen bzw. auszuweiten. Es ist höchst wahrscheinlich, da wir in ein paar Jahren das Spielchen von Überproduktion und Preisverfall erneut erleben dürfen.
Warum dürfen Kleinbauern nicht vom Preisanstieg profitieren?
Es bleibt also noch die Frage zu klären, in wessen Taschen das “viele” Geld, was wir jetzt für unseren Kaffee bezahlen, letztlich hängen bleibt – bei den Konzernen wie bei den Alternativen!? Wieviel streichen die (Zwischen-)Händler und Spekulanten ein, was bekommen die BäuerInnen?
Eine Betrachtung der öffentlichen Reaktionen auf die gestiegenen Welt-Kaffeepreise ist durchaus dazu geeignet, leichte Verwunderung hervorzurufen. Die deutsche Kaffeewirtschaft, lange im Kreuzfeuer der alternativenSaboteureDeutlich verhaltener klingt der Jubel im alternativen Lager das ja seit Urzeiten gerechtere Preise gefordert hat. Der grundsätzlich geäußer_ten Freude folgen oft eine Reihe von Beden_ken auf dem Fuß: Bei den Mehreinnahmen handele es sich “erstens um die Gewinne der Spekulan_ten und zweitens um einen bescheidene Ausgleich für die Einnahmeverluste der kaffeeproduzierenden Länder in den letzten fünf Jahren, falls dort überhaupt mehr ankommt”, gibt z.B. die Kaffeegruppe von AG3WL und rsk zu bedenken, Mitinitiator von TRANSFAIR. Auch bei der Konkurrenz, MITKA-Mitglied El Rojito aus Hamburg, sollen auf jeden Fall die Kaffeebauern profitieren: “Wer hat denn nun sonst noch etwas von den höheren Weltmarktpreisen? Die Menschen, um die wir uns sorgen, jedenfalls in aller Regel nicht. Die kleinen ProduzentInnen, und dazu zählen auch die meisten Kooperativen, haben aufgrund fortwährender Finanzknappheit ihren Kaffee (zum Teil lange vor der Ernte, z.B. um Geld für Dünger zu bekommen) bereits verkauft. Zu dem Preis, der damals aktuell war, also lange vor dem Anstieg. Noch schlechter sind die dran, die an die Coyotes, die ausbeuterischen Zwischenhändler, verkaufen müssen, da sie keine Transportmöglichkeiten haben. Gut haben es nur die Händler bzw. Firmen, die Kaffee auf Lager behalten konnten, sie profitieren bereits jetzt von den höheren Preisen. Die kleineren ProduzentInnen haben nur dann etwas vom höheren Weltmarktpreis, wenn er auch bei der kommenden Ernte (94/95) noch hoch ist. Der aktuell hohe Weltmarktpreis ist (wenn mensch in den Marktmechanismen argumentiert) aufgrund der gesunkenen Produktionsmenge sicherlich gerechtfertigt. Ob nun in dieser Höhe, sei dahingestellt.”
Nun will ich hier keineswegs die Lage der Kaffeekleinbauern beschönigen, noch will ich bestreiten, daß den Löwenanteil der Spekulations-Hausse eben die Spekulanten (im übrigen auch nicht immer alle gleichzeitig, sondern die, die auf’s richtige Pferd gesetzt haben) einsacken. Doch sind m.E. zwei Dinge unübersehbar. Erstens wird der hohe Preis zwangsläufig auch den Kleinbauern etwas nutzen, und zweitens bringt der hohe Preis die Alternativ-Händler in argumentative und / oder handelstechnische Schwierigkeiten.
Die Rolle der Coyoten
Das Argument, das die Kleinbauern völlig dem Diktat der ausbeuterischen Zwischenhändler ausliefert, ist mir viel zu undifferenziert (was keinesfalls die teilweise üblen Praktiken leugnen soll). Der Hinweis, von ihnen erhielten die Bauern nur 30-50 Prozent des Weltmarktpreises, ist etwa so aussagekräftig wie die Feststellung, daß El Rojito den Kaffee etwa dreimal so teuer an uns verkauft wie einkauft. Natürlich bekämen die Bauern mehr Geld, wenn sie den Kaffee selbst zum Hafen brächten – doch sie hätten auch höhere Kosten für LKW, Benzin, Arbeitszeit. Und auch Coyoten kriegen am Hafen nicht den vollen Weltmarktpreis, sondern vielleicht 80 Prozent oder 90 Prozent; schließlich müssen die Spekulanten auch etwas verdienen. Hinzu kommt, daß Zinsen anfallen ,wenn die Coyoten die Ernte z.T. ein Jahr im Voraus bar bezahlen. Gerade in Zeiten, wo Kaffeeknappheit herrscht, ist darüberhinaus anzunehmen, daß die wachsende Konkurrenz zwischen den Coyoten die ausbeuterischen Zwischenhandelsprofite auf Normalmaß niederkonkurriert und damit die höheren Preise auch bis zu den PoduzentInnen durchsickern, die nicht selbst exportieren.
Ein genaueres Lesen der veröffentlichten Alternativ-Informationen macht dann auch deutlich, wie die Punkte eins und zwei ineinander greifen: “Schon im Mai waren dann die ausbeuterischen Zwischenhändler, die Coyotes, gekommen, um bei den Bauern die Kaffeeernte 1994/95 zu kaufen, direkt ‘vom Strauch’ und noch lange nicht reif. Sie zahlten höhere Preise, bar auf die Hand. Bargeld ist auch bei den Kooperativen-Bauern knapp, und so verkaufte mancher an die Coyotes. Die Genossenschaften könnten dadurch in Bedrängnis kommen, wenn sie nämlich mangels Kaffee die Verträge, u.a. mit den Alternativen Importorganisationen, nicht erfüllen können.”
Also bereits im Mai, noch vor dem Frost-Preisboom, hatten die Coyoten die seit März angefallenen Preiserhöhungen (auf 1,20 US-Dollar) zumindest teilweise weitergegeben und Konditionen offeriert, die die Kooperativen – Vertragspartner der Alternativhändler, die ja 1,26-1,32 US-Dollar gezahlt haben – nicht bieten konnten. Natürlich hatten die Coyoten in diesem Fall Glück und die Bauern Pech – sechs Wochen später hätten sie vielleicht das Doppelte fordern können. Aber nicht einmal die Coyoten haben den Frost vorhersehen können, sie haben nur auf die allgemeine Verknappung reagiert und hatten Glück – jetzt profitieren sie am meisten (wenn sie nicht wiederum schon vorher selbst feste Verträge mit ihren Abnehmern gemacht hatten) Allerdings ist bei der anhaltenden Kaffeeknappheit anzunehmen, daß die Coyoten bald wieder an den Kaffeesträuchern auftauchen und auch die 95/96er Ernte aufkaufen wollen. Und diesmal wird der frühzeitige Verkauf sicher nicht zum Nachteil der Kaffeebauern sein – falls nicht zur Abwechslung noch eine Dürre in Brasilien ausbricht.
Große und kleine Kaffeehändler
Bleibt noch die Frage, ob nicht doch die großen Kaffeekonzerne, die den Preisanstieg ja begrüßt hatten, die Hauptprofiteure sind. Dies wird zumindest von Seiten der Alternativen unter Hinweis auf gefüllte Lager mit billigem Kaffee, der jetzt teurer verkauft werden kann, vermutet. Sicherlich kann mensch davon ausgehen, daß dies für die erste Preiserhöhungsrunde im Juli im großen und ganzen zutrifft und die Kaffee-Konzerne sich ein Vorbild an ihren Brüdern und Schwestern aus der Mineralölbranche genommen und als informelles Kartell die sowieso irgendwann fällige Erhöhung etwas vorgezogen haben (wenn alle gleichermaßen erhöhen, verliert keiner Marktanteile). Doch inzwischen dürften die Vorräte (höchstens 2-3 Monatsrationen) erschöpft sein, der höhere Einstandspreis sich bemerkbar gemacht und der erbitterte Kampf um Marktanteile wieder begonnen haben.
Etwas günstiger gestaltet sich die Lage für die Alternativ-Händler von der MITKA. Sie kaufen nämlich immer gleich die gesamte Jahresmenge im Voraus, haben also bei Vertragsabschluß im März wie die anderen Jahre auch 1,32 US-Dollar (für Nica Organico 1,56 US-Dollar) bezahlt. Ausgleichende Gerechtigkeit, möchte mensch meinen, waren sie doch die ganzen Jahre standhaft und haben zeitweise das Doppelte des Weltmarktpreises auf den Tisch gelegt. Doch Heiligenschein und Scheinheiligkeit liegen oft nah beieinander. Denn, um zur Ausgangsfrage dieses Artikels zurückzukommen: Warum wurden im September die Preise erhöht?
El Rojito gibt uns eine offene Antwort:
“1. Den ProduzentInnen entsteht praktisch aus der Tatsache, daß wir den Kaffee so frühzeitig importiert haben, ein Nachteil, denn hätten wir den Kaffee erst im Juni ’94 gekauft, dann natürlich zu entsprechend höheren Preisen. 2. Alle anderen Kaffeesorten, ob herkömmlich oder alternativ gehandelt, werden teurer oder sind es bereits geworden. Wenn nun nur Sandino Dröhnung beim alten Preis bleibt, wird es einen ‘Run’ geben. Diesen erhoffen wir schon seit Jahren, aber bitte nicht, weil unser Kaffee billiger ist, sondern wegen anderer, qualitativer oder politischer Aspekte. Ein Run auf unsere Kaffees hätte zudem die Folge, daß die Menge, die wir auf Lager haben, nicht bis zum neuen Import ausreichen würde. Das will niemand.”
Zunächst können wir El Rojito beruhigen, ein ‘Run’ wäre nicht zu befürchten gewesen, haben doch die Konzerne mit ihrer Preiserhöhung (jetzt etwa 10.-/Pfund für ihre Spitzensorten) überhaupt erst zum alten Preisniveau der Alternativen aufgeschlossen. Und so schnell wechselt Frau Sommer nicht von der Krönung zur Dröhnung – müßte sie sich doch bei nächster Gelegenheit wieder herausreden, ihr Mann habe den Kaffee eingekauft oder gekocht, wenn er ihren Gästen nicht schmeckt.
Andererseits ist es natürlich bequemer, den Preis zu erhöhen und so ohne Mehraufwand eine Erlössteigerung mitzunehmen. Also genauso, wie es die Konzerne vorgemacht haben, bloß nicht nur 2-3 Monate, sondern ein halbes Jahr bis zu den neuen Vertragsabschlüssen im Frühjahr. Fairerweise ist zu erwähnen, daß El Rojito die Mehreinnahmen als Spende den Kaffeeprojekten zukommen lassen will. Von den anderen MITKA-Gruppen ist solche Großzügigkeit bisher nicht bekannt geworden. Aber je nachdem, wie das Geschäftsjahr läuft, ist es später immer noch bzw. aus steuerrechtlichen Gründen leider nicht mehr möglich.
Bei der Konkurrenz von der GEPA hingegen waren die neuen Vertragsabschlüsse bereits zum 1.10.94 fällig. Hier machte sich dann auch die momentane MarktmachtVerluste die sie rechnerisch erlitten haben, seit der Weltmarkt_preis über dem GEPA-Preis (1,26 US-Dollar) lag – und bekamen sie. Außerdem zahlt die GEPA ab jetzt den aktuellen Weltmarktpreis plus 10 Prozent, solange der Marktpreis über dem früheren Mindestpreis bleibt. Und darauf muß die GEPA auch hoffen: Sollte der Marktpreis zum Geschäftsjahresende am 31.3.95 wieder gesunken sein, werden wie dieses Jahr Abschreibungen in Millionenhöhe fällig! Wir drücken ihr die Daumen.
aus: Umbrüche 11/12, Nov. ’94