Land und Freiheit | Nummer 246 - Dezember 1994

Von Heiligenscheinen und Scheinheiligen

Preis-Fragen zum Kaffeehandel

Im September war es nun soweit: Die “alternativen” Kaffeevermarkter GEPA und MITKA sind dem Vorbild der großen Kaffeekonzerne und Lebensmittel­ketten von ALDI bis Jacobs gefolgt und haben den Kaffeepreis um 2.- bis 4.- DM pro Kilo erhöht. Sie passen sich damit der allgemeinen Entwicklung auf dem Kaffee­markt an. Warum eigentlich? Haben wir nicht bisher immer gehört, daß der momentan so hohe Preis an der Kaffeebörse allein durch Spekulations­geschäfte zustandekommt (woran “unser” Kaffe ja wohl nicht beteiligt ist) und

Thorsten Lampe

Um das Verhalten der Alter­nativhändler beurteilen zu können, ist es zuvor nötig, die Entwicklungen auf dem Weltkaffee­markt nachzuvoll­ziehen. Dieser war bis 1989 vom Weltkaffeeabkommen reguliert, einer Vereinbarung zwischen Kaffeean­bauländern (Brasilien, Kolumbien…) und den Verbrauchsländern (USA, BRD…), die Exportmengen festge­legte und den Preis bei etwa 1,20 US-Dollar pro Pfund (Libra) Rohkaffee stabilisieren sollte. Nachdem das Abkommen im Sommer ’89 nicht verlängert worden war, strömte der bislang zurückgehaltene Kaffeeüber­schuß auf den Markt und drückte den Preis dra­stisch – bis auf den Tiefst­stand von 0,60 US-Dollar pro Libra Anfang 1992.
Weltmarktpreise
Die alternativen Kaffeevermarkter haben in ihrer Informationsarbeit immer wieder auf die katastrophalen Folgen dieses Nied­rigpreises vor allem für die Kaffeeklein­bauern hin­gewiesen, die nicht einmal mehr ihre Produktionskosten decken konnten. Diese Situation dürfte auch dazu bei­getragen haben, die Idee von TRANS­FAIR bei Weltläden und Kri­tikerInnen der Kaffeekonzerne, die bisher nur auf alter­nativ vermarkteten Kaffee ge­schworen hatten, hoffähig zu machen, denn es war klar, daß GEPA und MITKA nicht den gesamten Kaffee der vom Preis­zusammenbruch betroffenen Klein­bauern abnehmen könnten. Immerhin garantierten die auch von kommer­ziellen Händlern an­gebotenen TRANSFAIR-Sorten einer grö­ßeren Anzahl von Kleinbauern einen Richt­preis von 1,26 US-Dollar pro Libra.
Nun stellt sich schon die Frage, wie es sein kann, daß die Kaffeepreise dauerhaft unter den Produktions­kosten liegen (von 1990 bis März ’94 überschritten sie die 0,75 US-Dollar-Marke nicht, s. Grafik). Nach den kapitalisti­schen Spielregeln müßten diejenigen Produzenten, die beim gegebenen Preis nicht mehr profitabel wirtschaf­ten, ihre Produktion einstellen. Dadurch müßte das Angebot lang­sam wieder auf das Niveau der Nachfrage sin­ken und der Preis lang­sam wieder steigen – bis zum サGleichgewichtspreisß wenn sich Angebot und Nachfrage die Waage halten. Diesen Anpassungsprozeß hatten die Apologeten des freien Marktes von der Auflösung des Kaffeeabkommens zu er_warten behauptet, denn ihrer Meinung nach trug das Kaffeeabkommen die Schuld an der Überproduktion. Tatsäch­lich aber erhöhte sich die Produktion erst recht nach der Auflösung des Kaffee­abkommens – die Produzenten beantwor­teten das Sinken der Preise mit einer Ausweitung der Menge, verhielten sich also “marktwidrig” Da die Nachfrage stagnierte, vergrößerte sich das überschüs_sige Ange_bot, und der Preis sank noch mehr.
Die Dumpingpreis-Theorie
Das Phänomen der marktwidrigen Reak­tionen auf dem Weltkaffeemarkt versucht der サalternativenicht­kapitalistischn Nahrungs­mitteln für den Eigenbedarf, sie benötigen aber noch eine bestimmte Summe Geldes für Gesundheit, Schule und einige Konsumgüter, die sie nur mit dem Anbau und Ver­kauf von Kaffee ver­dienen kön­nen. Ein Sinken der Preise kompensieren sie mit einer Erhöhung der Anbau­menge, um das Geldeinkommen zu stabilisieren – sie können die Kaffee­produktion nicht einschränken oder ein­stellen, weil sie keine Alternative haben, an Geld heranzu kommen. Die Folge ist eine verstärkte Selbstaus­beutung ihrer Ar­beitskraft sowie die Überlastung der Bö­den (und damit auf Dauer Qualitätsver­lust).
Vergleichbar damit ist das staatliche Ver­halten von Ländern, deren wich­tigstes (oder einziges) Exportprodukt Kaffee ist und wo der Kaffeeexport (oder sogar die Produktion) staatlich geregelt ist. Diese Staaten, die Devi­sen benötigen, um ihren Schulden­dienst zu begleichen und Luxus­güter für die Eliten zu importieren, verhal­ten sich als Devisenmaximierer – unge­achtet der internen Kosten dieser Politik. Und wenn Kaffee (fast) die einzige Mög­lichkeit ist, an Devi­sen zu kommen, dann beantworten die Staaten ein Sinken des Preises mit einer Erhöhung der Export­menge. Die Folge ist natürlich ein noch größerer Kaffeeüberschuß auf dem Welt­markt und ein noch rascher sinkender Preis.
Massarat zeigt also, warum 26 Jahre lang keine Anpassung der Kaffee­anbieter an die Nachfrage stattgefun­den hat, ob nun das Kaffeeabkom­men in Kraft war oder nicht. Es gibt strukturelle Gründe für die Überpro­duktion, die der Überlebens­produk­tion der Kleinbauern und der von Devisen abhängigen Länder geschuldet sind, die vom Weltmarktge­schehen an den Rand gedrückt werden und sich deswegen nicht mehr profitma­ximierend verhalten können. Infolgedes­sen ist der Kaffeepreis auf dem Weltmarkt auch kein “Gleichgewichtspreis” sondern ein Dum_ping-Preis.サDer Boom
Nun geschah etwas, womit niemand so richtig gerechnet hatte: Seit Anfang ’94 begannen die Kaffee­preise zu steigen und überschritten im Mai die 1,20 US-Dollar-Marke des früheren Weltkaffeeabkom­mens – bei サfreiem Spielen, um einen Preisanstieg zu be­wirken. Die tatsächlich zurück­gehaltenen Mengen wurden nämlich bereits im März ’94 vollständig frei­gegeben, als die ver­einbarte Preis­grenze des Abkommens überschrit­ten war – die Preise stiegen trotzdem weiter.
Der Grund für den Preisanstieg ist ein dra­stischer Produktionsrückgang in den letz­ten beiden Erntejahren: Zum ersten Mal seit 1985 (Dürre in Brasi­lien) war die Erntemenge zum Ende des Kaffeejahres 92/93, im März ’93, deutlich gefallen, und zwar gleich um 10 Prozent – nämlich 10 Millionen Sack. Dies hatte zunächst keine Auswir­kungen, da aus den früheren Über­schußjahren noch mehr als 10 Millio­nen Sack auf Lager waren und auch die Spe­kulation nicht reagierte – sie erwartete wohl einen erneuten Ernteanstieg auf das Niveau der Vorjahre. Doch als auch das neue Erntejahr im März ’94 wieder einen Produktionsrückgang um 1 Mio Sack brachte, bewertete der Markt den Trend als dauerhaft gewendet und reagierte auf die prognostizierte Angebotslückenoch warten sollen: Im Juli kletterte der Preis innerhalb weniger Wochen um gut einen US-Dollar auf 2,30 US-Dollar! Der rasante­ste Preisanstieg seit 1975. Was war geschehen?
Während der Preisanstieg ab März als normalebeabsichtigtenanzen geschä­digt und wird die Ernte 95/96 um etwa 20 Prozent reduzieren. Die kom­mende Ernte 94/95 ist nur geringfügig betroffen, da die Bohnen bereits gut entwickelt sind. Doch an der Waren­terminbörse in New York ist die kommende Ernte seit langem ver­kauft, gehandelt wird eben der Kaffee der über­nächsten Jahre. Nach der ersten Erregung hat sich die Lage etwas beruhigt, der Preis sank Ende August wieder auf 1,90 US-Dollar. Doch ein Rückgang auf das Ni­veau vor dem Brasilien-Frost wird in nächster Zeit nicht zu erwarten sein: Da Kaffee eine mehrjährige Pflanze ist, kön­nen andere Produzenten die Angebots­lücke nicht so schnell schließen. Anderer­seits ist ein Nachfragerück­gang aufgrund des hohen Preises auch nicht zu erwarten, da die durch­schnittliche deutschamerika­nische KaffeekonsumentIn hart im neh­men (oder geben?) ist: Egal wie teuer, an den Muntermachern für Auto und Mensch, Benzin und Kaffee, wird nicht gespart.

Das Ende der Dumpingpreise?
Nun stellt sich die Frage, ob mit der aktu­ellen Entwicklung die Dumping­preis-Theorie widerlegt ist. Sicherlich muß der Brasilien-Frost als Sonderfall betrachtet werden, aber interessant ist ja, daß sich der Preis bereits vorher erholtfreiwillig
Freiwilligvom Markt erzwungenBei einset­zendem Preisverfall wie nach 1989 ver­suchen sie zunächst, die Kosten zu drük­ken, indem sie die Löhne der Pflücker­Innen kürzen, weniger Pestizide und Dün­gemittel einsetzen und die Pflege der Pflan­zen vernachlässigen. Vielleicht neh­men sie auch ein oder zwei Jahre Verluste hin, in der Hoffnung, bei neu einsetzen­dem Preisanstieg schneller als die Kon­kurrenz, die erst neu anpflanzen muß, die Produktion stei­gern und Extra-Gewinne einfahren zu können. Bleibt aber der Boom aus, werden sie früher oder später die Produktion einstellen.
Genau das ist offenbar 1992 in grö­ßerem Maße geschehen. Nun behauptet aber Massarats Theorie nicht, daß es solche kapitalistischen Produzenten nicht gäbe. Prototyp sind ja gerade unsere beliebten Feindbilder, die Kaffeebarone, die das Land unter sich aufgeteilt haben, Hun­gerlöhne zahlen und aufmüpfige Arbeiter von den Schergen der Dik­tatur abholen und foltern lassen. Aber es gibt auch eine Reihe von kleineren und mittleren Unter­nehmen, die Kaf­fee produzieren – zu un­günstigeren Kosten und mit dünnerer Kapital­decke als die Barone, und sie sind es, die beim Preisverfall zuerst aussteigen müssen.
Dies alles spricht aber nicht gegen die These der strukturellen Überproduk­tion. Diese sagt ja bloß aus, daß es immer einen Bodensatzh-kapitalistischer Produzenten entsteht. Anfangs, kurz nach 1989, haben sie diesen Effekt gewisser­maßen über­kompensiert: sie haben ihre Menge schneller gesteigert, als die ande­ren ausgestiegen sind. Dadurch sinkt der Preis noch mehr, weitere steigen aus; an­dererseits stößt die Mengensteige­rung ir­gendwann an ihre Grenzen, und der Trend kehrt sich um: Es gibt insgesamt eine Mengenreduktion, aber immer abgemil­dert durch die gesteigerten Mengen der Subsi­stenzproduzenten. Die strukturelle Überproduktion ist also auch wirk­sam, wenn insgesamt die Anbau­menge sinkt – gäbe es sie nicht, wäre die Menge viel stärker gesunken und der Preis viel eher gestiegen. Die aktuelle Entwicklung spricht also im Kern nicht gegen die Dumpingpreis-Theorie.
Eine Prognose der etwas längerfristi­gen Entwicklung bestätigt dies, denn in abseh­barer Zeit ist mit einer Umkehr des aktu­ellen Trends zu rechnen. Die plötzlich so hohen Preise werden die Produzenten, die vor zwei Jahren ihre Plantagen ganz oder teilweise stillgelegt hatten, dazu animie­ren, ihre Produktion wieder aufzunehmen bzw. auszuweiten. Es ist höchst wahr­scheinlich, da wir in ein paar Jahren das Spielchen von Überproduktion und Preis­verfall erneut erleben dürfen.
Warum dürfen Kleinbauern nicht vom Preisanstieg profitieren?
Es bleibt also noch die Frage zu klä­ren, in wessen Taschen das “viele” Geld, was wir jetzt für unseren Kaffee bezahlen, letztlich hängen bleibt – bei den Konzernen wie bei den Alternati­ven!? Wieviel streichen die (Zwischen-)Händler und Spekulanten ein, was bekommen die BäuerInnen?
Eine Betrachtung der öffentlichen Reak­tionen auf die gestiegenen Welt-Kaffee­preise ist durchaus dazu geeignet, leichte Verwunderung her­vorzurufen. Die deut­sche Kaffeewirt­schaft, lange im Kreuz­feuer der alternativenSaboteureDeutlich verhaltener klingt der Jubel im alternativen Lager das ja seit Urzeiten gerechtere Preise gefordert hat. Der grundsätzlich geäußer_ten Freude folgen oft eine Reihe von Beden_ken auf dem Fuß: Bei den Mehreinnahmen handele es sich “erstens um die Gewinne der Spekulan_ten und zweitens um einen bescheidene Ausgleich für die Einnahmever­luste der kaffeepro­duzierenden Länder in den letzten fünf Jahren, falls dort überhaupt mehr an­kommt”, gibt z.B. die Kaffeegruppe von AG3WL und rsk zu bedenken, Mit­initiator von TRANSFAIR. Auch bei der Konkurrenz, MITKA-Mitglied El Rojito aus Hamburg, sollen auf jeden Fall die Kaffeebauern profitieren: “Wer hat denn nun sonst noch etwas von den höheren Weltmarktpreisen? Die Men­schen, um die wir uns sorgen, jedenfalls in aller Regel nicht. Die kleinen Produzent­Innen, und dazu zählen auch die meisten Kooperativen, haben aufgrund fort­währender Finanzknappheit ihren Kaffee (zum Teil lange vor der Ernte, z.B. um Geld für Dünger zu bekom­men) bereits verkauft. Zu dem Preis, der damals aktuell war, also lange vor dem Anstieg. Noch schlechter sind die dran, die an die Coyo­tes, die aus­beuterischen Zwischen­händler, ver­kaufen müssen, da sie keine Trans­portmöglichkeiten haben. Gut haben es nur die Händler bzw. Firmen, die Kaf­fee auf Lager behalten konnten, sie profi­tieren bereits jetzt von den höheren Prei­sen. Die kleineren Pro­duzentInnen haben nur dann etwas vom höheren Weltmarkt­preis, wenn er auch bei der kommenden Ernte (94/95) noch hoch ist. Der aktuell hohe Welt­marktpreis ist (wenn mensch in den Marktmechanismen argumentiert) auf­grund der gesun­kenen Produktions­menge sicherlich gerechtfertigt. Ob nun in dieser Höhe, sei dahingestellt.”
Nun will ich hier keineswegs die Lage der Kaffeekleinbauern beschönigen, noch will ich bestreiten, daß den Löwenanteil der Spekulations-Hausse eben die Spekulan­ten (im übrigen auch nicht immer alle gleichzeitig, sondern die, die auf’s richtige Pferd gesetzt haben) einsacken. Doch sind m.E. zwei Dinge unübersehbar. Erstens wird der hohe Preis zwangsläufig auch den Kleinbauern etwas nutzen, und zwei­tens bringt der hohe Preis die Alter­nativ-Händler in argumentative und / oder han­delstechnische Schwie­rigkeiten.
Die Rolle der Coyoten
Das Argument, das die Kleinbauern völlig dem Diktat der ausbeuterischen Zwi­schenhändler ausliefert, ist mir viel zu un­differenziert (was keinesfalls die teilweise üblen Praktiken leugnen soll). Der Hin­weis, von ihnen erhielten die Bauern nur 30-50 Prozent des Weltmarktpreises, ist etwa so aussagekräftig wie die Feststel­lung, daß El Rojito den Kaffee etwa drei­mal so teuer an uns verkauft wie einkauft. Natürlich bekämen die Bauern mehr Geld, wenn sie den Kaffee selbst zum Hafen brächten – doch sie hätten auch höhere Kosten für LKW, Benzin, Arbeitszeit. Und auch Coyoten krie­gen am Hafen nicht den vollen Welt­marktpreis, sondern vielleicht 80 Prozent oder 90 Prozent; schließlich müssen die Spe­kulanten auch etwas verdienen. Hinzu kommt, daß Zin­sen anfallen ,wenn die Coyoten die Ernte z.T. ein Jahr im Voraus bar bezahlen. Ge­rade in Zeiten, wo Kaffeeknappheit herrscht, ist darüberhinaus anzuneh­men, daß die wachsende Konkur­renz zwi­schen den Coyoten die aus­beuterischen Zwi­schenhandelsprofite auf Normalmaß nie­derkonkurriert und damit die höheren Preise auch bis zu den PoduzentInnen durchsickern, die nicht selbst exportieren.
Ein genaueres Lesen der veröffent­lichten Alternativ-Informationen macht dann auch deutlich, wie die Punkte eins und zwei in­einander greifen: “Schon im Mai waren dann die ausbeuterischen Zwischenhänd­ler, die Coyotes, gekommen, um bei den Bauern die Kaffeeernte 1994/95 zu kau­fen, direkt ‘vom Strauch’ und noch lange nicht reif. Sie zahlten höhere Preise, bar auf die Hand. Bargeld ist auch bei den Kooperativen-Bauern knapp, und so ver­kaufte mancher an die Coyotes. Die Ge­nossenschaften könnten dadurch in Be­drängnis kommen, wenn sie nämlich mangels Kaffee die Verträge, u.a. mit den Alternativen Importorganisationen, nicht erfüllen können.”
Also bereits im Mai, noch vor dem Frost-Preisboom, hatten die Coyoten die seit März angefallenen Preiserhö­hungen (auf 1,20 US-Dollar) zumindest teil­weise wei­tergegeben und Konditio­nen offeriert, die die Kooperativen – Vertragspartner der Alternativhändler, die ja 1,26-1,32 US-Dollar gezahlt haben – nicht bieten konn­ten. Natürlich hatten die Coyoten in die­sem Fall Glück und die Bauern Pech – sechs Wochen später hätten sie vielleicht das Doppelte fordern können. Aber nicht einmal die Coyoten haben den Frost vor­hersehen können, sie haben nur auf die allgemeine Verknappung rea­giert und hatten Glück – jetzt profitieren sie am meisten (wenn sie nicht wiederum schon vorher selbst feste Verträge mit ihren Ab­nehmern gemacht hatten) Allerdings ist bei der anhaltenden Kaffeeknappheit an­zunehmen, daß die Coyoten bald wieder an den Kaffeesträuchern auf­tauchen und auch die 95/96er Ernte aufkaufen wollen. Und diesmal wird der frühzeitige Verkauf sicher nicht zum Nachteil der Kaffee­bauern sein – falls nicht zur Ab­wechslung noch eine Dürre in Brasilien ausbricht.
Große und kleine Kaffeehändler
Bleibt noch die Frage, ob nicht doch die großen Kaffeekonzerne, die den Preisan­stieg ja begrüßt hatten, die Hauptprofi­teure sind. Dies wird zumindest von Sei­ten der Alternati­ven unter Hinweis auf ge­füllte Lager mit billigem Kaffee, der jetzt teurer verkauft werden kann, vermutet. Si­cherlich kann mensch davon aus­gehen, daß dies für die erste Preiser­höhungsrunde im Juli im großen und ganzen zutrifft und die Kaffee-Kon­zerne sich ein Vorbild an ihren Brüdern und Schwestern aus der Mineralölbranche genommen und als in­formelles Kartell die sowieso irgendwann fällige Erhöhung etwas vorgezogen haben (wenn alle gleichermaßen erhöhen, ver­liert kei­ner Marktanteile). Doch inzwi­schen dürften die Vorräte (höchstens 2-3 Monatsrationen) erschöpft sein, der hö­here Einstandspreis sich bemerk­bar ge­macht und der erbitterte Kampf um Marktanteile wieder begonnen haben.
Etwas günstiger gestaltet sich die Lage für die Alternativ-Händler von der MITKA. Sie kaufen nämlich immer gleich die ge­samte Jahres­menge im Voraus, haben also bei Vertragsabschluß im März wie die an­deren Jahre auch 1,32 US-Dollar (für Nica Organico 1,56 US-Dollar) bezahlt. Ausglei­chende Gerechtigkeit, möchte mensch meinen, waren sie doch die gan­zen Jahre standhaft und haben zeitweise das Doppelte des Welt­marktpreises auf den Tisch gelegt. Doch Heiligenschein und Schein­heiligkeit liegen oft nah beiein­ander. Denn, um zur Ausgangsfrage die­ses Artikels zurückzukommen: Warum wurden im September die Preise erhöht?
El Rojito gibt uns eine offene Antwort:
“1. Den ProduzentInnen entsteht praktisch aus der Tatsache, daß wir den Kaffee so frühzeitig importiert haben, ein Nachteil, denn hätten wir den Kaffee erst im Juni ’94 gekauft, dann natürlich zu entspre­chend höhe­ren Preisen. 2. Alle anderen Kaffee­sorten, ob herkömmlich oder alterna­tiv gehandelt, werden teurer oder sind es bereits geworden. Wenn nun nur Sandino Dröhnung beim alten Preis bleibt, wird es einen ‘Run’ geben. Diesen erhof­fen wir schon seit Jah­ren, aber bitte nicht, weil unser Kaffee billiger ist, sondern we­gen anderer, qualitativer oder politischer Aspekte. Ein Run auf unsere Kaffees hätte zu­dem die Folge, daß die Menge, die wir auf Lager haben, nicht bis zum neuen Im­port ausreichen würde. Das will niemand.”
Zunächst können wir El Rojito beru­higen, ein ‘Run’ wäre nicht zu befürchten gewe­sen, haben doch die Konzerne mit ihrer Preiserhöhung (jetzt etwa 10.-/Pfund für ihre Spit­zensorten) überhaupt erst zum alten Preisniveau der Alternativen auf­geschlossen. Und so schnell wech­selt Frau Sommer nicht von der Krönung zur Dröh­nung – müßte sie sich doch bei nächster Gelegenheit wieder herausreden, ihr Mann habe den Kaffee eingekauft oder gekocht, wenn er ihren Gästen nicht schmeckt.
Andererseits ist es natürlich beque­mer, den Preis zu erhöhen und so ohne Mehr­aufwand eine Erlössteige­rung mitzuneh­men. Also genauso, wie es die Konzerne vorgemacht haben, bloß nicht nur 2-3 Monate, sondern ein halbes Jahr bis zu den neuen Vertragsabschlüssen im Früh­jahr. Fairerweise ist zu erwäh­nen, daß El Rojito die Mehreinnah­men als Spende den Kaffeeprojekten zukommen lassen will. Von den anderen MITKA-Gruppen ist solche Großzügigkeit bisher nicht bekannt geworden. Aber je nachdem, wie das Ge­schäftsjahr läuft, ist es später immer noch bzw. aus steuer­rechtlichen Gründen leider nicht mehr möglich.
Bei der Konkurrenz von der GEPA hinge­gen waren die neuen Vertrags­abschlüsse bereits zum 1.10.94 fällig. Hier machte sich dann auch die momentane MarktmachtVerluste die sie rechnerisch erlitten haben, seit der Weltmarkt_preis über dem GEPA-Preis (1,26 US-Dollar) lag – und bekamen sie. Außerdem zahlt die GEPA ab jetzt den aktuellen Weltmarktpreis plus 10 Prozent, solange der Marktpreis über dem früheren Mindestpreis bleibt. Und darauf muß die GEPA auch hoffen: Sollte der Marktpreis zum Geschäftsjahresende am 31.3.95 wie­der gesunken sein, werden wie dieses Jahr Abschrei­bungen in Millionenhöhe fällig! Wir drücken ihr die Daumen.

aus: Umbrüche 11/12, Nov. ’94

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