Von Männern, Frauen, Sex und Hunger
Die Exilkubanerin Daína Chaviano schreibt sich den Blues von der Seele
Auch wenn Daína Chaviano Kuba vor neun Jahren verlassen hat, kehrt sie in ihrer Literatur doch immer wieder auf die Insel zurück. So auch in ihrem ersten Roman, Havanna Blues. Er erzählt die Geschichte der kubanischen Kunststudentin Claudia, die exmatrikuliert wurde, weil sie sich zu kritisch über den Verkauf von Kunstschätzen geäußert hatte. Sie verliebt sich in den Kunsthandwerker Rubén und lebt mit ihm vom Lederwarengeschäft, bis Rubén eines Tages verhaftet wird. Claudia muss sich nun alleine durchschlagen; keine leichte Aufgabe, denn sie ist schwanger. Da sie nach der Geburt tagsüber keine Betreuung für ihren Sohn findet, beginnt sie nachts als „Touristenbegleiterin“ zu arbeiten. Mit den damit verdienten Dollars kann sie sich zwar einen vollen Kühlschrank und Seidenunterwäsche leisten, nur erfahren darf es niemand. Auch nicht Rubén, dem sie deshalb schnell entflieht, als sie ihn nach Jahren auf der Straße trifft.
Kubanische Klischees
Claudias Erlebnisse und Gedanken werden mal aus der Perspektive einer allwissenden Erzählerin, mal von Claudia selbst erzählt. Zwei weitere Perspektiven entstehen durch Gespräche zwischen Rubén und Claudias Freier Gilberto, die freilich nicht ahnen, dass sie von derselben Frau sprechen. Angereichert wird die Geschichte mit satirischen Einschüben, in denen der Einfallsreichtum der KubanerInnen auf die Schippe genommen wird, und Szenen, in denen Claudia in das Havanna vor 200 Jahren versetzt wird, in eine Zeit also, in der die Stadt noch nicht vom Untergang bedroht war, sondern sich gerade zur Perle der Karibik entwickelte.
Daína Chaviano hat mit Havanna Blues eine Art Reiseführer für die kubanische Gesellschaft geschrieben, der jedoch über die gängigen Bilder leider nicht hinausführt. Die gesamte Palette aktueller Themen wird auf übliche Weise abgehandelt: Das ganze Leben ist ein Überlebenskampf, geprägt von der Ohnmacht und dem Hunger der Menschen. „Sie aßen mit der Verzweiflung derer, die schon so lange hungern, dass der Hunger Teil ihres genetischen Gedächtnisses geworden ist.“ Claudia und ihre Freunde hat der Blues ergriffen, wie es der Titel der deutschen Ausgabe so passend ankündigt, doch dieser geht einem ziemlich schnell auf die Nerven, ebenso wie die Klischees, derer sich Daína Chaviano kräftig bedient.
Der Originaltitel El hombre, la hembra y el hambre fasst zusammen, worum sich im Roman alles dreht: um Männer, Frauen und Hunger. Denn selbstverständlich darf in einem solchen Abklatsch von Zoe Valdés’ Texten neben dem Elend auch die Erotik nicht fehlen. Da werden die Menschen zu Tieren, die sich die Klamotten vom Leib reißen und sich mit Lebensmitteln beschmieren, um im Liebesrausch ihre Not zu vergessen. „Sie verschluckte sich an einer Banane, die er ihr in den Mund schob und die sie kostete wie ein riesiges süßes männliches Glied. Es bereitete ihm offensichtlich ein höllisches Vergnügen, ihr dabei zuzusehen, wie sie die ganze Frucht verschlang. Dann erst bewegte er sich wieder in ihrem Inneren, ritt sie, in Raserei verfallend wie ein Meuchelmörder, bis Claudia in den Chor der Schreie und Seufzer
einfiel, den die schwarzen Frauen und Mulatinnen um sie herum anstimmten.“
Diese ausgewälzten Klischees, wie auch die etwas gewollt lockere Umgangssprache, machen aus Havanna Blues einen Roman, der auf der Kuba-Welle schwimmen soll, dem aber jegliche Originalität und Spannung fehlt, und der deshalb getrost untergehen darf.
Daína Chaviano: Havanna Blues. Aus dem Spanischen von Yasmin Bohrmann. Lichtenberg Verlag, München 1999. 301 S., 10.98 Euro.