Wahlen im polarisierten Land
Faktisches Unentschieden zwischen Daniel Noboa und Luisa González nach erster Wahlrunde

Luisa González, die 47-jährige Anwältin aus Manabí, vertritt die Partei des ehemaligen Präsidenten Rafael Correa, der das Land von 2007 bis 2017 regierte und der seit einigen Jahren in Belgien im Exil lebt. Schon bei den Wahlen im Oktober 2023 verlor González nur knapp. Doch ihre Partei, die Revolución Ciudadana (RC), blieb die stärkste politische Kraft Ecuadors, die auch in den beiden grössten Städten des Landes, Quito und Guayaquil, die Bürgermeister stellt.
Damals gewann der schüchterne, sich als Mitte-Links und Umweltschützer ausgebende Outsider Daniel Noboa, Sohn des reichsten Mannes Ecuador, dem Bananenbaron Alvaro Noboa, dessen Privatvermögen auf über eine Milliarde US-Dollar geschätzt wird. In seiner 16-monatigen Amtszeit hat der 37-jährige Noboa dann aber auf ganzer Linie versagt. Er setzte keines seiner Wahlversprechen um, erhöhte die Mehrwertsteuer, kürzte im sozialen Bereich, und glänzte nur durch TikTok Videos, Unwahrheiten und Tatenlosigkeit bei der Energiekrise, die ganz Ecuador von September bis Dezember teilweise bis zu 14 Stunden täglich ohne Strom dastehen ließ.
Am 7. April 2024 ließ Noboa die mexikanische Botschaft in Quito stürmen, um den ehemaligen Vizepräsidenten Jorge Glass zu verhaften. Seitdem Vorfall unterhalten die beiden Länder keine diplomatischen Beziehungen mehr zueinander. Und kaum hatte sein Vorbild Donald Trump vor einigen Wochen 25 Prozent Zölle für Mexiko angekündigt, erlies Noboa 27 Prozent Zölle gegen das Land. Die mexikanische Präsidentin Claudia Sheinbaum konnte daraufhin nur mit dem Kopf schütteln, auch weil Ecuador hauptsächlich Medikamente aus Mexiko importiert. Sheinbaum sagte auf einer Pressekonferenz, sie hoffe sehr, dass Ecuador bald eine Präsidentin haben werde.
Noboas Krieg gegen die Drogenbanden entpuppt sich als Krieg gegen die Armen
Der Anfang 2024 groß angekündigte Krieg Noboas gegen die Drogenmafias entpuppt sich als Krieg gegen die Armen, vor allem gegen afroecuatorianische Jugendliche. Laut Amnesty International werden in Ecuador 23 Menschen vermisst, die im letzten Jahr bei Polizei und Militärkontrollen verschwunden sind. Noboa hat den Familien der vier von Militärs verschleppten Kinder aus Guayaquil, die kurz vor Weihnachten 2024 verbrannt und verstümmelt in der Nähe des Militärstützpunktes Taura aufgefunden wurden, noch nicht einmal sein Beileid ausgesprochen. Drogenbosse werden nicht gefasst, sondern verschwinden auf mysteriöse Art aus Gefängnissen, die nach wie vor in der Hand der kriminellen Banden sind. Korruptionsvorwürfe gegen Justiz, Zoll, Polizei und Miltärs sind an der Tagesordnung, so wie durchschnittlich 22 Morde pro Tag.
Trotzdem glaubt fast die Hälfte der Ecuadorianer*innen, dass eine Rückkehr der sozialdemokratischen Correa-Partei das Schlimmste wäre. Seit sieben Jahren warnen alle Fernsehsender vor Sozialismus, Kommunismus und davor, dass Ecuador wie Venezuela enden würde, wenn der Correismus wieder an die Macht käme. Die andere Hälfte der Bevölkerung glaubt dies nicht. Das zeigt auch der Ausgang der Wahlen zum Abgeordnetenhaus, die zeitgleich mit den Präsidentschaftswahlen stattfanden und nach deren Ergebnis es zum ersten Mal eine fast ausschließlich von zwei großen Parteien, Acción Democrática Nacional (ADN) von Noboa und der RC, dominierte Sitzverteilung geben wird, in der aber keine die absolute Mehrheit hat.
Auffallend am Wahlergebnis ist außerdem, dass traditionell große Parteien wie die konservative PSC (0,72 Prozent), die sozialdemokratische ID (0,22 Prozent), und die linke PS (0,53 Prozent) allesamt ein katastrophales Ergebnis erzielt haben, und nun um das politische Überleben kämpfen. Angesichts dieser extremen politischen Polarisierung zwischen Correístas und Anti-Correístas, hat einzig und allein Pachakutik, die Partei und politische Vertretung des Indigenen Dachverbandes Confederación de Nacionalidades Indígenas del Ecuador (CONAIE) mit 5,25 Prozent einen wichtigen dritten Platz erreicht.
Die Wahlempfehlung der Indigenen könnte entscheidend sein
Die Wahlempfehlung der Indigenen könnte entscheidend sein
Nun steht Leonidas Iza, Präsident der CONAIE und Präsidentschaftskandidat von Pachakutik, im Rampenlicht, denn die über eine halbe Million Stimmen, die er im ersten Wahlgang erhielt, könnten in der Stichwahl den Ausschlag geben. Iza wurde im Oktober 2019 als Anführer des wochenlangen Aufstandes gegen die neoliberale Politik der Regierung von Lenin Moreno landesweit bekannt und übernahm später den Vorsitz der CONAIE.
Die CONAIE und Pachakutik haben verkündet, sich ganz getreu ihrer basisdemokratischen Prinzipien nun in allen Dorfgemeinschaften zu beraten und am 7. März eine Entscheidung bezüglich der Präsidentschaftswahl am 13. April bekannt zu geben. Eine Enthaltung, wie sie die Indigenen noch beim zweiten Wahldurchgang 2021 beschlossen, sei in diesem Moment nicht die strategisch beste Entscheidung, ließ Pachakutik schon durchscheinen. Die Hauptdifferenzen zwischen Indigenen und der RC beziehen sich auf die Ausbeutung der Natur durch internationale Minengesellschaften, und die Erdölförderung im Amazonasgebiet. Leonidas Iza sagte am 17. Februar in einem Interview im Fersehsender Ecuavisa Folgendes: „Seit der Gründung Ecuadors haben alle Präsidenten die Indigenen schlecht behandelt. (…) Wir werden jetzt wählen, gegen wen wir in den kommenden Jahren kämpfen werden. Gegen eine Sozialdemokratie, die an ein keynesianisches Wirtschaftsmodel glaubt, und deshalb auch unsere Gebiete einnehmen will, oder gegen ein neoliberales, kapitalistisches Model einer rassistischen Rechten, das oft schon an Faschismus grenzt.“