Nicaragua | Nummer 194/195 - Juli/August 1990

Wandel im Feindbild: Das “Söldner-Heer” endet als “Campesino-Bewegung”

Die SandinistInnen revidieren ihre Sicht der Contra

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“Die Contra endete als eine Campesino-Bewegung, die ihre eigenen Führer hatte”, erklärte Luis Carrión, einer der neun Comandantes der FSLN, jüngst in einem Interview in der sandinistischen Parteizeitung Barricada (20.6.90). “Die einstigen Nationalgardisten Somozas und die bürgerlichen Politiker, die in verschiedenen Epochen versucht haben, sich als politische Führungslt}}N aufgestiegen war, die seit Jahren gängige Einschätzung der Frente Sandinista in Bezug auf die Contra völlig über den Haufen.
Denn bislang bezeichneten die San­dinistInnen – und mit ihnen auch die Soli-Bewegung – die Contra fast aus­schließlich als ein anti-nicaraguani­sches “Söldner­heer”. Wenn nicht dies, dann war sie die über die Zeit geret­tete Nationalgarde Somozas: In den Karikaturen bekamen die Contras re­gelmäßig das “GN” für Guardia Nacional auf den Helm gepinselt. Die Entwicklung der letzten Monate hingegen machte nur allzu deutlich, daß die Contra auf dem Land sehr wohl über eine beträchtliche soziale Basis und Unterstützung verfügt. “Dies zeigt”, so Luis Carrión, “daß zu irgendeinem Zeitpunkt die Allianz der Revolution mit einem wichti­gen Teil der bäuerlichen Bevölke­rung zerbrochen ist.”
Bei der Analyse der Gründe geht der Wirtschaftsminister der sandinistischen Regierung auch hart ins Gericht mit der lange verfolgten Politik, den Bauern niedrige offizielle Preise für ihre Produkte aufzuzwingen, um diese Lebens­mittel möglichst billig an die städtische Bevölkerung verkaufen zu können. “Die Revolution war in der Tat eine in erster Linie städtische – sowohl was ihre Basis als auch was die überwältigende Mehrzahl ihrer Führer angeht”, sagt Carrión. “Und ihr Triumph wurde mit dem Aufstand in den Städten entschie­den. Dies hat dazu geführt, daß über Jahre hinweg die Interessen der städti­schen Bevölkerung auf Kosten der Campesinos privilegiert wurden.”

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