Ecuador | Nummer 336 - Juni 2002

Wieder frei!

Die UmweltaktivistInnen, die in Los Guarumos (Ecuador) gefangen genommen wurden, befinden sich wieder auf freiem Fuß.

Am 25. März drang ein Kommando der Eingreifgruppe der Nationalpolizei gewaltsam in das Camp in Los Guaramos ein und nahm ohne Begründung 17 Personen fest (siehe LN 335). Das Camp sollte dem passiven Widerstand gegen den geplanten Bau einer Ölpipeline der Erdölgesellschaft OCP dienen(siehe den Artikel “Öl – eine schmierige Angelegenheit” in dieser Ausgabe). Die Studentin Bettina Ritter befand sich unter den 14 gefangengenommenen AusländerInnen. Inzwischen befindet sie sich wieder wohlbehalten in Berlin und berichtete für LN von ihren Erfahrungen.

Thilo Papacek

Bettina, du warst vom 25. März bis zum 1. April im Gefängnis, weil du dich auf dem Camp Los Guaramos befandest. Wie bist du auf das Camp aufmerksam geworden?

Ich hatte bereits vorher gewusst, dass dort der Bau einer Ölpipeline betrieben wird, mit Hilfe von deutschem Kapital von der West LB. Auch wusste ich, dass es Widerstand dagegen gibt. Von dem Camp selbst erfuhr ich aber erst in Ecuador. Ich war dort auf dem Internationalen Camp für soziale Gerechtigkeit und Menschenrechte, das vom 14.-16. März in Quito stattfand. Dort wurde über die möglichen Folgen des Freihandelsabkommens FTAA diskutiert, es gab Informationsveranstaltungen zum Plan Colombia und zu der US-Militärbasis in Manta, wohin wir auch mit einem Teil der Leute gefahren sind, um vor Ort gegen den Plan Colombia zu demonstrieren. Natürlich gab es auch Informationen zu dem Camp in Los Guaramos. Also entschied ich mich mit einer Freundin und einigen Leuten, die wir auf dem internationalen Camp kennengelernt hatten, dieses Umweltcamp zu besuchen. Wir sind mit dem Bus bis nach Mindo gefahren; von dort aus sind wir mit einem Pick-up in die Berge gefahren, die letzten Kilometer mussten wir allerdings auf einer anstrengenden Bergwanderung zurücklegen.

Wie sah das Konzept von dem Camp aus und wie hat es dir dort gefallen?

Das Camp gefiel mir sehr gut, außer uns 14 AusländerInnen vom Internationalen Camp in Quito waren noch drei Ecuadorianer dabei die auch beim Aufbau des Camps mitgeholfen hatten. Die Stimmung war sehr gut, wir haben einfach zusammen gekocht und gewohnt. Die Leute sind alle sehr angenehm und das ganze Konzept und die Art des Widerstands waren friedlich.
Es war vorgesehen die OCP Bautrupps mit einer Blockade durch Plattformen aufzuhalten. Die Plattformen waren recht hoch auf den Bäumen, einige hingen auch an Seilen befestigt zwischen den Bäumen, man konnte sie eigentlich nur mit Kletterausrüstungen erreichen, die von den Plattformen herunterhingen. Wenn die OCP-Bautrupps gekommen wären, war es geplant, auf die Plattformen zu klettern und diese nicht mehr zu verlassen. Wir wollten die Bäume auf eine friedliche Weise direkt beschützen. Unter diesen Umständen wäre auch eine Räumung kaum möglich gewesen, da das Terrain wirklich schwer zugänglich ist, und ohne die zuvor angebrachten Kletterseile ist es praktisch unmöglich auf die Plattformen zu gelangen.

Aber dazu ist es nicht gekommen?

Nein, die Räumung am 25. März kam völlig unerwartet. Wir hatten damit erst in einigen Wochen gerechnet, wenn die Bauarbeiten der OCP soweit fortgeschritten wären, dass ohne eine Räumung tatsächlich keine Arbeiten mehr möglich gewesen wären.
Wir selbst, also meine Freundin und ich, sowie die anderen 12 AusländerInnen waren eigentlich schon auf dem Rückweg, wir wollten noch für einige Tage ans Meer fahren. Dazu kam es dann aber nicht, denn auf dem Weg zur Straße kam uns schon das Spezialkommando der Polizei entgegen. Sie waren militärisch ausgerüstet, mit Gewehren, Tränengas und Gasmasken. Obwohl wir uns auf dem Rückweg befanden und auch sonst nichts getan hatten, wurden wir gleich ohne jede Begründung verhaftet. Die drei Ecuadorianer sind in dem Camp geblieben, wo sie dann kurze Zeit später auch verhaftet wurden. Wir konnten sie leider nicht warnen, weshalb sie sich auf dem Boden befanden und verhaftet werden konnten.

Und was ist dann mit euch geschehen?

Wir wurden mit dem Bus nach Quito gebracht, in das Hauptquartier der Polizeieinheit. Dort wurden unsere Personalien aufgenommen. Dabei wurden wir für zwei Stunden in einen kleinen Raum gesperrt, ohne dass uns gesagt wurde, was mit uns geschehen sollte. Als sie uns das Telefonieren untersagten, weigerten wir uns erneut die Busse zu betreten, bis wir alle telefoniert hatten. Danach wurden wir ins Gefängnis gefahren. Wir wurden nicht informiert, was mit uns geschehen sollte. Die Informationen wechselten ständig und widersprachen sich. Hinzu kam, dass uns nicht einmal ein Dolmetscher zu Hilfe kam und so gut ist mein Spanisch nicht, so dass ich auch vieles einfach nicht verstand.
Am 26. März kam es dann zu einer Anhörung mit dem Polizeichef von Quito, aber auch hier stand uns kein Dolmetscher zur Verfügung. Wenigstens hatten wir inzwischen einen Anwalt von der Acción Ecologista. Am Ende der Anhörung wurde uns nicht gesagt was nun mit uns geschehen solle. Als wir dann wieder ins Gefängnis gebracht werden sollten, weigerten wir uns solange, bis wir wenigstens jeder eine Erklärung abgeben konnten.
Am nächsten Tag konnten wir dann im Fernsehen (unsere Zellengenossin hatte einen Fernseher) sehen, wie der gleiche Polizeichef, der uns einen Tag vorher völlig uninformiert ließ, der Presse erklärte, dass wir Ausländer wegen Visamissbrauchs abgeschoben werden sollten. Die Presse war sehr interessiert an unserem Fall, denn in Ecuador werden selten Ausländer abgeschoben, und noch seltener aus politischen Gründen.

Wie war für dich der Gefängnisaufenthalt?

Das Gefängnisgebäude ist schon ganz schön heruntergekommen. Wir Frauen kamen in einen Frauengefängnis, obwohl wir vorher verlangt hatten, gemeinsam untergebracht zu werden. Wir wurden mit einigen Ecuadorianerinnen zusammen untergebracht, die sehr freundlich zu uns waren. Das Essen war allerdings eher ungenießbar. Wir durften zwar in den Hof gehen und nach Deutschland telefonieren, wir waren jedoch völlig der Willkür der Wärterinnen ausgeliefert.
Was uns sehr viel Mut machte, waren die Demonstrationen, die ständig vor dem Gefängnis stattfanden. Wir konnten immer wieder die Rufe „Libertad, libertad“ hören. Die Solidarität war wirklich phänomenal. Als wir aus dem Gefängnis herauskamen, haben wir lauter Graffittis bewundern können, die unsere Freilassung forderten.

Wie seid ihr denn aus dem Gefängnis herausgekommen?

Das hätten wir nach der Anhörung selber gerne gewusst! Wir wurden noch bis zum 1.April festgehalten, dann kam es zu einem so genannten Habeas Corpus im Gericht. Dies ist ein gerichtliches Verfahren, das die Rechtmäßigkeit der Verhaftung prüfen soll. Dort war dann auch der Bürgermeister von Quito, sowie die Botschafter der USA, von Kolumbien, Irland, der Schweiz, von Deutschland und von Italien anwesend. Der Botschafter von Italien wies auf das Fehlen eines richterlichen Beschlusses hin, er bemängelte, dass die zuständigen Botschaften viel zu spät benachrichtigt wurden und dass uns kein Dolmetscher zugestellt worden war. Der Botschafter aus Deutschland hat eher eine schlechte Figur abgegeben. Wie ich später erfuhr, hat er sogar abgelehnt, uns das Geld für eine eventuell notwendige Umbuchung unserer Flüge vorzuschießen.
Wohl auch auf Grund des sowohl nationalen als auch internationalen Medienechos ist dieser Habeas Corpus aber sehr günstig für uns ausgefallen. Es wurde nun auch von offizieller Seite her bemängelt, dass wir ohne richterlichen Beschluss verhaftet wurden. Weiterhin wurde uns der Verstoß gegen Artikel 23 des Migrationsgesetzes, also Missbrauch des Touristenvisums, vorgeworfen, weshalb wir abgeschoben werden sollten. Die OCP hat dann noch einige Fotos von aufgeschlitzten Sandsäcken gezeigt, was wohl auf unsere Sabotagetätigkeit hinweisen sollte.
Nach dem Habeas Corpus sind wir wieder ohne irgendwelche Informationen ins Gefängnis gebracht worden und kurze Zeit später wurden wir dann freigelassen.

Ihr musstet dann aber doch noch schnell das Land verlassen?

Ja, wir hatten ja noch unsere Pässe bei der Migrationsbehörde, wo wir sie dann abholen sollten. Wir dachten, dass wir mit unseren Pässen auch gleich eine Aufforderung bekommen würden, das Land binnen 24 Stunden zu verlassen. Wider Erwarten passierte aber erstmal nichts dergleichen. Plötzlich erreichte uns die Nachricht, dass gegen uns ein Verfahren wegen Sabotage laufen würde und darauf steht eine Strafe von fünf bis zwölf Jahren Gefängnis. Da hat uns dann doch die Panik gepackt, wir haben uns bei einem Freund versteckt, wir wussten ja nicht, ob schon Haftbefehle gegen uns vorliegen, und haben so schnell wie möglich das Land verlassen.

Weißt du, was weiter in Ecuador passiert ist?

Ja, zwei weitere Personen, die noch in das Camp gekommen waren, wurden verhaftet, wurde inzwischen jedoch wieder freigelassen. Gegen die drei Ecuadorianer läuft immer noch ein Untersuchungsverfahren wegen Sabotage. Sollte es zu einer Verurteilung kommen, werden die drei wohl über die grüne Grenze fliehen oder nach Europa kommen.

Interview: Thilo Papacek


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